Schon seit Jahren liefert sich Kabel Eins mit RTLzwei ein Rennen um das Schlusslicht unter den großen Privatsendern. Daran hat sich auch in der zurückliegenden Saison nichts geändert - mit dem Unterschied, dass beide Kanäle inzwischen drohen, unter die Marke von vier Prozent Marktanteil zu fallen. Im Februar hätte es Kabel Eins um ein Haar erwischt: Mit exakt 4,0 Prozent lief es bei den 14- bis 49-Jährigen überhaupt nicht rund und beim Gesamtpublikum war es für den Sender damals mit 2,8 Prozent sogar der schwächste Monat seit Mitte der 90er, lässt man mal EM- und WM-Monate außen vor.
Doch auch wenn Kabel Eins danach noch einmal die Kurve bekam und nur zwei Monate später mit 4,7 Prozent Marktanteil den besten Wert seit eineinhalb Jahren verzeichnete, fällt die Saison-Bilanz durchwachsen aus. In sechs von neun Monaten landete man unter dem Wert des jeweiligen Vorjahresmonats. Und das hat gute Gründe: Mit den "Trucker Babes" und "Achtung Abzocke" haben die beiden erfolgreichsten Eigenproduktionen von Kabel Eins schlicht schwächer performt als in der Vergangenheit.
Dazu kommt, dass gleich mehrere Neustarts nicht zündeten, auch wenn Kabel Eins redlich bemüht war, für mehr Abwechslung zu sorgen. Doch letztlich konnten weder "Deutschlands Miniaturbauer" noch "Rosins Heldenküche" das Publikum überzeugen - das Rosin-Format geriet zudem noch wegen Fake-Vorwürfen in die Schusslinie. Ohnehin ist auch "Rosins Restaurants" inzwischen weit von früheren Spitzen-Quoten entfernt. Zum Flop geriet aber auch die dritte Staffel von "Ab ins Kloster", die teils Mühe hatte, mehr als drei Prozent Marktanteil zu erzielen.
Auf der Flop-Seite kann Kabel Eins außerdem das jüngst sonntags ausgestrahlte Format "Deutschlands bester Partykeller" abhaken, wenngleich dem Sender zu wünschen ist, dass Sponsor Asbach zumindest ein ordentliches Sümmchen überwies. Hier, im sonntäglichen Vorabendprogramm, hat Kabel Eins übrigens Wachstumspotenzial ausgemacht, was sich in Zukunft offenbar in vermehrten Eigenproduktionen niederschlagen soll. Tatsächlich könnte auch der werktägliche Vorabend neue Impulse gebrauchen, wenngleich zumindest auf "Abenteuer Leben" und vor allem "Mein Lokal, Dein Lokal" weiter Verlass ist.
Keine neuen Impulse für den Vorabend
Doch um 19:00 Uhr sucht Kabel Eins weiterhin nach einer Lösung: Sowohl das schon mehrfach abgeschriebene "Achtung Kontrolle" als auch der neu aufgelegte Heimwerker-Wettkampf "Schrauben, sägen, siegen" brachten den Privatsender in den zurückliegenden Monaten nicht nach vorn. Innovationskraft ist hier jedenfalls ebenso wenig zu spüren wie in der Daytime, wo mit US-Krimiserien inzwischen oft ebenfalls keine überragenden Quoten mehr erzielt werden. Hier bekommt Kabel Eins zu spüren, dass auch kleinere Sender wie Sat.1 Gold oder Nitro in diesem Gewässer fischen - und bisweilen respektable Marktanteile abgreifen.
Als Glücksgriff erwies sich dagegen die Verpflichtung der Auswanderer-Familie Reimann, die zu Jahresbeginn einige Wochen lang sonntags die Primetime bespielte - mit Erfolg. Deutlich mehr als eine Million Zuschauerinnen und Zuschauer interessierten sich für "Willkommen bei den Reimanns" und trotz starker Konkurrenz lagen die Marktanteile in der Zielgruppe bei bis zu 6,6 Prozent, sehr zum Ärger von RTLzwei, wo man zuvor jahrelang mit den Auswanderer-Geschichten punktete. Auch die jüngst am Donnerstagabend ausgestrahlte Reportage-Reihe "Über Geld spricht man doch" empfahl mit im Schnitt fünf Prozent Marktanteil für mehr.
Klar ist aber auch: Ein Stück weit steht und fällt der Erfolg von Kabel Eins Monat für Monat auch mit der Durchschlagskraft der eingekauften Fiction, die noch immer an fünf von sieben Abenden zu sehen ist. Während die Serienschiene am Wochenende oft erst spät in Fahrt kommt, sorgen die Spielfilme jedoch zumeist für ein verlässliches Grundrauschen. Doch auch hier wird die Konkurrenz härter, wie insbesondere Nitro mit oft hochwertigen Stoffen beweist. Der Hauptgegner von Kabel Eins ist daher im Jahr 2022 längst nicht mehr nur RTLzwei, auch wenn das enge Kopf-an-Kopf-Rennen bisweilen einen anderen Eindruck vermittelt.