So richtig glamourös ist der Job des Produzenten eher selten. Geduld zählt zu den wichtigsten Tugenden derjenigen, die mit ihren Projekten die Film- und Fernsehwelt voranbringen wollen. Selbst Geschichten, die mit einem Glamourmoment beginnen, entwickeln sich oft zum langwierigen Marathon. Als das Medienmagazin DWDL.de 2018 an einem sommerlichen Novembermorgen Oliver Berben im Soho House drei Etagen überm Büro der Constantin Film am Sunset Boulevard in West Hollywood trifft, beginnt eine solche Geschichte. Berben hat gerade als erster deutscher Produzent eine US-Originalserie an Netflix verkauft: die achtteilige Horror-Action "Resident Evil", die auf dem gleichnamigen Survival-Game basiert und mit deren Verfilmungen die Constantin 1,2 Milliarden Dollar an den Kinokassen eingespielt hat. Wenig später läuft ein wochenlanges Showrunner-Casting, bei dem Berben und seine Mitarbeiter bis zu sechs Kandidaten am Tag interviewen. Etliche Top-Autoren bringen sich dafür in Stellung.

Den Zuschlag kriegt schließlich Andrew Dabb, bekennender Hardcore-Fan des Spiels und langjährig gestählter Showrunner von "Supernatural". Ende 2019 soll die Pre-Production starten, im Frühjahr 2020 gedreht werden. Weil der Stoff komplex und das Budget hoch ist und weil dann noch eine globale Pandemie dazwischenkommt, braucht es viel mehr Geduld als ursprünglich gedacht. Erst im Herbst 2021 kann in Kapstadt und London gedreht werden. Nächste Woche, am 14. Juli, veröffentlicht Netflix nun das Reboot, für das Berben als Executive Producer und Constantin-CEO Martin Moszkowicz als Producer verantwortlich zeichnen. Glaubt man den Fan-Kommentaren, wird es entweder ein genialer Höhepunkt für das Franchise oder ein desaströser Absturz. Dazwischen gibt's nichts: "Resident Evil" kann alles sein, nur nicht egal.

Resident Evil © Netflix/Marcos Cruz Zombies in Aktion: Constantin Film macht sein Horror-Franchise "Resident Evil" zur Netflix-Serie
Weil Moszkowicz, Berben und rund 890 weitere Constantin-Kräfte in der Zwischenzeit trotz Pandemie alles andere als untätig waren, hat der Münchner Konzern ein Geschäftsjahr oberhalb der prognostizierten Erwartungen hingelegt. 2021 stieg der Umsatz um 26,8 Prozent auf 299,6 Millionen Euro, die Gesamtleistung um 27,7 Prozent auf 410,4 Millionen Euro. Der Anstieg gegenüber dem Vorjahr resultierte laut Geschäftsbericht vor allem aus den gewachsenen Umsätzen mit Auftragsproduktionen wie "Der Palast", "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", "Blood Red Sky" oder "LOL" sowie aus Home-Entertainment-Auswertungen wie "After Truth" und "Monster Hunter". Das Vorsteuerergebnis erhöhte sich um 1,6 Prozent auf 12,6 Millionen Euro und wurde dem Unternehmen zufolge im Wesentlichen aus den Kinostarts von "Kaiserschmarrndrama" und "After Love", der Home-Entertainment-Auswertung von "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" und "After Truth" sowie der Free-TV-Auswertung von "Der Vorname" generiert.

Über die Constantin Film

  • Mit 299,6 Millionen Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2021 hat die Constantin Film kräftig zugelegt, vor allem dank Auftragsproduktionen wie "Der Palast", "Blood Red Sky" oder "LOL".

  • Der heutige Konzern entstand 1979 im Zuge der Übernahme und Sanierung der Neuen Constantin Film durch Bernd Eichinger. Seit 2009 gehört er zu 100 Prozent der Schweizer Holding Highlight Communications von Medienunternehmer Bernhard Burgener.

  • Die fünf Geschäftsfelder sind Kinoproduktion, Filmverleih, Lizenzhandel, Home Entertainment sowie TV, Entertainment & digitale Medien. Martin Moszkowicz ist seit 2014 Vorstandsvorsitzender, Oliver Berben seit 2021 sein Stellvertreter.

Am bemerkenswert detaillierten Berichtswesen der Gruppe ist auch interessant, welche Geschäftsfelder wie viel zum Gesamtumsatz beitragen: Den Löwenanteil von 48 Prozent machen demnach Auftragsproduktionen für TV-Sender und Streaming-Plattformen aus, allen voran die hochvolumigen Dailies "Dahoam is Dahoam" und "Shopping Queen". 21 Prozent des Umsatzes stammen aus Home-Entertainment-Auswertungen, 13 Prozent aus TV-Erlösen, die mit Kinofilmen und TV-Eigenproduktionen erwirtschaftet werden, sieben Prozent schließlich aus den Kinoauswertungen selbst. Der relativ niedrige Anteil liegt an den pandemiebedingten Kinoschließungen, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kinoauswertung im Erfolgsfall für Aufmerksamkeit und Markenbildung sorgt, die dann auf den nachgelagerten Auswertungsstufen erst so richtig kapitalisiert werden. "Hätten wir die Krise ohne unsere Library, ohne attraktive Programmrechte überstehen müssen, dann gäbe es uns jetzt möglicherweise nicht mehr", kommentiert Moszkowicz im Gespräch mit DWDL.de. Und äußert sich zuversichtlich zur Post-Corona-Perspektive fürs Kino: "Im US-Markt sehen wir bereits, dass die Kinobesucher auf Vorkrisenniveau zurückkommen, teils sogar darüber. Das ist mit etwas Zeitverzug auch bei uns zu erwarten. Der deutsche Kinomarkt ist immer etwas schwerfälliger. Da muss man Geduld und Nerven behalten."

