Wie füllt RTL die Lücke, die das "Supertalent" hinterlässt?
Nach 15 Jahren steht RTL in diesem Jahr erstmals vor der Herausforderungen, den Herbst ganz ohne "Das Supertalent" zu bestreiten. In Höchstzeiten füllte RTL allein damit 16 Samstagabende, auch im vergangenen Jahr waren es immerhin noch ganze zehn. Doch nachdem schon mit Dieter Bohlen die Quoten rapide gesunken waren und ohne Bohlen dann gänzlich abstürzten, hat der Sender dem Format mindestens eine Pause verordnet. Eine klare Antwort auf die Frage, wie man diese enorme Lücke füllen will, blieb der Sender bei den Screenforce Days allerdings schuldig.
Man hat zwar mit der Neuauflage der "100.000 Mark Show", den wiederbelebten "Puppenstars" und im Fall einer erfolgreichen Sommer-Premiere vielleicht auch der Wett-Show "Ich setz auf dich" oder dem eigentlich schon für den Sommer geplanten "Zeig mir deine Stimme" ein paar Formate angekündigt, die auch für den Samstag in Frage kommen, ansonsten scheint man sich aber einstweilen mit einmaligen Events über die Zeit hangeln zu wollen - wie etwa dem "Supernasen"-Jubiläum oder dem einmaligen Revival von "RTL Samstag Nacht". Ein echter Masterplan scheint aber noch zu fehlen - vor allem einer, der auch über diesen Herbst hinaus für die nächsten Jahre greifen könnte.
Reicht Sat.1 ein "Volles Haus" - ohne konkretes Programmversprechen?
Daniel Rosemann hat nicht weniger als eine "Programm-Revolution" für den Nachmittag angekündigt: Eine Drei-Stunden-Show für die Zeit zwischen 16 und 19 Uhr. Bekannt ist dazu, dass man dafür ein ganzes Haus bauen will, in dem man dann die unterschiedlichen Räume bespielen will - was schon unterstreicht, dass man innerhalb der drei Stunden die unterschiedlichsten Inhalte präsentieren kann. Das reicht von aktuellen Nachrichten und Gossip über Verbrauchertipps bis zu selbst produzierten Dokusoaps und gar ein Comeback des 90er-Talks hat Rosemann in Aussicht gestellt.
Positiv gesehen erlaubt das den Machern größtmögliche Freiheit, um sich auszuprobieren, erfolgreiche Elemente zu identifizieren und das Format stetig zu entwickeln - sollten die ersten Quoten also nicht durch die Decke gehen, was wahrscheinlich selbst Optimisten im Sender kaum erwarten, gibt es mehr als genug Stellschrauben, an denen man drehen kann. Auch die Erkenntnis, dass tagsüber endlich wieder eine Möglichkeit geben muss, das Publikum anzusprechen, ist sicher nicht falsch. Die Frage ist nur: Reicht es in der heutigen Zeit noch aus, ein solches Gefäß hinzustellen, in dem sich an jedem Tag und zu jedem Zeitpunkt etwas anderes verbergen kann, ohne dass es ein klares Programmversprechen gäbe, wo sich doch auf Knopfdruck jederzeit auch annähernd jeder gewünschte Inhalt abspielen lässt?
Antworten darauf wird man wohl erst nach einigen Wochen Anfang 2023 haben. Und auch eine andere Frage im Zusammenhang mit der Sat.1-Daytime muss man erst 2023 öffentlich beantworten. Senderchef Daniel Rosemann hat angekündigt, von sämtlichen Scripted Reality-Formaten keine neuen Folgen mehr in Auftrag zu geben. Noch ist die Versorgung für längere Zeit mit vorproduzierten oder noch laufenden Verträgen gesichert, doch die Frage, was man eigentlich in der Zeit vor 16 Uhr zeigen will, wo "Auf Streife" und seine Ableger sich gar nicht so übel schlagen, ist noch offen. Und wie schwierig eine Antwort darauf ist, kann man ja bei der Konkurrenz von RTL besichtigen, das auch noch kein neues Rezept für den Nachmittag gefunden hat.
Trägt der Retro-Trend auch über einen vorübergehenden Nostalgie-Effekt hinaus?
Es scheint so, als seien bei den Sendern in den letzten Monaten ganze Abteilungen nur damit beschäftigt gewesen, in den eigenen Archiven nach Foramten zu kramen, die man mal wieder neu auflegen könnte. Und grandiose Erfolge wie die Comebacks von "Wetten, dass..?", "Der Preis ist heiß", "Geh aufs Ganze", Raabs Turmspringen oder "TV Total" haben ja gezeigt, dass das keine schlechte Idee war. Sicher, nicht alles hat funktioniert - "Balko" oder "7 Tage, 7 Köpfe" lassen grüßen - doch die Flop-Rate, die es im Fernsehen immer gibt, war eher geringer als bei Neustarts.
Kein Wunder also, dass man weiter die Retro-Welle reiten will, in den nächsten Monaten werden Sendungen wie "Das Glücksrad" oder "Die 100.000 Mark Show" exhumiert, auch Formate, deren Einstellung noch gar nicht so lange zurückliegt, wie "Mein Mann kann" oder "Die Puppenstars" sind plötzlich wieder da. Die noch offene Frage ist aber, ob es einen echten Retro-Trend über einen kurzen Nostalgie-Effekt hinaus überhaupt gibt. "Geh aufs Ganze" etwa hat während der ersten Staffel schon stark abgebaut, auch die zweite Folge von "Der Preis ist heiß" lief schon schlechter, "TV Total" hat weit mehr als die Hälfte der Auftaktquote eingebüßt. Noch sind die genannten Formate trotzdem ein Erfolg, es bleibt aber noch abzuwarten, ob sich ein Abwärtstrend verstetigt. Und es bleibt abzuwarten, mit wie vielen Formaten man den Nostalgie-Faktor noch bedienen kann.
Und wo sind eigentlich die Pläne für Joyn abgeblieben?
Das Zusammenspiel mit RTL+ stand im Screening von RTL Deutschland immer wieder im Fokus, Warner Bros. Discovery nutzte sein Screening, um den Termin für den Deutschlandstart von Discovery+ zu verkünden und illustrierte auch die Bedeutung als zentraler Baustein, das alle Inhalte zusammenführt. Da stellt sich natürlich einmal mehr die Frage, was Discovery dann eigentlich mit seiner 50-Prozent-Beteiligung an Joyn will. Doch nicht nur bei Discovery spielte Joyn keine Rolle, auch im Screening von Seven.One Entertainment tauchte die Plattform nur am Rande auf.
Dabei setzt ja ProSiebenSat.1 bei Joyn so stark wie niemand sonst auf die Werbefinanzierung und betrachtet das Premium-Paket allenfalls als kaum bedeutendes Beiwerk. Um so überraschender, dass man das Screening vor Werbekunden gar nicht nutzte, um zu zeigen, mit welchen eigenen Inhalten - die Joyn ja durchaus produziert und mit denen man besonders junge Zielgruppen erreicht, bei denen sich das klassische TV schwer tut - man eigentlich punkten will.