Der Deal ist simpel und fast so alt wie der Konsum von Medieninhalten selbst: Wer nicht zahlt, guckt Werbung. Und weil längst nicht mehr jeder alles abonnieren kann, was da an SVoD-Diensten lockt, stellt sich die Frage nach werbefinanzierten Alternativen immer lauter. Studien von Kantar und SpotX zufolge liegt für zwei Drittel der Europäer die monatliche Abo-Grenze bei 20 Euro; drei Viertel sagen, diese Ausgabe werde sich nicht erhöhen; 69 Prozent sind "wahrscheinlich" oder "ziemlich wahrscheinlich" bereit, Werbung im Gegenzug für Gratis-Programm anzuschauen.
Cédric Dufour, seit fünf Monaten CEO von Rakuten TV, kennt diese Zahlen gut. Der Franzose mit Dienstsitz in Barcelona bekräftigt denn auch, dass AVoD die erste Priorität seines Unternehmens sei – ein Geschäftsfeld, das Rakuten TV erst im Herbst 2019 eingeführt hat, um sein etabliertes TVoD-Angebot zu ergänzen. "Unsere Nutzer haben unterschiedliche Bedürfnisse. Der Bedarf an kostenlosen Inhalten steigt spürbar", so Dufour im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Wir sind die einzigen in Europa, die AVoD, TVoD und SVoD auf ein und derselben Plattform anbieten, und zwar genau in dieser Rangfolge."
Dufour kündigt an, den frei empfangbaren Teil des Angebots im Lauf des Jahres auszubauen. Nicht massiv und nicht mit Rieseninvestments, eher behutsam und punktuell. Unter der Rubrik "Rakuten Stories", wo zugekaufte Dokus mit einigen wenigen Eigenproduktionen gebündelt werden, ist gerade das jüngste Original "Ona Carbonell: Alles auf Anfang" gestartet, ein 90-Minüter, der die mehrfache spanische Welt- und Europameisterin im Synchonschwimmen bei ihren Vorbereitungen für die Olympischen Spiele in Tokio begleitet. Diese Programmfarbe ist typisch für Rakuten TV: Alle bisherigen Originals sind Sport-Dokus und stehen meist – wie etwa "Matchday – Inside FC Barcelona", "Andrés Iniesta – Der unverhoffte Held" oder "Break Point: A Davis Cup Story" – im engen Zusammenhang mit den Sponsoring-Aktivitäten des Mutterkonzerns. Der japanische E-Commerce-Riese Rakuten engagiert sich im Fußball beim FC Barcelona, im Basketball bei den Golden State Warriors und im Tennis als Titelsponsor des Davis Cups.
Was konkrete Nutzungszahlen angeht, gibt sich Dufour schmallippig. Offiziell ist nur zu erfahren, dass Rakuten TV in 43 europäischen Ländern auf insgesamt 110 Millionen Smart-TV-Geräten installiert ist. Aus internen Media-Unterlagen, die DWDL.de vorliegen, geht hervor, dass im vorigen Jahr 13,9 Millionen monatlich aktive Nutzer gezählt wurden, davon 2,5 Millionen in Deutschland. Das erscheint gar nicht allzu viel, wenn man bedenkt, dass Rakuten TV mehr und deutlich aufmerksamkeitsstärker ins Marketing investiert als seine Mitbewerber: 47 Millionen Fernbedienungen von TV-Geräten aller gängigen Hersteller in Europa haben nach Unternehmensangaben eine eigene Rakuten-TV-Taste. Oder anders ausgdrückt: 80 Prozent aller neu verkauften Fernseher. Für einen solchen 'Branded Button' zahlt ein App-Anbieter Branchenschätzungen zufolge etwa einen Euro pro verkauftem Gerät.
Ist das Dreifach-Modell von Rakuten TV vielleicht einfach zu kompliziert, um die ganz großen Nutzermengen zu binden? Reduktion von Komplexität scheint im Streaming-Zeitalter ein wesentlicher Erfolgsfaktor zu sein – nicht umsonst hat etwa Pluto TV nur FAST-Channels, Netflix nur On-Demand-Abos im Angebot. Dufour dreht die Argumentation lieber um: Bislang sei es komplex, findet der Digital-Manager. "Wenn du den neuen James Bond sehen willst, kriegst du den eben nicht auf Pluto TV, sondern musst zu einer TVoD-Plattform gehen. Dort gibt's dann aber keine kostenlosen Serien und Filme. Wir reduzieren Komplexität, indem wir alles in einer App vorhalten." Was der frühere Frankreich-COO und europäische E-Commerce-Chef von Rakuten aber unumwunden zugibt, ist kommunikativer Nachholbedarf: "Wir müssen besser erklären, was wo verfügbar ist", so Dufour. Bis zu seinem konzerninternen Wechsel im November habe er selbst nicht gewusst, dass es auf Rakuten TV auch FAST-Channels gebe.