Gehört es noch zur Retro-Welle, wenn Dieter Bohlen am Samstagabend nach seiner kurzen Zwangs-Abstinenz noch einmal am Jurypult von "Deutschland sucht den Superstar" Platz nehmen wird oder ist das Comeback des 68-Jährigen in der 20. Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" das, was sich RTL unter innovativem Fernsehen vorstellt? Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte und ist wohl auch als Eingeständnis zu verstehen, dass die Castingshow zwar ohne den berüchtigten "Fickfrosch" auskommt, nicht aber ohne den von der Boulevardpresse zum "Pop-Titan" erhobenen Musikproduzenten.
Mit der Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten übte sich RTL im Laufe der Zeit immer wieder an einer Gratwanderung. In Erinnerung bleibt etwa ein Sänger, der vor 13 Jahren mit einem nassen Fleck auf der Hose vor die Jury trat. "Wir hatten schon viel. Aber dass sich jemand in die Hose pinkelt, noch nicht", ätzte Dieter Bohlen damals und fand später auch für den Gesangsauftritt des damals 18-Jährigen harte Worte. Sein Urteil: "Lieber Cholera auf dem Pipimann als deine Stimme."
Es waren auch fragwürdige, ja verantwortungslose Szenen wie diese, mit denen RTL einst die Konkurrenz stark machte - erst "The Voice of Germany" musste kommen, um dem deutschen Publikum vor Augen zu führen, dass Casting auch ganz ohne Vorführen geht. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass "DSDS" seither spürbar abgerüstet hat, erst recht unter Florian Silbereisen, der im vorigen Jahr erfolglos versuchte, mit Freundlichkeit für neuen Schwung zu sorgen und nicht nur Bohlen vergessen zu machen, sondern auch Michael Wendler und Xavier Naidoo, mit denen RTL und die UFA zuvor bei der Jury-Besetzung kein glückliches Händchen bewiesen hatten.
"Wir geben Leuten ein Forum, die stabil sind, die in der Lage sind, für sich selbst beurteilen zu können, sich dem Urteil von Dieter zu stellen."
Marco Thiel, Executive Producer
"Die 19. Staffel hat quotentechnisch nicht funktioniert", räumt Marco Thiel im Gespräch mit DWDL.de ein. "Und doch war es aus meiner Sicht eine Staffel, die absolut Sinn gemacht hat. Sie kam nur eben nicht beim Publikum in ausreichendem Maße an." Seine Vermutung: "Ich glaube schon, dass der Humor im letzten Jahr etwas zu kurz gekommen ist. Da trauen wir uns in diesem Jahr wieder deutlich mehr, ohne jedoch verletzend zu sein." Letztlich gehöre es zur DNA von "DSDS", auch Leute im Wettbewerb zuzulassen, die zwar den Traum haben, Sänger zu werden, ihn aber nicht erreichen werden. "Allerdings", sagt Thiel, "haben wir schon vor Jahren beschlossen, keinen Leuten eine Bühne zu geben, bei denen wir moralische Bedenken haben. Wir geben Leuten ein Forum, die stabil sind, die in der Lage sind, für sich selbst beurteilen zu können, sich dem Urteil von Dieter zu stellen."
Tatsächlich dürften nicht wenige davon ausgegangen sein, dass das "D" im Sendungstitel für Dieter steht. Selbst Bohlen kokettierte im Vorfeld der vermeintlich finalen Staffel damit. Ein Vorbeikommen ihm gab es für Marco Thiel daher nicht. "Für uns war ganz klar: Wenn es die Chance gibt, die Jubiläumsstaffel mit Dieter zu machen, dann sollten wie sie nutzen." Das sieht auch seine Kollegin Carolin Kaletta so, die Bohlen "eine große Leidenschaft für dieses Format" attestiert. "Er denkt, fühlt und atmet 'DSDS' von morgens bis abends." Dass RTL dafür seine zwischenzeitlichen Überzeugungen über Bord werfen muss - offenbar geschenkt.
Doch wird die 20. Staffel von "Deutschland sucht den Superstar", in der auch der frühere Sieger Pietro Lombardi sein Jury-Comeback geben wird, tatsächlich die letzte sein? Nicht wenige in der Branche rechnen damit, dass es im Erfolgsfall weitergeht. "Es gibt kaum ein komplexeres TV-Projekt als 'Deutschland sucht den Superstar'", sagt Marco Thiel. "Wenn's das nicht mehr gäbe, wäre ich wirklich traurig. Von Casting über Recall und Reality bis hin zu Shiny Floor – das ist die absolute Königsdisziplin." Der 15. April, der Abend, an dem das Staffel-Finale über die Bühne gehen wird, da ist sich Thiel sicher, "wird etwas mit uns machen". "Ich glaube, das hat noch keiner von uns so richtig auf dem Schirm."
Die Hoffnung auf eine Fortsetzung hat auch er: "Es gab schon immer Comebacks im TV und im Sport und natürlich würde mich ein Comeback für 'DSDS' besonders freuen." Dieter Bohlen hätte sicher nichts dagegen.
"Deutschland sucht den Superstar", samstags und mittwochs um 20:15 Uhr bei RTL