Die großen Privatsender stehen unter Druck. Doch es gibt eine Ausnahme: In der zurückliegenden Saison war Vox der einzige unter den größeren Privatsendern, der sogar zulegen konnte. Und mehr noch: Erstmals gelang es den Kölner sogar an Sat.1 vorbeizuziehen – eine echte historische Entwicklung, gehörte Sat.1 damit doch erstmals seit Jahrzehnten nicht mehr zu den drei erfolgreichsten Privatsendern des Landes.
Dafür musste Vox selbst allerdings gar nicht so viel tun, vielmehr profitierte der Sender nicht zuletzt von der weiter anhaltenden Schwäche seines Konkurrenten, den man vereinzelt auf bis zu 0,9 Prozentpunkte von sich fernhalten konnte. Vox brauchte noch nicht einmal neue Hits, um sich nach vorne zu arbeiten. Die großen Eckpfeiler im Programm waren auch in der zurückliegenden Saison wieder "Die Höhle der Löwen", "Kitchen Impossible" sowie, mit einigen Abstrichen, "Sing meinen Song" und "Grill den Henssler".
Immerhin: Mit "Mälzer und Henssler liefern ab" ist es Vox gelungen, ein weiteres Format am hart umkämpften Sonntagabend mit teils zweistelligen Marktanteilen in der Zielgruppe zu etablieren. Dass das keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt "Guidos Wedding Race": Die Hochzeitsshow mit Guido Maria Kretschmer lief zum Auftakt im Herbst mit kaum mehr als zwei Prozent Marktanteil in der Zielgruppe so schlecht, dass die Ausstrahlung der zweiten Folge erstmal verschoben wurde.
An anderer Stelle ist Kretschmer indes weiterhin eine sichere Bank: In der Daytime funktioniert "Shopping Queen" auch nach zehn Jahren noch immer bestens, wie Vox sich ohnehin tagsüber auf viele Klassiker verlassen kann. Dazu zählt auch "Das perfekte Dinner", das derzeit so erfolgreich ist wie seit Jahren nicht mehr – ein Beweis dafür, dass sich langer Atem in Kombination mit Formatarbeit auszahlt. Die Stärke des Vorabends dürfte zugleich ein nicht unwesentlicher Grund dafür gewesen sein, Sat.1 zu überholen.
Fiction auch für Vox kein Selbstläufer
Aller Erfolge zum Trotz steht aber auch Vox vor Herausforderungen, etwa mit Blick auf die Fiction, wo es auch in der vergangenen Saison nicht mehr gelang, den einstigen Erfolg von "Club der roten Bänder" auch nur ansatzweise zu wiederholen. Einzig der Inklusionsfilm "Weil wir Champions sind" entpuppte sich kürzlich als Überraschungshit; ansonsten aber hat sich die enge Verzahnung mit RTL+ für Vox bislang noch nicht so recht ausgezahlt. Anspruchsvolle Serien wie "Glauben" oder "Gefährliche Nähe" fanden ebenso wenig ihr Publikum wie neue Comedyserien, die zeitweise in der Primetime zu sehen waren.
Dazu kommt, dass auch der Versuch, die Programmfarbe True Crime mit Eigenproduktionen im Abendprogramm schiefging – wenngleich Vox nachts weiterhin mit "Medical Detectives" regelmäßig Traum-Quoten erzielt. Diese dürfte man sich auch von Hape Kerkeling erhofft haben, doch weder sein Leseabend noch seine Doku-Reihe "Hape und die 7 Zwergstaaten" waren durchschlagende Erfolge. Marktanteile von weniger als sechs Prozent in der Zielgruppe sind sicher nicht das, was man sich von der Zusammenarbeit mit dem Entertainer erhofft hat.
Keinen durchschlagenden Erfolg hatten auch das Ernährungsformat "GewissensBISSE", die Dokusoap "Besonders verliebt" und die lesbische Datingshow "Princess Charming", mit der Vox zeitweise versuchte, am Freitagabend eine Alternative zu US-Serien aufzubauen. Mit Auswanderer-Geschichten funktionierte das zuletzt schon etwas besser. Klar ist aber auch: Ein neuer Hit, wie ihn der Sender einst mit "Kitchen Impossible" oder den "Löwen" gelang, wäre wichtig, um die Position von Vox zu stärken. Sich dauerhaft tauf die Schwäche von Sat.1 zu verlassen, dürfte zu wenig zu sein.