Fürs laufende Jahr rechnet Moszkowicz mit einem Umsatzkorridor zwischen 300 und 340 Millionen Euro sowie einem Konzernergebnis vor Steuern zwischen acht und zwölf Millionen Euro. Das Umsatz-Plus soll hauptsächlich durch abermals erheblich höhere Erlöse aus Auftragsproduktionen enstehen, darunter insbesondere das eingangs erwähnte "Resident Evil", die weitere Netflix-Serie "Liebes Kind" (Constantin Television), eine sechsteilige Verfilmung von Romy Hausmanns gleichnamigem Thriller-Bestseller, sowie die beiden Netflix-Filme "Blood & Gold" (Rat Pack Filmproduktion), Peter Thorwarths Western über einen von SS-Truppen gejagten deutschen Deserteur gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, und "Der Parfumeur" (Constantin Television/Moovie), Nils Willbrandts Crime-Drama, das das "Parfum"-Universum weiterdrehen soll.

LOL: Last One Laughing © Amazon Studios Streaming-Hit: "LOL" von Constantin Entertainment
Ganz schön viel Netflix also – nachdem man zuletzt mit "LOL", "One Night Off" und "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" etliche Eier ins Amazon-Nest gelegt hatte. Dazu passt, dass der Geschäftsbericht es als "erhebliches Risiko" einstuft, dass die Constantin Film "hohe Umsätze mit einzelnen Streaming-Anbietern (Amazon, Netflix)" erziele. Hier bleibe abzuwarten, wie sich der SVoD-Markt entwickle. Die Stellung von Amazon und Netflix könne "unter Druck geraten, da immer mehr Konkurrenz durch weitere Streamingportale (z.B. Disney+, HBO Max) den adressierbaren Markt schmälern könnte". Diese Entwicklung könne zu schlechteren Konditionen und damit zu sinkenden Umsatzerlösen für die Constantin führen.

Was folgt daraus? Vorstandschef Moszkowicz redet auf Nachfrage nicht um den heißen Brei herum, sondern findet wie fast immer klare Worte: "Wir alle machen gute Umsätze mit den Streamern, aber wir alle verdienen daran zu wenig, weil das Geschäftsmodell für Produzenten nicht margenstark genug ist." Angesichts der jüngsten Einschnitte und Reduzierungen bei Netflix und HBO Max, denen mutmaßlich weitere folgen werden, konstatiert Moszkowicz: "Die Goldgräberzeit im Streaming ist vorbei, aber das sehe ich eher als positive Entwicklung. Denn jetzt kommt es auf das an, worin wir ohnehin stark sind – kommerzielle Qualität mit besonderen Programmen, die bei den Zuschauern ankommen, und nicht nur Volumen um jeden Preis." Zusätzlich bekräftigt er die politische Forderung der Produzentenverbände nach einer lokalen Investitionspflicht für die Streamer und einem garantierten Rechterückbehalt für die Produzenten.

Die weiteren Herausforderungen für seinen Konzern und die ganze Branche bezeichnet Moszkowicz als "perfekten Sturm von Problemen": "Die Pandemie ist noch nicht vorbei, aber die Hilfen sind weitgehend ausgelaufen. Fachkräftemangel, Inflation und Krieg sorgen für erhebliche Kostensteigerungen, Lieferkettenprobleme und einen gnadenlosen Konkurrenzkampf um die besten Kreativen. Die nächsten anderthalb Jahre werden sehr kritisch für unsere Branche und wir werden sehr alert sein müssen.“ Andererseits bleibe er zuversichtlich, nachdem er in seinen 30 Jahren bei der Constantin schon etliche Ups und Downs erlebt habe. "Wir sind äußerst flexibel und können, wenn nötig, sehr schnell auf Marktentwicklungen reagieren, ohne erst eine komplzierte Konzernbürokratie in Bewegung setzen zu müssen."

Die künftige Akquisitionstätigkeit der Constantin Film ist laut Moszkowicz "rein opportunity-driven", ohne langfristige Zielvorgaben. Zunächst müsse man jetzt die beiden Neugründungen High End Productions in Wien – ein 50/50-Joint-Venture mit Herbert Kloiber, dem langjährigen Inhaber der Tele München Gruppe – und Upgrade Productions in Los Angeles – eine Firma für nicht-englischsprachige Originals mit den Ex-Disney-Netflix-eOne-Managern Matt Brodlie und Jonathan Kier – aufbauen. "Was nicht heißt, dass wir nicht spontan reagieren könnten, wenn morgen eine tolle Gelegenheit aufschlägt."

Produktionsriesen im Umbruch – bisher erschienen