Wer sich gerne verzaubern lässt, der sollte besser nicht so genau hinter die Kulissen einer, nun ja: Traumfabrik wie dem „Studio Hamburg“ blicken – es könnte zur Desillusionierung führen. Vorm Aufnahmeblock A4 zum Beispiel, wo am Rande der Hansestadt einst Fernsehlegenden von „Diese Drombuschs“ bis Beckmanns Talkshow entstanden sind, steht ein quietschorangener Kastenwagen, der amerikanische Kinderherzen höherschlagen lässt und gerade den Erdteil wechselt.
„Foodie Truck“ heißt der plüschig dekorierte Oldtimer, in dem zwei drollige Fellkreaturen drei- bis sechsjährigen US-Kids schon länger Kochen, Küche, Nahrungsmittel und ihre Herstellung näherbringen. Zurzeit nämlich steht er tief im Hamburger Osten und sieht eigentlich ganz bezaubernd aus – sofern man nur das rollende Original betrachtet. Ein paar Meter studioeinwärts allerdings, durch die resopalöden Flure der öffentlich-rechtlichen Produktionsstätte, verliert es ein Stück seiner Magie. Kurz zumindest.
Fünf Kameras surren für die Produktionsfirma MoveMe durchs Dunkel der riesigen Halle und filmen die fernsehtaugliche Version vom „Foodie Truck“. Ein gutes Dutzend leibhaftiger Menschen wuselt um die leblosen Plüschtiere herum. Aufnahme, ruft jemand, und bitte! Dann sieht man den Puppenspieler Martin Reinl auf einem Rollbrett unterm Sperrholzmodell, wie er einer pinken Mischung aus Catweezle und Lemmy Kilmister namens Gonger künstliches Leben einhaucht. „Mehligkochende Kartoffeln, Speck, Zwiebeln, Thymian, Butter und ein paar Schnittlauchrollen“, quäkt er mit kindgerechter Stimme. Danke, fertig, nächstes Bild.
Küchenschlacht für Pre-School-Kids
So profan entsteht hier gerade das Spin-Off einer Serie, dessen neudeutscher Name nur teilweise aufs große Vorbild hindeutet: „Krümelmonsters Foodie Truck mit Steffen Henssler“ – unter dem Titel verbinden Super RTL und RTL+ ein Mitglied der unverwüstlichen „Sesamstraße“ mit einem der unverwüstlichen Kochshowbranche und machen daraus eine Form von Kinderprogramm, das selbst im entzauberten Entstehungsprozess ein bisschen Herzenswärme andeutet. Der national bekannte Fernsehkoch und der international berühmte Keksfanatiker: gemeinsam mit dem deutschen TV-Neuling Gonger starten sie Anfang 2023 eine Küchenschlacht für Pre-School-Kids, wie Kita-Kinder im RTL-Kosmos heißen. Und es könnte zauberhaft werden.
Wenn Steffen Henssler, nicht weit vom Studio Hamburg entfernt zum Sternekoch gereift und auch sonst ziemlich norddeutsch, vorerst 13 mal 30 Minuten mit Spielzeugfiguren einer Spielzeugkulisse am Spielzeugherd steht, „wollen wir Kindern gute Ernährung beibringen, aber ohne erhobenen Zeigefinger“. Wer beim Kochprozess beteiligt werde, fügt der fünfzigjährige Familienvater hinzu, „kriegt ein anderes Verhältnis zum Essen“. Der Trailer deutet an, wie recht er damit haben dürfte. Während das alteingesessene Krümelmonster und sein frisch importierter Kollege Gonger mit großer Freude am Chaos kleinkindgerecht herumkaspern, holt sie der Küchenprofi mit spielerischem Ernst auf den Boden der Nahrungsmitteltatsachen zurück.
Vom Studio A4 nämlich fährt das ungleiche Trio mit dem Kastenwagen vor der Tür tatsächlich durchs Land. Es besucht kleine Bauerhöfe und große Plantagen, Nah- und Fernversorger, Eltern und Kinder, um zu zeigen, woher unser täglich Brot so kommt und was man daraus machen kann. „Es ist ein edukativer Inhalt“, beschreibt SuperRTL-Geschäftsführer Thorsten Braun im studioeigenen Kräutergarten das Sendungskonzept, „aber mit sehr viel Spaß“. Und einem Hintergedanken.
Denn gemeinsam mit „Sesame Workshop Europe“, deren gemeinnützige Muttergesellschaft vor 53 Jahren die „Sesamstraße“ ins US-Fernsehen holte, will RTL sein prominentes Zugpferd zu einer Art deutschem Jamie Oliver aufbauen, der ja vor allem in seiner britischen Heimat seit langem schon für bessere Ernährung jüngerer Zielgruppen kämpft. „Diese Idee könnte man beliebig weiterspinnen“, meint Steffen Henssler und wähnt sich in RTL-Gruppe wohl auch deshalb gut aufgehoben, weil sie auch ein bildungsferneres Publikum ansprechen kann. Das erklärt womöglich auch, warum Krümelmonsters Foodie Truck nicht für den NDR startet, der die deutsche Sesamstraße macht, also prädestiniert wäre.
„Wir sprechen immer erst mit dem NDR“, versichert der deutsche Sesame-Manager Stefan Kastenmüller. Doch nachdem man dort nicht zugriff, sprang RTL mit seinem Kinderkanal und dem Streamingportal ein. Dort hatte man im Sommer ja eine Partnerschaft vereinbart. Und Ersterer hat schließlich bereits das computeranimierte Sesamstraßen-Spinoff „Mecha Builders“ im Angebot, Letzterer wolle ohnehin sein Kinderportfolio ausbauen. Und da der Kika sich lieber auf die Sesamstraße fokussiert“, wie Kastenmüller berichtet, können alle zufrieden sein. Und sind es offenbar auch – das zeigte sich schon, wie selig sich die zwei Fernsehmacher vorm Studiobesuch in den Foodie Truck hocken. „Geiles Auto“, meint Stefan Kastenmüller lachend. Und schönes Konzept.