Deutschland wird älter. Das ist keine besonders neue Erkenntnis, doch allmählich wird diese Entwicklung auch im Fernsehen sichtbar. Durchschnittlich 59 Jahre beträgt das Durchschnittsalter des TV-Publikums im ersten Halbjahr 2022, wie die aktuellen Daten der AGF zeigen (DWDL.de berichtete). Doch es nicht nur der demografische Wandel, der dafür verantwortlich ist - auch der Wandel der Mediennutzung hin zu Streaming und Mediatheken sorgt dafür, dass das Durchschnittsalter der Zuschauerinnen und Zuschauer im linearen Fernsehen kräftig steigt.

In der ersten sechs Monaten dieses Jahres sah ein 14- bis 29-Jähriger im Schnitt gerade mal noch 55 Minuten auf klassischem Wege fern. Gut möglich, dass die Fußball-WM am Jahresende noch einmal für leicht steigende Zahlen sorgen wird. Der allgemeine Trend aber ist klar: Das lineare Fernsehen veliert in der jüngeren Generation an Bedeutung. Zum Vergleich: Noch vor zehn Jahren lief bei den 14- bis 29-Jährigen der Fernseher 137 Minuten am Abend - und alleine in den letzten fünf Jahren brach die Sehdauer um fast die Hälfte ein.

Problematisch ist das vor allem für all jene Sender, die sich an ein besonders junges Publikum richten, etwa RTLzwei. Lange richtete sich der Privatsender vorwiegend an die 14- bis 29-Jährigen, doch inzwischen gibt RTLzwei als Kernzielgruppe die 14- bis 49-Jährigen aus - was auch der Erkenntnis geschuldet sein dürfte, dass es vor allem die Über-30-Jährigen, mehr als noch die Über-40-Jährigen braucht, um nennenswerte Reichweiten zu erzielen.

Viele Kanäle, viele Zielgruppen

"Die Kernzielgruppe von RTLzwei ist 14-49 und innerhalb dieser liegt unser Durchschnittsalter aktuell bei 36 Jahren. In den vergangenen zehn Jahren sind wir innerhalb dieser Zielgruppe zwei Jahr älter geworden", rechnet RTLzwei-Programmchef Tom Zwiessler vor. Das aber ist freilich nur die halbe Wahrheit: Nimmt man die Zuschauerinnen und Zuschauer jeden Alters zur Grundlage, dann ist das durchschnittliche RTLzwei-Publikum mittlerweile 51 Jahre alt - ein Sender für junge Erwachsene sieht definitiv anders aus.

"Natürlich ist richtig: Der lineare TV-Markt wird älter, das betrifft alle Sender", räumt Zwiessler gegenüber DWDL.de ein. "In einem immer stärker fragmentierten Medien-Ökosystem mit differenzierten Zielgruppen ist eine einzelne Zahl wie das Durchschnittsalter aber nicht mehr besonders aussagekräftig." RTLzwei mache Programm "auf vielen Kanälen und für viele Zielgruppen".

Das Dilemma zeigt sich etwa bei den Vorabend-Soaps: Vor allem "Köln 50667", in Spitzenzeiten für zweistellige Marktanteile gut, erreicht auf klassischem Wege kaum noch sein Publikum. In den vergangenen Wochen sahen Abend für Abend meist weniger 100.000 Menschen zwischen 14 und 49 Jahren zu, während die Soap im Netz, etwa bei RTL+ und YouTube, noch immer ein schöner Erfolg ist. "'Berlin - Tag & Nacht' und 'Köln 50667' haben zusammen mehr als acht Millionen Follower bei YouTube und anderen Social Media", so der Programmchef von RTLzwei.

Doch jung angelegte Formate wie "Köln 50667" dürften in Zukunft im klassischen Programm untergeordnete Rolle bei RTLzwei spielen. Zwiessler: "Da das lineare TV-Publikum im Schnitt älter wird, richten wir unsere Programmstrategie linear künftig eher auf ein Publikum 30+ aus. Beispiele für diese Neuausrichtung sind erfolgreiche neue Programmfarben wie 'Bella Italia', 'Die Retourenjäger' oder die Rankingshow 'Krass und Crazy: Camper'."

Und damit nicht genug: Für die neue Saison hat RTLzwei nicht nur ein Comeback von "Genial daneben" mit Hugo Egon Balder, Hella von Sinnen und Wigald Boning in Aussicht gestellt, sondern auch eine Wiederbelebung des "Glücksrads". Dazu kommt, dass der Sender ein Auge auf die "Klinik am Südring" geworfen hat, die im Sat.1-Nachmittagsprogramm keinerlei Zukunft mehr haben soll. Das Alter macht eben auch vor RTLzwei nicht Halt. Kein Wunder, wird doch auch RTLzwei selbst im nächsten Jahr bereits 30.  

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