Es ist ein privater Radiosender mit spannender Vergangenheit: Das Berliner Programm rs2, das nach der Wiedervereinigung aus dem ehemaligen zweiten Programm des Rundfunks im amerikanischen Sektor, abgekürzt RIAS, entstand. Ein klassisches Unterhaltungsprogramm für die Bevölkerung Berlins, aber auch Brandenburg machend, fielen die Reichweiten zuletzt insbesondere in der für Werbetreibende wichtigen Altersklasse 14 bis 49 Jahre auf nur noch rund 34.000 in der Durchschnittsstunde – 2021 waren es teils noch 50.000. Insgesamt liegt der Sender bei 68.000. Seit November soll nun Jens Küffner das Ruder herumreißen. Der Programmmanager hatte im Frühjahr 2022 das niedersächsische ffn verlassen. "Ich habe ihn als einen kompetenten, engagierten und AC-begeisterten Radiomacher kennengelernt und freue mich auf die Zusammenarbeit mit Jens Küffner, der mit seiner Expertise bei 94,3 rs2 unser programmverantwortliches Führungsteam im medienzentrum Berlin komplettiert", begrüßte ihn einst Geschäftsführer Sebastian Cochois.
Im Gespräch mit DWDL.de hat der zuletzt mitunter kritisierte Programmmanager seine Ideen für den hart umkämpften Berliner Radio-Markt exklusiv erklärt und über sein Image und die vielen Schlagzeilen der zurückliegenden Tage und Wochen gesprochen.
Herr Küffner, Sie stehen derzeit deutlich in der Kritik, weil Sie wenige Wochen nach Ihrem Amtsantritt eine neue Morning-Show bei rs2 aufsetzen und somit Gerlinde Jänicke abgelöst wird. Wie liefen die Gespräche mit Frau Jänicke aus Ihrer Sicht und hat sie eine Zukunft bei Ihrem Sender?
Veränderungsprozesse lösen zumeist Reaktionen aus. Für uns war entscheidend, in welchen Sendekonstellationen und mit welchen Inhalten wir 94,3 rs2 wieder Reichweitenwachstum zutrauen. Solche Entscheidungen sind keine one-man-show, sondern werden mit breitem Konsens gemeinsam getroffen. Gerlinde ist Teil von 94,3 rs2, wenngleich nicht mehr in der Morgensendung. Ob es gelingt, mit ihr gemeinsam einen neuen Weg zu beschreiten, werden die kommenden Gespräche zeigen.
Auch bei bisherigen Stationen gab es unter ihrer Führung Änderungen in der Morningshow – etwa bei RSH in Kiel oder bei ffn, wo unter Ihrer Programmleitung Franky nach über zwei Jahrzehnten aufhörte. Wie viel hat das wirklich konkret mit Ihnen zu tun und wo liegen aus Ihrer Sicht Chance und Risiko einer neuen Morningshow?
Auf den ersten Blick scheint es gewisse Gemeinsamkeiten zu geben. Die Situationen haben aber in Wahrheit wenig miteinander gemein. Ein Risiko bei Veränderungen des Herzstücks im AC-Radio, der Morningshow, schwingt immer mit, klar. Manchmal ist man als Programmmacher gezwungen, Veränderungen vorzunehmen, obwohl man diese vermeiden möchte; ein andermal gibt man bewusst einen neuen Impuls ins Team und in den Markt. Am Ende bestimmen diese Prozesse maßgeblich die Hörer*innen aufgrund ihres Einschaltverhaltens. Wenn die Quote dauerhaft sinkt, gibt es immer Gründe. Ganz wichtig ist mir dabei: das hat nie etwas Persönliches, es ist immer rein strategisch.
rs2 hat eine durchaus stolze Geschichte, scheint aber dem Hören nach aktuell maximal noch eine Hülle seiner selbst zu sein. Das Wochenendprogramm besteht aus gleich zwei Ausstrahlungen der selben und sicherlich gut gemachten „Barbara Schöneberger Show“, die aber wenig eigene Identität stiftet und einem Morning-Show-Best-Of. Werktags waren prägende Inhalte ebenfalls kaum zu hören – stattdessen günstig: viel Musik. Was war Ihre Bestandsaufnahme?
94,3 rs2 war immer ein stolze Marke. Zu Zeiten in denen mein Freund und Mentor Ralf Mothil das Programm verantwortete (Ende der 90er, Anfang der 2000er), stand die Marktführerschaft für rs2. Seine 250.000er Media-Analyse ist bis heute auf dem Berliner Markt unerreicht. Das zeigt, wieviel grundsätzlich möglich ist, wenn ein Programm konsequent gestaltet wird und die richtigen Entscheidungen getroffen und gelebt werden. Aktuell befindet sich 94,3 rs2 im Sinkflug und erreicht derzeit 68.000 Hörer in der Durchschnittsstunde. Das ist sehr weit weg von dem, was sich Gesellschafter, Geschäftsführung und natürlich auch das Team wünschen und vorstellen. Wichtig wird sein, dass wir die Marke neu denken, kräftig aufladen und im Markt strategisch klug verankern. Dazu zählt auch, dass wir alles auf den Prüfstand stellen.
