Wenn eine Fernsehsendung mehr als 40 Jahre alt ist, macht es Sinn sich zu fragen, wie man sie erneuert - oder aber man belässt sie, wie sie ist, und startet einen jungen Ableger. So zumindest hat es der NDR gehandhabt, als er im vorigen Jahr "deep und deutlich" startete. Das Format ist gewissermaßen die kleine Schwester der "NDR Talk Show", die noch gleichermaßen erfolgreich wie routiniert sendet. Weil der Klassiker sein Stammpublikum hat, halten sich die inhaltlichen Experimente verständlicherweise in Grenzen. Anders bei "deep und deutlich", wo vor allem Influencerinnen und Influencer sowie Stars aus der Pop-, Kunst- und Kulturszene ihren Platz haben.
Wie sich das anfühlt, ließ sich bereits im vergangenen Jahr erkennen, als die ersten Ausgaben ausgestrahlt wurden und etwa Popstar Alli Neumann über nicht einvernehmlichen Sex oder die YouTuber "The Real Life Guys" über ihre dramatische Krankengeschichte sprachen - über Themen also, die in der normalen Talkshow für gewöhnlich kein Platz gewesen wäre. Eine der Moderatorinnen ist Aminata Belli. "Es gibt zwar viele Talkshows, aber diese Talkshow gibt es eben bislang noch nicht", sagt sie im Gespräch mit DWDL.de über "deep und deutlich", dessen Zielgruppe jünger ist als die "NDR Talk Show", nämlich maximal bis 35.
Schon in der ersten Staffel habe es für sie viele wertvolle Momente gegeben. In besonderer Erinnerung ist ihr der YouTuber Philipp Mickenbecker, der in der Sendung öffentlich erzählte, dass er von seinem Arzt gesagt bekam, er würde in drei Wochen sterben. "Das war ein krasser Moment", erinnert sich Belli. "In meiner Rolle als Moderatorin versuche ich immer professionell zu bleiben, mit einer gewissen Distanz, aber in diesem Moment verschwamm plötzlich alles - nicht nur bei mir, sondern auch bei allen anderen, die im Studio waren, weil alles so emotional und echt war. Zum Glück konnte er letztlich doch noch viel länger leben als es ihm sein Arzt prophezeite."
Louisa Dellert wiederum kennt bislang nur die Rolle des Gastes. In der ersten Staffel beantwortete sie noch die Fragen, nun wird auch sie als Moderatorin für "deep und deutlich" vor der Kamera stehen. "Ich bin mit einem guten Gefühl aus der Sendung gegangen, weil man sich zuhöre und jeder ausreden konnte - und weil ganz viele Bubbles aufeinandertrafen", sagt Dellert zu DWDL.de. Für ihre neue Aufgabe hat sie sich vorgenommen, die Menschen sprechen zu lassen. Und für sich selbst sieht Dellert, der auf Instagram fast eine halbe Million Menschen folgen, in der Talkshow die Chance, sich weiterzuentwickeln.
In ihren Social-Media-Kanälen, Büchern und ihrem Podcast setzt sich die 31-Jährige für ein nachhaltigeres Leben und gesellschaftspolitische Themen ein. Als Influencerin möchte Dellert dabei nicht mehr gesehen werden. "Dieser Beruf ist so negativ behaftet, dass ich als Person immer in Schubladen gesteckt werde. Da steckt einfach mehr dahinter als Fotos auf Instagram hochzuladen", sagt sie.
"Realitäten abbilden"
Doch wäre ein Podcast nicht die bessere Form für "deepe" Gespräche? "Es ist sicherlich einfacher, in einem Podcast offener zu reden", räumt Aminata Belli ein. "Sobald Kameras dabei sind, ist es schwerer für alle, sich zu öffnen." Dann jedoch liege es an der Runde und den Moderatorinnen und Moderatoren, "eine gute Energie zu schaffen", wie sie sagt. "Umso toller ist es, wenn es dann auch wirklich gelingt, diese Atmosphäre zu ermöglichen. Außerdem geht es uns auch um Sichtbarkeit und darum, Realitäten abzubilden. Es wirkt beispielsweise anders eine diverse Gruppe Menschen in einem Raum sitzen und diskutieren zu sehen, als sie bloß zu hören." Anders als in der ersten Staffel wird die Runde jedoch verkleinert, was zusätzlich helfen soll, vertiefende Gespräche zu führen.
Eines davon ist "deep und deutlich", das künftig enger an die "NDR Talk Show" heranrücken wird - gesendet wird nämlich nicht nur in der ARD-Mediathek und in diversen sozialen Netzwerken, sondern auch direkt im Anschluss an das über 40 Jahre alte Format. Das könnte dafür sorgen, dass die Themen von "deep und deutlich" auch ein älterers Publikum erreichen. "Es wird oft die Chance verpasst, jüngere Menschen mit Themen zu konfrontieren, die die ältere Generation betreffen - und umgekehrt", so Aminata Belli. Der TV-Sendeplatz wecke in ihr die Hoffnung, "dass es uns gelingt, die Grenzen der Generationen zu überschreiten", sagt sie. "Denn es ist wichtig, dass alle miteinander im Gespräch sind."
"deep und deutlich", donnerstags in der ARD-Mediathek und freitags um Mitternacht im NDR Fernsehen