Als Amazon und UFA in den letzten Junitagen die Verfilmung von "Save Me", dem ersten Band der "Maxton Hall"-Romantrilogie von Mona Kasten, als sechsteilige Streaming-Serie ankündigten, war ein gewisser Stolz auf Produzentenseite unübersehbar. Man sei sich der Verantwortung "gerade gegenüber den Fans sehr bewusst", versprach UFA-Fiction-Geschäftsführer Markus Brunnemann. Kein Wunder: Wann immer Produzenten einen kultisch verehrten Teenie-Bestseller anfassen, schwingt die vage Hoffnung auf das nächste "Twilight" oder "Hunger Games" mit.
Mindestens ebenso bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass es bis 2022 dauerte, ehe die UFA eine eigens für Prime Video, die Streaming-Plattform von Amazon, entwickelte Serie dreht – sieht man mal von den "Deutschland 83"-Sequels ab, die dort landeten, als RTL das Interesse verlor. Auch für Platzhirsch Netflix hat die UFA außer dem 2020er Spielfilm "Betonrausch" und zwei deutschen Adaptionen internationaler Reality-Formate – der Backshow "Nailed It!" sowie der Ende Juni von DWDL.de enthüllten Datingshow "Too Hot to Handle" – noch kein größeres Original produziert.
Während sich nahezu alle anderen großen Produktionsgruppen stärker bei den Ur-Streamern engagierten, setzte UFA-CEO Nico Hofmann auf Abgrenzung: "Wir müssen nicht von Netflix wachgeküsst werden", lautete seine Botschaft bei Branchenauftritten und in Interviews. Als Anna Winger eine ausführende Produktionsfirma für ihre Netflix-Miniserie "Unorthodox" suchte, winkte Hofmann ab und ließ den prestigeträchtigen, aber margenschwachen Auftrag zur Studio Hamburg Gruppe ziehen – die sich dann mit Regisseurin Maria Schrader über den ersten Primetime Emmy Award für eine deutsche Serie freuen durfte. Stattdessen wurde die UFA zuletzt lieber für jüngere Streamer wie Disney+ ("Sam – Ein Sachse") und Starzplay ("Ouija") tätig, in beiden Fällen durch den experimentierfreudigen Produzenten Jörg Winger mit seinem Label Big Window.
Die Frage, für wen die UFA produziert und für wen nicht, ist seit jeher ein Politikum. Da sie über die Londoner Mutterfirma Fremantle zu Bertelsmanns RTL Group gehört, hinterfragen deren Konkurrenzsender immer wieder mal ihre Kundenbeziehung zu dem Programmlieferanten. Schon Hofmanns Vorgänger, der langjährige UFA-Boss Wolf Bauer, wusste zu berichten, dass der einstige ZDF-Intendant Dieter Stolte ihm im Zusammenhang mit dem Erstarken der Privatsender in den 90er Jahren anvertraut hatte: "Wir haben uns durchaus überlegt, ob wir mit einem Bertelsmann-Unternehmen noch kooperieren können, wenn die uns mit ihren eigenen Senderaktivitäten plötzlich Konkurrenz machen." Von Medienmogul Leo Kirch, der bis zu seiner Insolvenz 2002 die ProSiebenSat.1-Gruppe kontrollierte, gab es das interne Verdikt, möglichst keine Aufträge an die UFA zu erteilen. Dennoch gelang es Bauer über Jahrzehnte, rund 70 Prozent des Umsatzes außerhalb der RTL-Gruppe zu erwirtschaften.
Die Konzernarithmetik änderte sich spürbar, als Bertelsmann 2019 alle deutschen Inhaltegeschäfte in der "Content Alliance" vereinte und die UFA damit enger an RTL heranführte – mit dem strategischen Ziel, eine schlagkräftige Streaming-Plattform, das heutige RTL+, aufzubauen. Wieder war es insbesondere das ZDF, das angesichts dieses Schritts ein Stück weit auf Distanz ging und wenig später entschied, den 42 Jahre alten Krimiklassiker "SOKO München" trotz konstant guter Quoten einzustellen, um Platz für frischere "SOKOs" von anderen Produktionsfirmen zu machen.
Da wiegt es schon wesentlich schwerer, dass dieses Jahr zum ersten Mal seit fast 15 Jahren kein "Supertalent" produziert wird. Ob und wann die RTL-Show, die einst für Marktanteile jenseits der 30 Prozent gut war, nach ihrem desaströsen Quotenniedergang zurückkehrt, steht derzeit in den Sternen. Auch der andere große Casting-Klassiker, "Deutschland sucht den Superstar", taumelte im Frühjahr mit meist einstelligen Marktanteilen in seine Nach-Dieter-Bohlen-Ära und steht damit alles andere als zukunftssicher da. Brechen solche aufwendigen Showreihen weg, schlägt sich das beim Umsatz mit zweistelligen Millionenbeträgen nieder.
Um ihr hohes Umsatzniveau von geschätzt rund 290 Millionen Euro zu halten, muss die UFA heute deutlich mehr Produktionen stemmen als noch vor fünf bis zehn Jahren, als insgesamt weniger, dafür hochvolumigere Langlaufformate für feste Erlösbrocken sorgten. Das Geschäft ist kleinteiliger geworden, wobei die UFA relativ gesehen immer noch überdurchschnittlich viele starke Bestandsmarken im Portfolio hat, etwa die RTL-Soaps und öffentlich-rechtliche Reihen wie "Ein starkes Team" oder "SOKO Leipzig". Eine Stellungnahme zur Umsatzentwicklung sowie zu Herausforderungen und geplanten Innovationen lehnte die UFA auf DWDL.de-Anfrage ab.
Der "Welt" hatte Hofmann im April zu Protokoll gegeben, seine Unternehmensgruppe brauche "weniger Friktion und mehr Geschwindigkeit", noch mehr Diversität und die Produktionen mehr Leidenschaft, Originalität, mehr "anarchische Elemente". Ein lange währendes UFA-Problem – die weitgehende Abwesenheit von Frauen in der Geschäftsführung mit Ausnahme von Show- und Factual-Chefin Ute Biernat – geht der CEO nach und nach an. Mit Ulrike Leibfried und der seit Juni amtierenden Nataly Kudiabor bei UFA Fiction sowie Gwendolin Szyszkowitz-Schwingel bei UFA Documentary sind jetzt vier von insgesamt zehn Geschäftsführern weiblich.
Eine Herausforderung für die nahe Zukunft liegt zweifellos in der M&A-Strategie. Alle anderen deutschen Produktionsriesen haben den Konsolidierungsdruck zuletzt stärker für Akquisitionen genutzt, als es die UFA tut. Dabei ist die internationale Marschrichtung längst klar: Laut RTL-Group-Geschäftsbericht soll Fremantle bis 2025 von 1,9 auf 3 Milliarden Euro Umsatz wachsen, "sowohl organisch als auch durch Akquisitionen – in allen Territorien". Das ehrgeizige Ziel wird nur zu erreichen sein, wenn auch die deutsche Tochter mitzieht und Hofmann vielversprechende Übernahmekandidaten findet.