Wenn Festivaldirektorin Laurence Herszberg über die Wettbewerbsreihen der Series Mania spricht, klingt eine gesunde Portion Selbstbewusstsein durch. Dafür ausgewählt zu werden, sei wertvoll für Serien, die "aus der großen Masse an Projekten auf dem internationalen TV-Markt herausstechen" wollen. Die Zahl der Einreichungen scheint ihr recht zu geben: 331 abgedrehte Serien aus 46 Ländern bewarben sich dieses Jahr um einen Platz im Wettbewerb, 330 Serienideen aus 56 Ländern um einen Platz im Pitch vor potenziellen Koproduktionspartnern.
Zu den 13 Glücklichen, die in diesen Tagen im nordfranzösischen Lille ihre Festivalpremiere in der Kategorie "International Panorama" feiern dürfen, zählt auch das deutsche Ausnahmeprojekt "Sunshine Eyes". Anders als die übrigen zwölf Mitbewerber ist die zehnteilige Serie der Berliner Autorin und Regisseurin Maria von Heland noch nicht an einen Sender oder eine Plattform verkauft. Gemeinsam mit den Produktionsfirmen Maze Pictures und Red Balloon Film hat die gebürtige Schwedin, die zuletzt Krimireihen wie "Nord Nord Mord" oder "Solo für Weiss" inszeniert hatte, ihre Erzählung aus dem ersten Lockdown der Corona-Pandemie selbst gestemmt.
"Wir haben ihr im April 2020 eine Arri-Alexa-Kamera in die Hand gedrückt, weil wir sie in ihrem Vorhaben unterstützen wollten", sagt Maze-Pictures-Chef Philipp Kreuzer. "Viel mehr konnten wir nicht tun. Große Crews am Set waren zu dem Zeitpunkt ja eh nicht denkbar." In Wohnungen von Freunden und Bekannten drehte von Heland ihr weitgehend improvisiertes Porträt einer verlorenen Generation in der Corona-Krise. Erzählt wird die Geschichte der Schwestern Leonie (14) und Lea (16), die seit dem Tod ihrer Mutter getrennt leben und kurz davor stehen, gemeinsam bei ihrer Großmutter einzuziehen – ein Plan, den die Pandemie zunichtemacht.
Dort tritt "Sunshine Eyes" gegen eine weitere deutsche Serie an, nämlich die Sky-Romanverfilmung "Funeral for a Dog", außerdem gegen das HBO-Max-Endzeitdrama "Station Eleven", die schwarzhumorige Arte-RTBF-Koproduktion "Good People" oder die BBC-Krimiserie "The Responder". Unter den 16 in Entwicklung befindlichen Serienprojekten wiederum, die bei den "Co-Pro Pitching Sessions" vorgestellt werden, gehen drei deutsche ins Rennen: der achtteilige Crime-Thriller "Insel der Jugend" von Jón Atli Jónasson ("Artic Circle"), produziert von Turbine Studios Germany; die achtteilige Verfilmung von Andreas Eschbachs Near-Future-Bestseller "Das Marsprojekt" als deutsch-französische Koproduktion von Wild Bunch TV und Youngfilms; sowie der sechsteilige Politthriller "The Report", den Ben von Rönne ("Toter Winkel") schreibt und Match Factory Productions produziert.
Unterdessen ist die Präsidentin der diesjährigen internationalen Hauptjury der Series Mania, die ukrainische Produzentin Julia Sinkevych, wohlbehalten in Frankreich angekommen. Bis Mitte voriger Woche war nicht absehbar, ob ihre Reise aus dem Kriegsgebiet möglich sein würde. Sie habe schon befürchtet, die Wettbewerbsserien online aus dem Luftschutzkeller verfolgen zu müssen, sagte Sinkevych gegenüber "Variety". Zwar habe sie Angst, die Ukraine zu verlassen, da sie möglicherweise nicht zu ihrer Familie zurückkehren könne, doch wolle sie unbedingt mehr Aufmerksamkeit auf die Geschehnisse in ihrem Land lenken.