Wie ungerecht die Finanzmärkte sein können, bekamen Shari Redstone und Bob Bakish Mitte Februar zu spüren. Die Hauptgesellschafterin und der CEO von Paramount Global – das zum damaligen Zeitpunkt noch ViacomCBS hieß – waren fest davon überzeugt, im Sinne der Börse alles richtig gemacht zu haben. Schließlich hatten sie die Abonnentenzahl ihrer Streaming-Plattform Paramount+ im vorherigen Quartal um sieben Millionen auf 32,8 Millionen gesteigert; ihre Prognose auf 100 Millionen bis 2024 und das Expansionstempo auf 60 Länder im laufenden Jahr erhöht; die Integration von Showtime in Paramount+ angekündigt; sowie jede Menge Investitionen in zusätzliche Inhalte aus den "Star Trek"-, "SpongeBob"-, "Sonic"- und "Yellowstone"-Universen angeschoben. Alles wie aus dem Wall-Street-Streaming-Playbook.
Doch zum Dank – schickten Investoren und Analysten den Paramount-Kurs auf Talfahrt, 20 Prozent Minus innerhalb eines Tages. Es hagelte Downgrades und Empfehlungen, den mittelgroßen Konzern doch endlich an einen größeren zu verkaufen. Das war noch vor dem heftigen Netflix-Absturz, zeigte aber bereits eine radikale Neubewertung des Ökosystems Streaming: Ging es vorher um möglichst schnelles Wachstum der Plattformen um jeden Preis, so hat sich der Blick nun in Richtung Profitabilität verschoben, zumindest auf deren handfeste Absehbarkeit.
An Paramount lässt sich das Dilemma besonders deutlich ablesen: Bis 2024 will der Konzern seine Content-Ausgaben auf sechs Milliarden Dollar jährlich hochfahren. Das ist verdammt viel – aber möglicherweise nicht genug, verglichen mit den 18 Milliarden, die Netflix ins Streaming pumpt, oder den 15 Milliarden von Disney. US-Analyst Rich Greenfield von LightShed Partners bemühte daher das unschöne Bild vom schwarzen Loch, in das gutes Geld geworfen werde. Es sei nicht absehbar, wie Paramount+ groß genug werden könne, um das Gesamtunternehmen in den nächsten fünf Jahren wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Denn das ehemals hoch profitable Kerngeschäft mit Kabel-TV-Sendern wie MTV, Comedy Central oder Nickelodeon siecht langsam, aber sicher dahin. Seit der Wiedervereinigung der 13 Jahre lang getrennten Redstone-Unternehmen Viacom und CBS im Dezember 2019 hat das Konglomerat fast ein Drittel seines Marktwerts eingebüßt.
Für künftige Streaming-Serien setzt Paramount auf keinen anderen Showrunner so sehr wie auf "Yellowstone"-Creator Taylor Sheridan, dessen Overall-Deal von ursprünglich 30 Millionen auf 175 Millionen Dollar hochdotiert wurde. Fast schon Shonda-Rhimes-Netflix-Dimensionen. Seine soapige Western-Serie mit Kevin Costner als Großgrund-Farmer in den Weiten Montanas brach für den TV-Sender Paramount Network einen Quotenrekord nach dem anderen, zuletzt über zehn Millionen Live-Zuschauer beim Finale der vierten Staffel, und machte "Yellowstone" zur meistgesehen Serie des Jahres 2021 im US-Fernsehen. Paramount+ hingegen profitiert nicht von diesem Erfolg. Die Streaming-Rechte hatte Viacom mangels eigener Plattform im Frühjahr 2019 – also noch vor dem Re-Merger mit CBS – an NBC Universal vergeben. Dessen Streaming-Dienst Peacock zahlt dem Vernehmen nach 1,5 Millionen Dollar pro Folge und verbucht "Yellowstone" als einen seiner größten Hits.
Das alles kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Paramount auch nach der Fusion ein kleiner Fisch unter den Hollywood-Haien bleibt. Disney ist mehr als zehnmal so viel wert, Comcast neunmal, Netflix selbst nach dem Absturz im April noch siebenmal so viel. Von Amazon und Apple mit ihren Billionenbewertungen ganz zu schweigen. Die größte Fantasie der Anleger scheint derzeit nicht im Abo-Wachstum von Paramount+ zu liegen, sondern im möglichen Verkauf des Konzerns. Dass Shari Redstone früher oder später ans Versilbern denkt, wird ihr schon eine Weile nachgesagt. Als Kaufhindernis für die anderen Studio-Riesen gilt vor allem das Broadcast-Network CBS, das etwa Comcast nicht übernehmen dürfte, weil es bereits NBC besitzt, und das sich wohl auch keiner der Tech-Riesen ans Bein binden würde. Freilich käme für CBS unter Umständen eine Private-Equity-Lösung in Frage, da sich das Geschäft mit lokalen TV-Stationen quer durch die USA ohnehin gerade in den Händen einiger Großinvestoren neu ordnet.
Hierzulande hat das regionale Paramount-Management derweil ganz andere Prioritäten: Mark Specht, Geschäftsführer für Nord- und Mitteleuropa sowie Asien, und seine Streaming-Chefin Sabine Anger bereiten von Berlin aus den Paramount+-Launch vor, der in Deutschland kurz vor Jahresende in Kooperation mit Sky über die Bühne gehen soll. Eine Handvoll lokale Eigenproduktionen sind dem Vernehmen nach in der Mache; die Simon-Beckett-Verfilmung "Die Chemie des Todes" (Nadcon Film, Cuba Pictures) und Jana Burbachs Dramedy "Anywhere" (Gaumont) sind bereits bekannt.