Geht man nach dem massenhaften Andrang, der die Gänge des Kongresszentrums in Lille verstopfte, dann scheint HBO Max für europäische Produzenten Wunschpartner der Stunde zu sein. Die expandierende Streaming-Plattform des US-Konzerns Warner Bros. Discovery nutzte das Series Mania Forum in der nordfranzösischen Regionalhauptstadt, um sich mit ihren lokalen Programmverantwortlichen und deren Strategien vorzustellen. Die Kombination aus HBO-Renommee und langjähriger Verankerung auf dem hiesigen Kontinent durch HBO Europe zieht zahllose Produzenten an, die auf mehr Wettbewerb im US-dominierten Streaming-Markt hoffen.
Größte strategische Aufgabe von HBO Max in Europa sei es, "durch ein breiteres Angebot Abonnenten zu gewinnen, die den HBO-Kanal sonst vielleicht nicht abonnieren würden", sagte Antony Root, Eigenproduktionschef für die EMEA-Region. "Wir wollen immer noch Programme, die mutig sind, keine Aufgüsse anderer Programme. Wir sind immer auf der Suche nach Formaten, die ein Genre vorantreiben können." Dies gelte zunehmend nicht nur für Fiction, sondern auch für Dokus und Reality, wie etwa die Musik-Castingshow "One True Singer", die nächste Woche in Rumänien startet. Während HBO Europe seit 2010 unter Roots Führung in neun Ländern insgesamt 29 Serien mit 700 Episoden und über hundert Dokus hergestellt hat, soll das jährliche Produktionsvolumen im Zuge des HBO-Max-Rollouts ungefähr verdoppelt werden.
![Antony Root Antony Root](http://www.dwdl.de/images/1648135816_antony-root.jpg)
Aus deutscher Sicht ist der globale Streaming-Rivale Paramount+ schon einen Schritt weiter, schließlich steht der Launch hierzulande noch in diesem Jahr an. In Lille bekräftigte Paramount-International-Boss Raffaele Annecchino sein Ziel, in 2022 mindestens 50 neue Serien außerhalb des US-Markts zu beauftragen, und verkündete zu diesem Zweck eine dreijährige Partnerschaft mit Gaumont, unter die auch das deutsche Dramedy-Projekt "Anywhere" von Jana Burbach fällt (DWDL.de berichtete). Angesichts von so viel geballter VoD-Präsenz erschien es fast ein bisschen ironisch, als Gilles Fontaine, Chefanalyst der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle (EAO), eine "gewisse Diskrepanz zwischen dem Gewicht der Streamer im Buzz rund um Serien und dem tatsächlichen Alltagsgeschäft" feststellte, das nach wie vor von traditionellen TV-Sendern dominiert werde.
Top 10 der Produktionsgruppen nach Serienstaffeln
Gruppe | Staffeln |
Banijay Group | 37 |
ITV Studios | 31 |
Mediawan & Leonine Studios | 26 |
RTL Group | 24 |
ARD-Töchter | 22 |
BBC-Töchter | 13 |
Discovery | 11 |
WarnerMedia | 11 |
Vivendi | 9 |
ZDF-Töchter | 8 |
Ranking nach in Europa hergestellten Serienstaffeln mit weniger als 13 Episoden im Jahr 2020
Quelle: European Audiovisual Observatory
Laut jüngsten EAO-Zahlen kletterte das Produktionsvolumen fiktionaler Serien in Europa von 2015 bis 2020 um 60 Prozent auf 696 hergestellte Staffeln pro Jahr. Davon kamen 124 aus Großbritannien, 94 aus Deutschland, 69 aus Frankreich, 62 aus Spanien und 55 aus Schweden. Fontaines Zitat bezog sich darauf, dass 50 Prozent dieser 696 Serienstaffeln von öffentlich-rechtlichen Sendern beauftragt wurden, 39 Prozent von Privatsendern und lediglich zehn Prozent von internationalen Streaming-Plattformen. Produziert wurden die meisten Staffeln, nämlich 37, von der Banijay Group, gefolgt von ITV Studios und Mediawan & Leonine Studios.
![Lars Blomgren Lars Blomgren](http://www.dwdl.de/images/1648137571_lars-blomgren.jpg)
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