Eine Reform des ORF-Gesetzes steht in Österreich eigentlich schon seit Jahren zur Debatte. Seit einigen Monaten verhandelten Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) mit ORF und anderen Marktteilnehmern über eine Neufassung des Gesetzes, das den Rahmen setzt für die Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Nun sind die Details des Vorhaben von der Politik vorgestellt worden.
So erfüllt die Politik dem ORF einen langjährigen Wunsch mit der Reform: Die Sieben-Tage-Regelung, nach der Inhalte nur für eine Woche in der ORF TVthek stehen dürfen, fällt. Aktuelle Beiträge über Politik, Kultur und Sport sollen künftig 30 Tage lang abrufbar sein. Für eigen- und koproduzierte Filme und Serien sind es 6 Monate und bei zeit- und kulturgeschichtlichen Inhalten sowie Kinderprogrammen gibt es künftig gar keine Beschränkung mehr.
Außerdem wird es dem ORF künftig erlaubt sein, Inhalte exklusiv fürs Netz zu produzieren. Auch das war ihm bislang nicht möglich. Erlaubt ist dem ORF durch das Gesetz auch das Betreiben eines digitalen Kinderkanals. Die Inhalte dieses Angebots sollen auch verstärkt auf Social Media ausgespielt werden können. Eigene Youtube-Kanäle darf der ORF aber auch weiterhin nicht betreiben. Ebenso bleiben andere Digitalkanäle verboten. Ausnahme ist hier der Sport: Der lineare Spartenkanal ORF Sport+ verschwindet im Zuge eines Sparprogramms bekanntlich aus dem klassischen Fernsehen, allerdings erst 2026. Danach soll er als Streamingangebot erhalten bleiben. Auch das Radio-Symphonieorchester bleibt erhalten und wird künftig vom Bund finanziert.
Dafür muss der ORF allerdings Einschränkungen auf seiner News-Webseite ORF.at hinnehmen. Bereits im vergangenen Jahr hatte ORF-Chef Roland Weißmann angekündigt, das Text-Angebot auf der erfolgreichsten Nachrichtenseite des Landes deutlich einschränken zu wollen - und so kommt es nun auch. War damals noch von einer Halbierung der Textmenge die Rede, fallen künftig wohl rund zwei Drittel der Artikel weg. Dem ORF soll es demnach nur noch erlaubt sein, 350 Textmeldungen pro Woche zu veröffentlichen. Der Anteil an Videobeiträgen soll dagegen deutlich steigen, künftig soll das Verhältnis bei 70:30 (Video:Text) liegen.
Top-Verdiener werden veröffentlicht
Und auch in Sachen Transparenz will die Bundesregierung dem ORF neue Regelungen vorschreiben. So muss der Konzern einmal im Jahr einen Transparenzbericht veröffentlichen und darin Gehälter von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie deren Nebenbeschäftigungen offenlegen. Ab einem Jahresgehalt von 170.000 Euro brutto ist zudem eine namentliche Veröffentlichung vorgesehen. Zudem greift man in bestehende Verträge ein und wird Privilegien einiger Mitarbeitenden beschneiden, so sollen Sonderzulagen und Sonderpensionen wegfallen oder gekürzt werden.
Fest steht nun auch die genaue Höhe der neuen Haushaltsabgabe, auch ORF-Beitrag genannt. Diese wird ab dem neuen Jahr eingeführt und beträgt monatlich 15,30 Euro, das sind deutlich weniger als die bisherigen 18,59 Euro. Einige Bundesländer werden hier noch Abgaben draufschlagen, durch die sie Kulturprojekte finanzieren, andere streichen diese. Daher schwanken die Gesamtabgaben ab 2024 pro Bundesland weiterhin, der ORF erhält aber von allen Menschen 15,30 Euro, dieser Beitrag soll bis 2026 zudem eingefroren werden und sich nicht verändern. Durch die Umstellung auf eine Haushaltsabgabe erwartet die Politik Einnahmen für den ORF in Höhe von 710 Millionen Euro, das ist etwas mehr als bislang. Allerdings kommen zusätzliche Werbebeschränkungen für die Radios und Online, die den ORF 25 bis 30 Millionen Euro kosten sollen. Medienministerin Raab spricht von einem "Nullsummenspiel". So wird der ORF auch künftig Gesamtumsätze von rund einer Milliarde Euro erzielen - und das mit Abstand größte Medienhaus des Landes bleiben.
Mit der Digitalnovelle, die einen Kompromiss zwischen den Marktteilnehmern darstellt, können nun die Angebote für das Publikum in öffentlich-rechtlichen Kernbereichen gestärkt werden.
ORF-Generaldirektor Roland Weißmann
Auch im ORF regt sich Widerstand
Von vielen anderen Marktteilnehmern und Beobachtern gibt es dagegen Kritik an der geplanten Reform - auch im ORF selbst regt sich Widerstand. Dem Redaktionsrat des ORF ist vor allem die Begrenzung der Texte auf ORF.at ein Dorn im Auge. Diese Einschränkung halte er für "extrem problematisch", sagt etwa Dieter Bornemann, Vorsitzender des Redaktionsrates. "Die Regierungspläne bedeuten eine Verschlechterung auf der beliebtesten Nachrichtenseite des Landes. Das ist weder im Sinne des Publikums noch im Sinne der Demokratie. Davon werden nämlich Gratismedien, Onlineriesen sowie die Politpropaganda und ‚Fake News‘ profitieren."
Durch die Beschränkungen will die Politik nach eigenen Angaben den gesamten Medienmarkt im Blick behalten und Zeitungsverlagen ermöglichen, mit eigenen Paid-Modellen online zu wachsen. Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) ist mit dem Ergebnis nun aber alles andere zufrieden und spricht von einer "medienpolitischen Fehlentwicklung", bei der die Medienvielfalt auf dem Spiel stehe. "Aufgrund der dominanten Marktposition des ORF in vielen Bereichen – insbesondere als Marktführer im Digitalbereich – droht bei einer ungebremsten Ausweitung seiner digitalen Möglichkeiten ein massiver Einschnitt in der heimischen Medienvielfalt", sagt VÖZ-Präsident Markus Mair. Der VÖZ fordert nun Gespräche im Rahmen des Begutachtungsverfahrens, noch ist das Gesetz nämlich nicht beschlossen worden.
Der ORF als "Massenvernichtungswaffe"?
ÖVP und Grüne müssen also von vielen Seiten Kritik für die geplante ORF-Reform einstecken. Kritisiert werden sie auch für etwas, dass sie in ihrer Reform völlig außen vor gelassen haben: Die Entpolitisierung des ORF. Nach wie vor ist der Stiftungsrat, das höchste Aufsichtsgremium des ORF, von der Politik dominiert. Derzeit stellt die ÖVP hier die mit Abstand meisten Mitglieder, zusammen mit den Grünen hat man eine komfortable Mehrheit. Als sich Medienministerin Susanne Raab am Mittwochabend in der "ZiB 2" den Fragen von ORF-Journalist Armin Wolf stellte, sagte sie zur politischen Besetzung des Stiftungsrats lediglich, dass man eine Reform dieses Gremiums nicht im Koalitionsvertrag vereinbart habe und dass sie nicht das Gefühl habe, dass Journalistinnen und Journalisten im ORF nicht unabhängig arbeiten können.