Und auch davon, dass die geburtenstarken Jahgänge demnächst in Rente gehen. Das betrifft Positionen abseits des Mikros insbesondere, aber auch Radiostars, die seit Jahren zu hören sind. Beispiele? Arno Müller, seit Anfang der 90er Morningshow-Host bei 104.6 RTL ist Anfang 60, Sascha Zeus Mitte 60, Michael Wirbitzky und Wolfgang Leikermoser sind beide Ende 50. Auch wenn baldige Abschiede noch nicht zu befürchten sind, die Radiohelden der vergangenen Jahrzehnte werden nicht jünger. Die Suche nach den Radiostars von morgen, sie ist in vollem Gange.
Auch Zerbst berichtet weiterhin vin vielen begeisterten Bewerberinnen und Bewerbern. "Wir haben gute Erfahrungen gemacht kurzen Recruiting-Videos unserer Moderator:innen. Die zeigen den Redaktionsalltag im Funkhaus auch auf Social Media und erreichten junge Leute." Wer dann aber schon im Bewerbungsgespräch erzähle, dass er Radio eigentlich nur noch bei den Eltern im Audio höre, sei sicherlich "kein glühender Fan" des Mediums. Dennoch würde Zerbst "wachsende Begeisterung" speziell bei jungen ffn-Mitarbeitenden beobachten. "Wer einmal live on air war, oder eine Aktion, einen Podcast oder einen Post geplant und umgesetzt hat, will in der Regel nichts anderes mehr machen", meint er.
Generation TikTok
Das Finden von neuen Radiotalenten, zumindest in der Theorie ist es heutzutage leichter. "Junge Menschen können heute schon selbst senden – etwa auf TikTok, wo man sehen kann, wie jemand performt", weiß Valerie Weber. "Die Schwierigkeit ist dann, dass diese TikToker sich auf ihren Kanälen schon selbst monetarisieren. Ihnen dann zu sagen, dass sie auch im Radio arbeiten können, um ihren eigenen Markenwert zu steigern, ist nicht immer einfach", berichtet die Programmmacherin. Denn oftmals würden Social-Media-Influencerinnen und -Influencer erwarten, direkt bei den Kunden, die in der Stunde den Sender buchen, mitverdienen.
Daher wirbt Weber für gänzlich neue Modelle – und hat selbst eins parat. "Die Zusammenarbeit von Big FM und Lukas Podolski ist ein Beispiel", sagt sie. Es könne ein Weg sein, dass ein solcher Influencer-Star, "wenn er denn zum Markenkern passt, auch mal Sendeschienen auf einem Sender übernimmt. Wahrscheinlich werden wir irgendwann auch Moderatoren nicht mehr für fünf Jahre haben. Eher beflügeln sich Marken für zwei oder drei Jahre – und dann geht man wieder auseinander", glaubt sie.
Im Gegensatz zu Social-Media-Kanälen wie TikTok lenkt nichts Visuelles vom eigentlichen Geschehen ab. Schiwa Schlei über die Vorteile des Radio
Dabei würde Radio, glaubt Schlei, sich deutlich von Social Media abheben. "Es ist auf der einen Seite das Reduzierte: Im Gegensatz zu Social-Media-Kanälen wie TikTok lenkt nichts Visuelles vom eigentlichen Geschehen ab. Es zählen nur die Stimme und der Augenblick. Womit wir beim zweiten Aspekt wären, der Kreative nach wie vor am Radio fasziniert: Es ist das zeitgleiche Live-Erlebnis. Das Wissen, dass ihnen, ihrem Beitrag oder ihrer Pointe live und vor allem zeitgleich mehrere Millionen Menschen zuhören, das sekündliche Feedback, das sie erleben, belegt es. Natürlich kann man auch auf TikTok solche Reichweiten erzielen, allerdings selten zeitgleich."
Privatradio muss also kreativ sein, das weiß auch Weber. Denn: Man werde nicht besser bezahlen können als die Öffentlich-Rechtlichen. "Daher müssen wir in Förderung von Talenten sehr viel investieren, nicht Geld, sondern Engagement", sagt sie. Eine Challenge sei daher auch, junge Menschen zum Bleiben zu bewegen. "Wir können besser als größere Häuser flexibel auf die persönliche Wünsche des Auszubildenden reagieren, weil jemand nicht mehr an fixe Ausbildungspläne gebunden ist. Wessen Herz bei uns für Rock schlägt, der kann von RPR1 etwa zu Regenbogen 2 wechseln", sagt Weber.
Wir arbeiten mit Kolleg*innen, die gute Themen finden, weil sie zuhören und fragen. Deshalb ist zum Beispiel Community Management im Messenger der N-JOY App für all unsere Moderator*innen Pflicht. Wir generieren viele Themen aus der Kommunikation mit unseren Nutzer*innen." Wie bei N-Joy gearbeitet werde, könne auch am Beispiel der im vergangene Jahr neu aufgesetzten Morningshow gesehen werden. "Sie war zu Beginn nicht fertig durchkonzipiert. Unser Moderationsteam Martina und Greg haben das in einer Art Werkstatt on air mit dem Publikum gemacht: Ideen vorgestellt, ausprobiert, Feedback eingeholt, verändert, gescheitert, verworfen etc. Das gemeinsame Gestalten durch direktere Kommunikation ist eine Entwicklung, die uns tolle Möglichkeiten bietet." N-Joy als öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber hätte in den vergangenen zwei Jahren keine Probleme gehabt, Stellen zu besetzen – auch Initiativbewerbungen gebe es immer wieder. "Die Menschen, die sich bei uns bewerben, sind meistens zwischen Anfang 20 und Mitte 30" – und es gehe fast ausschließlich um Moderation und Nachrichten, "also klassische Radiojobs".
Solche Bewerbungen sehnt auch Valerie Weber bei der Audiotainment Südwest herbei. Bei den Nachrichtensprecherinnen und -sprechern seien die Dienstpläne immer wieder nicht besetzt. On Air geschickt würden mittlerweile – "natürlich im Tandem mit einem Erfahrenen" – auch mal Volontäre in ihrer Ausbildung.