Nachdem die MIPCOM im vorigen Herbst die internationale Fernsehbranche wieder zusammengebracht hat, steht von diesem Montag an in Cannes die MIPTV an. Business as usual? Wohl kaum, auch wenn die Maskenpflicht in Südfrankreich zwei Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie weitgehend der Vergangenheit angehört. Die Absage zahlreicher großer Unternehmen lässt vermuten, dass die diesjährige MIPTV noch ruhiger werden dürfte als sie es in der jüngeren Vergangenheit ohnehin schon war. Dazu kommt der seit Wochen anhaltende Krieg in der Ukraine, der neue Unsicherheiten für die Branche mit sich bringt.
Schon vor einigen Wochen hatten die Verantwortlichen der Messe erklärt, dass russische Unternehmen in diesem Jahr nicht dabei sein werden. Gleichzeitig wollen führende ukrainische Medienunternehmen ihre Kräfte bündeln, um in dieser für ihr Land schwierigen Zeit trotzdem Präsenz zeigen zu können. Mit der Unterstützung der Organisatoren von MIP Markets erhält die ukrainische Mediengemeinschaft die Gelegenheit, sich und ihre Programme in den kommenden Tagen in Cannes zu präsentieren. Es wird erwartet, dass mehr als 80 Delegierte aus der Ukraine an der MIPTV teilnehmen werden.
"Wir arbeiten hart daran, sicherzustellen, dass die umfassende Präsenz der Ukraine auf der MIP für die Branche kurz- und langfristig effektiv ist", sagte Kateryna Udut, CEO von MRM, dem Organisator der ukrainischen Aktivitäten bei der MIPTV. "Zusammen mit den größten Sendern und Prodcos entwickeln wir einen praktischen Leitfaden darüber, wie jedes Medienunternehmen auf der ganzen Welt mit den ukrainischen Partnern zusammenarbeiten kann." Darüber hinaus wurde eine Podiumsdiskussion im Rahmen des offiziellen Konferenzprogramms angekündigt.
Geschäftsbeziehungen gestoppt
Doch nicht nur die ukranischen Unternehmen bekommen den Krieg und seine Folgen zu spüren. So bestätigte etwa Red Arrow Studios International gegenüber DWDL.de, alle Geschäfte mit russischen Unternehmen ausgesetzt zu haben. Auch vom Rechtehändler Beta ist Ähnliches zu hören, ein wegfallender Umsatz ist die Folge. Von ZDF Studios, wie ZDF Enterprises seit dem vergangenen Freitag offiziell heißt, ist auf Nachfrage zu erfahren, dass man Geschäftspartner in der Ukraine "in dieser schwierigen Lage mit ganz individuellen Maßnahmen" unterstütze. "Gleichzeitig agieren wir strikt nach der jeweils aktuellen Sanktionsliste und haben alle Geschäftsbeziehungen zu russischen Partnern gestoppt."
Noch konkreter wird ITV Studios in London. "Obwohl Russland kein bedeutender Partner für ITV Studios ist, haben wir zuvor Inhalte an russische Kunden verkauft", teilte das Unternehmen mit. "Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine haben wir neue Verkäufe an russische Kunden eingestellt. Wir haben auch direkt an TNT und Channel One geschrieben, um sie zu bitten, die Ausstrahlung von 'I’m A Celebrity – Get Me Out Of Here' und #"The Voice Kids' einzustellen, und haben unsere Berater bereits von diesen Produktionen abgezogen." Bereits Anfang März habe man die russischen Kundinnen und Kunden gebeten, nicht an den Drama- und Formatfestivals von ITV Studios teilzunehmen, die Teil der beliebten London Screenings sind.
Und dann ist da auch noch besagte Pandemie. Zwar sind viele Restriktionen aufgehoben, doch an große Dienstreisen ist in zahlreichen Konzernen noch immer nicht zu denken. Stände von Banjiay, BBC Studios, Fremantle oder ITV Studios sucht man vergebens, dazu sind um Umfeld der MIPTV viele Werbeflächen nicht belegt. Bei Beta bleibt man gleichwohl mit Blick auf den Stellenwert der Messe optimistisch. "Für uns ist die MIPTV weiter wichtig und wir hoffen, dass unsere Kundinnen und Kunden wieder reisen", erklärt das Unternehmen auf DWDL.de-Nachfrage. Auch ZDF Studios zeigt sich unbeeindruckt, spricht von "vollen Terminkalendern" und richtete am Sonntag den klassischen Sundowner mit 400 Gästen aus, "also wie vor der Pandemie". "Bereits zur vergangenen MIPCOM war es uns wichtig, angesichts der sich langsam verbessernden Pandemie-Situation mit unserer Teilnahme ein Signal in den Markt zu geben."
"Starke Nachfrage aus allen Bereichen"
Red Arrow Studios International wird, anders als etwa Konkurrent Fremantle, ebenfalls mit einem Stand vertreten sein. "In den letzten zwei Jahren haben wir erfolgreich neue Strategien entwickelt, um unsere Inhalte auch virtuell zu vermarkten und zu verkaufen, darunter digitale Programmpräsentationen, Showcases und neue Marketinginitiativen. Dennoch geht in einem kreativen Geschäft wie dem unseren nichts über persönlichen Austausch, der einfach notwendig ist, damit diese Branche wirklich floriert", zeigt sich Tim Gerhartz, President & Managing Director, Red Arrow Studios International, gegenüber DWDL.de überzeugt. "Die hohe Besucherzahl bei den London Screenings und SeriesMania hat bereits im Vorfeld gezeigt, dass es eine starke Nachfrage aus allen Bereichen der Branche gibt, um in persona zusammenzukommen und gemeinsam an neuen Projekten und Deals zu arbeiten."
Optimistisch gibt sich auch ITV Studio, verweist auf seinen Katalog mit 90.000 Stunden Programm und 285 Formaten. "Die Veränderung im Geschäft ist das enorme Wachstum der Nachfrage nach guten Inhalten, das sich auch 2022 fortsetzt", sagt eine ITV-Sprecherin. "Dies wird durch den Streaming-Wettbewerb auf allen Ebenen vorangetrieben, sei es lokal wie – traditionelle inländische Sender erneuern Streaming-Dienste weiter, um ihr Publikum zu erreichen, und Globale Streamer konzentrieren sich auf lokale Akquisitionen und Produktionen, sei es in SVOD oder AVOD." Gleichzeitig seien die Produzentinnen und Prozenten während der Pandemie "unglaublich agil und kreativ" gewesen. "Die Produktion von Formaten in Hubs, in denen ein Standort als Heimat für verschiedene Gebiete dient, wird definitiv bleiben, und wir werden mehr Produktionen auf diese Weise sehen."
Klar ist für die Briten, dass es mit Blick auf künftige Veranstaltungen bei Mischformen bleiben wird. Erfahrungen hat ITV Studios mit virtuellen Showcases in den vergangenen beiden Jahren reichlich gesammelt. "Der Erfolg dieser begehrten Veranstaltungen bedeutet, dass sie, selbst wenn unsere Präsenz auf den physischen Märkten zurückkehrt, als alternative Möglichkeit für Kunden, mit uns Geschäfte zu machen, fest im Terminkalender bleiben werden." Dennoch erlebe man eine Zunahme von Käufern, die reisen möchten. Bleibt abzuwarten, wie viel davon bei der nun beginnenden MIPTV zu spüren sein wird.