© ZDF/Torsten Silz
Wolfgang Bergmann
Seit rund 100 Tagen tobt in der Ukraine der russische Angriffskrieg – und westliche Medien berichten Tag für Tag über die Entwicklungen auch für die Folgen in der Ukraine und Russland. Auch der deutsch-französische Kultursender Arte hat den Krieg in verschiedenen Formaten, darunter Geschichtsdokus und "Arte Re:" zuletzt zum Thema gemacht. Nun wolle man, die Welt etwas mehr auch aus Sicht des Ostens zeigen – und startet am 7. Juni im Abendprogramm das Format "Tracks East". Zehn Folgen sind davon zunächst geplant, wie Tita von Hardenberg, Produzentin und geschäftsführende Gesellschafterin der herstellenden Firma Kobalt erklärt. Jede Folge werde sich mit einer ganz konkreten Frage befassen. Beleuchtet werde unter anderem, wie sich "Exil" anfühle, wie Widerstand geleistet wird, wo die Wahrheit zwischen den Fronten liege. "Wir haben das Team in Windeseile aufgebaut", erklärte die Macherin bei einem Presseevent. Entstanden sei ein Team, dass "in der Szene unglaublich gut vernetzt" sei.
In "Tracks East" sollen Menschen zu Wort kommen, die deutlich näher am Geschehen dran sind als westliche Journalistinnen und Journalisten. Diese würden, ist sich Wolfgang Bergmann, Geschäftsführer von Arte Deutschland, sicher, auch auf "andere Art und Weise" auf die Dinge blicken. Sehr dankbar zeigte sich Bergmann, dass die Sendung mithilfe einer Kooperation mit der Deutschen Welle und anhand einer russischen Synchronfassung auch im Osten selbst ihr Publikum finden könne. "Wir werden versuchen, die Sendungen nach Kräften zu teilen", sagte er und stellte fest, dass zur Zeit noch zu wenig im Auge sei, dass der Dialog mit russischsprachigen Menschen wichtig sei.
Der YouTube-Kanal von "Tracks" will obendrein eine besonders erfolgreiche Sendung aus Russland weiterführen. Es handelt sich dabei um das Format "Fake News", das einst auf dem inzwischen in Russland abgeschalteten Sender Doschd (auch als TV Rain bekannt) lief. Seit fünf Jahren würden dort die "bizzarsten Kreml-Lügen" aufgedeckt. Verantwortlich ist dafür ein Team rund um Masha Borzunova, das inzwischen aus Tiflis arbeitet.
Borzunova gilt in Russland inzwischen als "International Agent", das heißt: Sie muss diesen Status bei allen Publikationen angeben und sämtliche Einnahmen an die russischen Behörden melden. Trotzdem macht sie weiter und produziert von "Fake News" nun auch eine englischsprachige Ausgabe, unter anderem für Arte. Was passiert, wenn der Kreml davon erfährt? "Sei's drum, ich arbeite einfach weiter", sagt die russische Journalistin.
Ihr sei dabei durchaus klar, dass die seit rund acht Jahren laufende Propaganda der russischen Staatssender längst Früchte getragen hat. "Sie haben es geschafft, die Menschen von ihrer Wahrheit zu überzeugen. Dass es Nazis in der Ukraine gibt und dass biologische Kampfwaffen für einen Einsatz gegen Russland gebaut werden", berichtet Borzunova, die nicht schätzen wollte, wie viele Menschen in Russland der Kreml-Propaganda wirklich glauben. Nur so viel: "Es gibt viele. Und es ist auch einfacher, sich der Wahrheit zu verschließen", erklärt sie. Möglicherweise, so ist die leise Hoffnung, beginnt aber langsam ein Umdenken. Jerry Heil, eine ukrainische Sängerin, Komponistin und inzwischen Influencerin, hätte früher nicht allzu viele Follower gehabt. "Inzwischen sind die Zahlen gestiegen. Just in Zeiten des Krieges", berichtet sie. Berichten wird sie über ihre Sicht der Dinge nun auch in "Tracks East".