"Etwas verrückt und überaschend." So beschreibt Rudolph Brückner, den alle Rudi nennen, die zurückliegenden Monate. Dass er an diesem Montag mit immerhin 67 Jahren noch einmal einen wöchentlichen Fußball-Talk übernehmen würde, hätte er selbst wohl noch vor Kurzem am wenigsten erwartet.
Alles begann im vorigen September, als Florian König wenige Wochen nach seinem Einstand als "Doppelpass"-Moderator erkrankte und monatelang ausfiel. Brückner übernahm die Vertretung und feierte damit sein Comeback in jener Sendung, die er einst seit ihrem Start im Jahr 1995 selbst fast eine Dekade lang prägte. "Wenn man jemand Junges dahin gesetzt hätte, hätten wahrscheinlich die Diskussionen angefangen, warum die das machen und den Nachwuchs 'verheizen'", sagt Brückner über seine überraschende Rückkehr vor fast einem Jahr. "So war mein Gastspiel auch nostalgisch angehaucht – und wie die Rückmeldungen zeigen, habe ich das offenbar auch nicht so schlecht gemacht."
Bis zum Jahreswechsel moderierte Brückner wieder den "Doppelpass" – und schnell war die Routine wieder da. Nach Königs Genesung schien das Thema Fußball-Talk dann aber doch ein für allemal beendet. Wäre da nicht der positive Corona-Test gewesen, der nicht nur Florian König im April überraschte, sondern auch die Redaktion, die wenige Stunden vor der Live-Sendung mit Star-Gast Oliver Kahn plötzlich schon wieder ohne Moderator dastand. Wieder war es Brückner, der einsprang, auch wenn es ihm diesmal alles andere als leicht fiel.
"Vor diesem Sonntag war ich auf einer Geburtstagsfeier eingeladen, die nicht schon um Mitternacht endete, um es mal so zu sagen", sagt Brückner und lacht. "Ich lag noch im Bett, als um halb 9 das Telefon klingelte." Die Partynacht noch in den Knochen, sagte er zu. "Also bin ich zum Flughafen gefahren, war kurz nach 10 da, habe mir meine Klamotten angezogen und bin weitgehend unvorbereitet in diese Nummer reingesprungen." Ganz verbergen ließen sich die Umstände nicht. "Ich sah, ehrlich gesagt, schrecklich aus. Selbst die Maske konnte bei mir keine Wunder wirken. Aber inhaltlich ging das", erinnert sich der Moderator. Allerdings: "Nach den zweinhalb Stunden bin ich beinahe auf dem Stuhl eingeschlafen."
Beim Sport1-Publikum kam Rudi Brückners Rückkehr indes so gut an, dass im Sender Überlegungen angestellt wurden, wie man den Routinier auch künftig einsetzen kann. So entstand die Idee zu der neuen Talkshow, die Brückners Namen trägt, und fortan wöchentlich im Abendprogramm zu sehen sein wird. "Um es einmal ganz theatralisch auszudrücken: Wir machen diese Sendung aus Liebe zum Fußball", sagt Brückner. Doch wieso braucht es überhaupt einen weiteren Fußball-Talk? "Wir erfinden das Rad nicht neu, aber der Inhalt der Gespräche wird neu", verspricht er.
Was Brückner meint: Es soll mehr um Entwicklungen, Tendenzen und neue Ideen im Fußballgeschäft gehen, weniger um das, was sich am Wochenende auf den Plätzen ereignete. "Wir sind nicht von der Aktualität getrieben. Ich möchte vielmehr versuchen, entschleunigte Gespräche über den Fußball zu führen, weil das meiner Meinung nach viel zu kurz kommt." Aus seiner Sicht hängt das auch mit dem verstärkten Blick der Klubs auf kurzfristige Erfolge zusammen. "Viele Leute bleiben in den Vereinen nur noch zwei oder drei Jahre und sind danach schon wieder weg. Dass so auch Probleme im Zusammenspiel mit den Fans entstehen, fällt in anderen Fußball-Talks meist hinten runter."
Mit Trainer-Legende Winnie Schäfer und Ex-Köln-Profi Patrick Helmes will er sich zum Auftakt den Themen widmen – ahnend, dass wohl nur schwer Veränderungen im Fußballgeschäft herbeiführen lassen werden. "Ich weiß nicht, ob wir das Rad zurückdrehen können. Wahrscheinlich nicht", räumt Brückner ein. "Man muss aber den Finger in die Wunde legen, um noch Schlimmeres zu verhindern. Wenn sich die Fans erstmals abgewendet haben, kommen sie so schnell nicht wieder zurück."
Vor 27 Jahren, als er das Publikum zum ersten "Doppelpass" begrüßte, war das Business noch ein anderes. Dass der Talk überhaupt überlebte, hängt auch mit den damaligen Rahmenbedingungen des Sport1-Vorgängers DSF zusammen. "Wir hatten Glück, dass der Sender so schwach mit Rechten bestückt war", erinnert sich Rudi Brückner. "Dadurch gab es die Möglichkeit, diese Sendung zu entwickeln. Es hat gedauert."
Vielleicht 150.000 Zuschauerinnen und Zuschauer schalteten anfangs ein – kein Vergleich zu den Spitzen-Quoten, die der "Dopa" heute erzielt. Franz Beckenbauer sprach damals von einem "Kasperlsender" und auch Uli Hoeneß habe sich lustig gemacht. "Dann haben wir zwei, drei Sendungen gemacht, in denen wir die Bayern ordentlich rannahmen – und plötzlich klingelte mein Telefon", erzählt Brückner. Am anderen Ende der Leitung: Besagter Uli Hoeneß, der ihn fragte, weshalb die Bayern im "Doppelpass" immer beschimpft würden. Brückners Antwort: "Weil ihr nicht da seid! Daraufhin hat er für die nächste Sendung zugesagt und aufgelegt."
Mit den regelmäßigen Gastspielen der Branche wuchs schließlich die Akzeptanz, die dem "Doppelpass" bis heute bestehen lässt. Bei seiner neuen Sendung wird Rudi Brückner dagegen wieder bei Null beginnen müssen. Doch mit der Quote geht der erfahrene TV-Talker nach eigener Aussage gelassen um. "Ich bin inzwischen ja etwas älter", sagt er. "Meine Karriere hängt also nicht mehr so sehr am seidenen Faden."