Eine Woche ist es her, dass das Ausmaß der Schäden sichtbar wurde, die durch die Hochwasser-Katastrophe im Westen Deutschlands angerichtet wurden. Die Zahl der Toten wird inzwischen mit mehr als 170 beziffert, über 100 davon kamen in Rheinland-Pfalz ums Leben - viele, weil sie in ihren Kellern ertranken. Während die Aufräumarbeiten und Spendenaktionen laufen, hat parallel dazu längst die Debatte darüber begonnen, wer eigentlich die Verantwortung für die hohe Opferzahl trägt.
Dabei stellt sich nicht zuletzt eine Frage: Hätten Menschenleben gerettet werden können, wenn das Warnsystem besser funktioniert hätte? In der Diskussion geht es um Sirenen und Apps, aber es geht auch um die Rolle der Medien, die sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen müssen, im Vorfeld den Ernst der Lage nicht ausreichend vermittelt zu haben. Dass es zu wenig war, im nächtlichen Fernsehprogramm ein schlichtes Laufband einzublenden und im Radio die bunte "Popnacht" nur durch vereinzelte Nachrichten zu unterbrechen, haben die Verantwortlichen des WDR bereits eingestanden.
Konkret müssen sich die öffentlich-rechtlichen Sender aber auch den Vorwurf gefallen lassen, am Tag vor der Katastrophe, als stundenlanger Dauerregen auf Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen niederging, nicht immer den richtigen Ton getroffen zu haben. Mitschnitte aus den SWR-Nachrichten, die der Journalist Maximilian Rieger vor einigen Tagen auf Twitter veröffentlicht hat, zeigen, wie zumindest zeitweise verharmlosend über das aufziehende Unwetter berichtet wurde. Immer wieder wird über vom Leid einiger Camper erzählt, ist von Hängematten die Rede, die einzig noch von Enten heimgesucht werden können.
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Selbst als ein Reporter in der Spätausgabe von "SWR aktuell" knöcheltief im braunen Ahr-Wasser steht, das sich erstaunlich schnell den Weg durch das Eifeldorf Adenau bahnt, und davon berichtet, dass die Häuser regelrecht "absaufen", endet der Bericht mit schwimmenden Gänsen und dem Wunsch der Camper nach einem Hitze-Sommer wie in den letzten Jahren. Der kurz darauf folgende Wetterbericht wiederum beginnt mit idyllischen Seerosen und der Ankündigung, dass es in der Nacht "zunächst noch leicht" regnen werde. Nach großer Gefahr für Leib und Leben klingt das nicht, auch wenn Meteorologe Karsten Schwanke in einer früheren Ausgabe vor vollen Kellern warnte.
Ähnlich wie der WDR gibt sich auch der SWR selbstkritisch, wenngleich der Sender noch nicht die Zeit für ein endgültiges Fazit gekommen sieht. "Die kritische Überprüfung von Abläufen in einem solchen Ereignis-Fall gehört zu den bei uns geübten journalistischen Standards. Wir stecken jedoch nach wie vor in der aktuellen Berichterstattung, so dass es noch nicht an der Zeit für eine abschließende Analyse ist", erklärte SWR-Sprecherin Hannah Basten gegenüber DWDL.de. "Insgesamt bleibt festzustellen, dass sich die Wettersituation sehr dynamisch entwickelt und sich das Ausmaß der Katastrophe erst im zeitlichen Verlauf gezeigt hat."
"Bitte Programm sofort unterbrechen"
Die dem Sender vorliegenden amtlichen Warnungen für das Sendegebiet habe man "redaktionell eingearbeitet und die Berichterstattung immer weiter intensiviert", so Basten weiter. Für eine in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag um kurz nach 1 Uhr für Teile von Rheinland-Pfalz von den Behörden ausgerufene Warnmeldung der höchsten Kategorie 1 gilt das aber offensichtlich nicht. Zwar warnte das "Modulare Warnsystem", kurz Mowas, davor, bei Überschwemmungsgefahr nicht in Keller oder Tiefgaragen zu gehen und nicht durch überflutete Straßen zu fahren. Doch aus dem SWR ist zu hören, dass diese Meldung den Sender nicht erreicht hat. "Woran das gelegen hat, entzieht sich unserer Kenntnis", heißt es von Seiten des SWR auf DWDL.de-Nachfrage.
