Die Fernsehbranche hat die Corona-Krise erfolgreich gemeistert, doch an Herausforderungen mangelt es auch 2022 nicht. Vor allem der noch immer anhaltende Krieg in der Ukraine ist es, der die Werbebereitschaft in diesen Wochen bremst. Wenn sich die Branche in den nächsten Tagen zu den Screenforce Days trifft, dann dürfte es den Verantwortlichen der TV-Sender und deren Vermarkter nicht zuletzt darum gehen, die Zurückhaltung aufzubrechen. Das könnte jedoch gar nicht so einfach werden, schließlich finden die Screenings erneut nur digital statt – wenngleich begleitende Abendveranstaltungen in verschiedenen Städten zum persönlichen Austausch einladen.
Neben Corona und dem Krieg dürfte dabei nicht zuletzt ein Thema auf der Agenda stehen, das bislang noch erstaunlich weit unter dem Radar ist: Die bevorstehende Fußball-Weltmeisterschaft. Seit Jahrzehnten im Sommer ausgetragen, findet die WM in diesem Jahr erstmals im Winter statt, um vor dem Hintergrund hoher Temperaturen im Gastgeberland Katar die Belastung für die Spieler zumindest halbwegs in Grenzen zu halten.
Ganz so pessimistisch klingt Thomas Wagner nicht. "Die Werbekunden sind sich natürlich der besonderen Situation zum Jahresende bewusst", lässt der Geschäftsführer vom ProSiebenSat.1-Vermarkter Seven.One Media, auf DWDL.de-Nachfrage ausrichten. Man befinde sich diesbezüglich im Austausch mit den Werbetreibenden. "Wir empfehlen den Werbekunden, die traditionellen Kampagnen zum Jahresende in diesem Jahr optimalerweise bereits im dritten Quartal zu starten – um so mit den Produkten schon vor dem Start der Fußball-WM in den Köpfen präsent zu sein."
"Nicht mit attraktiven WM-Spielen kollidieren"
Ein weiteres Dilemma: Die winterliche Fußball-WM dürfte sich auch auf die Werbeumfelder auswirken. In direkter Konkurrenz zur Weltmeisterschaft werden die großen Privatsender die Zahl der Erstausstrahlungen im Vergleich zu den Vorjahren wohl deutlich reduzieren. Während es im Sommer zu verschmerzen war, wenn RTL oder ProSieben Wiederholungen ins Rennen schickten, dürfte das im November und Dezember schwerer ins Gewicht fallen. Tatsächlich lassen sich erste Verschiebungen bereits beobachten: Dass "Wer wird Millionär?" im Juli mit neuen Folgen auf Sendung geht oder die neue Staffel von "The Voice of Germany" bereits im August startet, sind nur zwei von mehreren Beispielen dafür, welche Auswirkungen die WM schon jetzt auf das Fernsehprogramm hat.
Ganz konkret lässt sich das übrigens an den jüngst veröffentlichten Geschäftszahlen von ProSiebenSat.1 ablesen. Da verringerte sich das sogenannte Adjusted EBITDA im ersten Quartal um 19 Millionen Euro. Dies, so teilte der Konzern mit, reflektiere das geplante Vorziehen der Programmaufwendungen im Hinblick auf die Fußball-WM und die entsprechende Erhöhung um 15 Millionen Euro im Vergleich zur Vorjahresperiode. Auf Gesamtjahressicht sollen die Entertainment-Programmaufwendungen demnach auf dem bei Niveau des Vorjahres liegen, also bei mehr als einer Milliarde Euro. Anders ausgedrückt: Im sonst so wichtigen vierten Quartal wird diesmal wohl deutlich weniger Geld ins Programm fließen.
Eine Frage der Haltung
Bei allen Fragen rund um Programmplanung und Werbebuchungen könnte der Winter aber auch mit Blick auf die Haltung vieler Unternehmen interessant werden. "Die Agenturen und Werbetreibenden beschäftigt durchaus, dass die werbliche Unterstützung des Events dieses Jahr aufgrund des Austragungsortes 'politisch schwierig' ist", so Ad-Alliance-Geschäftsführer Frank Vogel hinsichtlich des WM-Austragungslands Katar, das seit Jahren wegen Missachtung von Menschenrechten in der Kritik steht. "Und von einigen Partnern haben wir bereits gehört, dass sie bewusst nach Alternativen Ausschau halten."