In Zeiten, in denen sich viele Menschen abgehängt und überfordert fühlen, nach Halt und Orientierung suchen, erleben konfektionierte, kuratierte Angebote eine Renaissance. Das ist, was AC-Radio besonders gut kann.
Was reizt Sie persönlich eigentlich an der Aufgabe? Die Change-Prozesse, für die Sie letztlich ja auch geholt wurden, sind ja für alle irgendwie schmerzhaft?
Die meisten ehemaligen Programmchefs von 94,3 rs2 kenne ich persönlich und seit Jahren. Ralf Mothil, Stephan Hampe, Rik de Lisle, Marco Brandt. In diese Fußstapfen zu treten ist Verantwortung und Motivation zugleich. Außerdem stimme ich nicht in den branchenweiten Abgesang auf AC-Radio ein. Ich bin überzeugt davon, dass AC-Radio weiterhin eine gute Zukunft hat; nicht nur in Berlin – deutschlandweit! In Zeiten, in denen sich viele Menschen abgehängt und überfordert fühlen, nach Halt und Orientierung suchen, erleben konfektionierte, kuratierte Angebote eine Renaissance. Das ist, was AC-Radio besonders gut kann! Dass Change-Prozesse nie geräuschlos ablaufen, liegt in der Natur der Sache. Menschen sind Gewohnheitstiere, Veränderung löst bei vielen zunächst Sorge und Verunsicherung aus. Das muss man begleiten und einen gemeinsamen Geist entwickeln, getragen von den drei Vs: Verbindlichkeit, Vertrauen und Verlässlichkeit.
Der Berliner Radiomarkt ist hart umkämpft. RTL ist seit Jahren eine starke Marke – wo wollen Sie für rs2 eine Nische finden?
Ich denke nicht in Nischen, wir wollen das Maximum für 94,3 rs2 erreichen. Da ist eine Nischenposition, aus der man nur Superserving für eine kleine Zielgruppe betreiben kann, der vollkommen falsche Ansatz. RTL hat in den letzten Jahren ebenfalls deutlich Hörerinnen und Hörer verloren und ich halte sie nicht für unschlagbar. Im Gegenteil. Wir werden unsere Hausaufgaben machen und wollen wieder ein gewichtiges Wort mitreden, wenn es um die Marktführerschaft im AC/Hot AC-Segment in Berlin und Brandenburg geht. Wir wollen nicht Zweiter oder Dritter werden. Sondern Erster. Und dieser Herausforderung stellen wir uns gemeinsam.
Radiomachen ist oft wie Fußball. Jeder Trainer hat seine eigene Spielidee, für die er steht.
Sie kündigen nun Nachrichten um :55 an, eine neue Station Voice, wollen als Programmaktion Rechnungen bezahlen. Das sind alles Stilmittel, die Sie auch bei ffn verwendet haben. Ist das Ihr Werkzeugkoffer oder Zufall?
(lacht laut) Radiomachen ist oft wie Fußball. Jeder Trainer hat seine eigene Spielidee, für die er steht. Jürgen Klopp wird nie Verteidigungsfussball spielen lassen und Pep Guardiola keinen Angsthasenfußball. Ich habe eine sehr genaue Vorstellung davon, wie ein Programm klingen, wie es stragetisch aufgesetzt werden, und wie es täglich mit Herzblut gestaltet und gelebt werden sollte. Mein Werkzeugkoffer ist da über die Jahre recht gut gefüllt worden, keine Sorge. Je nach Marktlage und Wettbewerb brauchst du mal einen dickeren Bohrer oder eben die feine Feile. Ein Patentrezept, was wie und wo funktioniert, gibt es nicht. Und das Radio neu erfinden können wir alle nicht. Wir können es aber immer wieder neu denken und besser machen.
rs2 hat, wenn auch nicht für jeden positiv, viele Schlagzeilen in den vergangenen Tagen und Wochen gemacht. Das könnte Ihnen doch per se recht sein, wenn über den Sender und die nun angestoßene Neuausrichtung wieder vermehrt gesprochen wird. Ist Bad PR also auch Good PR?
Nein. Weil wir kein Marktschreier-Sender sind und auch gar nicht sein wollen. Als Programmmacher habe ich nie und mit keinem Programm auf billige oder bad PR-Maßnahmen gesetzt, nur um im Markt etwas Gehör zu finden. Viel entscheidender ist, einen mittel- und langfristigen Plan zu haben und die Veränderungen oder Anpassungen im Programm sukzessive und konsequent umzusetzen. Und dabei die Hörerinnen und Hörer stets mitzunehmen. Menschen haben ein feines Gespür dafür, ob sich da einer nur wichtig tun will, oder es ernst meint. Ich stehe für glaubwürdiges und echtes, nahbares Radio.
Herr Küffner, Danke für die Ausführungen.