Eine Lapalie ist das nicht, immerhin haben sich die Medien im Falle von Warnungen mit hoher Priorität dazu verpflichtet, die Meldungen so schnell wie möglich zu verbreiten - im exakten Wortlaut der Behörde. Genau das war auch im Falle der nächtlichen Warnmeldung von vergangener Woche die Vorgabe. "Bitte Programm sofort unterbrechen", heißt es unmissverständlich mit Verweis auf das Verlesen einer Gefahrendurchsage, die alle 15 Minuten zu wiederholen sei. Eine der dringenden Handlungsempfehlungen für die Bevölkerung: "Suchen Sie Schutz."
Aus der entsprechenden Mowas-Zusammenfassung geht zugleich hervor, dass diese Warnmeldung lokal und regional etwa an Energy und die Madsack-Gruppe versendet wurde. Vom SWR als der für Rheinland-Pfalz zuständige öffentlich-rechtliche Sender ist jedoch nicht die Rede. Das ist auch deshalb erstaunlich, weil gleichzeitig erklärt wurde, wie das Fernsehen mit der Gefahrendurchsage umzugehen habe, nämlich indem es sie "sofort als News-Ticker" einspielt. Unklar bleibt, wieso der SWR als Betreiber des wichtigsten Regionalsenders des Bundeslandes bei der Wahl der Medien nicht berücksichtigt worden ist.
"Die Warnung vor Katastrophen und allgemeinen Gefahren fällt in Deutschland den Ländern und deren Katastrophenschutzbehörden zu", teilte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gegenüber DWDL.de mit. "Da der Katastrophenschutz und damit auch die Warnung der Bevölkerung bei Katastrophen in der Hoheit der Länder liegen, gibt und kann es dazu keine bundeseinheitlichen Vorgaben geben. Die Einschätzung der Gefahrenlage erfolgt aber zunächst lokal in den Katastrophenschutzbehörden vor Ort und wächst bei Bedarf bis auf Landesebene auf."
Offenkundig muss es also irgendwo zwischen all den Zuständigkeiten versäumt worden sein, den SWR in der tödlichen Flut-Nacht über die wichtige Gefahrendurchsage zu informieren. "Das Mowas-Warnsystem des BBK baut auf der Infrastruktur von Mecom auf. Hier muss der SWR in den entsprechenden Vorlagen, die den integrierten Leit- und Meldestellen zur Verfügung stehen, als Empfänger einer Meldung eingetragen sein", erklärte der SWR auf Nachfrage die Theorie des Systems. In der Praxis hat die Übermittlung allem Anschein nach nicht funktioniert, sodass das SWR-Publikum von der Warnung nichts mitbekam.
WDR sucht Austausch mit Behörden
Verbesserungsbedarf im Zusammenspiel mit den Behörden hat indes auch der WDR ausgemacht. Der WDR prüfe derzeit mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und dem nordrhein-westfälischen Innenministerium, wie die Bevölkerung mit Warnungen vor Gefahren besser erreicht werden könne, teilte der Sender mit. Vertreter von Sender und Behörden hätten verabredet, "gemeinsam die Analyse fortzusetzen und abgestimmte Empfehlungen zu erarbeiten".
Unabhängig davon bleibt festzuhalten, dass sich die drohende Gefahr durch die TV-Berichterstattung wohl nur bedingt vermittelt hat. "Ich glaube, die Bevölkerung wusste auch schon, dass Starkregen kommt. Da haben sie doch alle drüber berichtet", erklärte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) vor einigen Tagen. "Aber sie haben es nicht ernst genommen. Unser Problem ist, unser aller Problem, dass wir solche Gefahren nicht ernst genug nehmen, sondern glauben: Das passiert woanders, wird schon gut gehen."
Gut möglich, dass diese Ansicht auch in den öffentlich-rechtlichen Anstalten verbreitet war - wie die gezeigten Camper-Umfragen und Seerosen-Bilder nahelegen. Dass es auch anders geht, stellte die Crew von Jörg Kachelmann unter Beweis. Moderator Kai Zorn warnte schon schon Tage vor dem Unwetter mit Nachdruck vor Stromausfällen und gesperrten Straßen und empfahl, Wertgegenstände aus dem Keller zu holen - "und zwar jetzt und nicht dann, wenn es zu spät ist". Seine Warnung: "Niemals, niemals wenn der Keller unter Wasser steht, in den Keller reingehen und versuchen, irgendwas zu retten." Das, so Zorn, sei lebensgefährlich. "Schreibt euch das bitte hinter die Ohren."