Beim größten österreichischen Privatsender dreht sich derzeit etwas. Jahrelang war es dem Sender aus finanziellen Gründen nur möglich, eine große Show im Jahr zu produzieren. Über viele Jahre hinweg war das "Austria’s Next Topmodel". Die Show musste man 2017 aber an ATV abgeben, nachdem ProSiebenSat.1Puls4 den Sender kurz zuvor übernommen hatte. Puls 4 versuchte sich daraufhin an "Ninja Warrior Austria". Die Quoten waren vor allem zu Beginn sehr gut, sanken danach aber recht deutlich. In diesem Jahr wird es beim Sender erstmals zwei große Show-Formate zu sehen geben. 

Eins davon lief bereits im Frühjahr, die zweite Staffel von "The Masked Singer" erzielte im Schnitt mehr als 10 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe und konnte den Senderschnitt damit mehr als verdoppeln. Puls 4 liegt normalerweise bei etwas über 5,0 Prozent. Das klingt für deutsche Verhältnisse erst einmal nicht viel, reicht aber schon, um in Österreich der erfolgreichste österreichische Privatsender zu sein. Durch die vielen deutschen Sender und die späte Öffnung des Marktes ist Österreich aber auch eine Besonderheit in der europäischen TV-Landschaft (DWDL.de berichtete). 

Das zweite große Show-Format, mit dem Puls 4 in diesem Jahr punkten will, ist - "Ninja Warrior". Nach fast vier Jahren Pause meldet sich das Format im kommenden Herbst zurück. "Wir waren von ‘Ninja Warrior’ immer begeistert. Das ist eines der Show-Formate, die eine Punktlandung für Puls 4 sind. Deswegen haben wir uns lange bemüht, eine Fortsetzung zu realisieren", sagt Puls-4-Senderchefin Stefanie Groiss-Horowitz im Gespräch mit DWDL.de. Nur: Alleine ist eine solch große Produktion für Puls 4 nur schwer zu stemmen. 2017 setzte man Staffel eins mit einem ungarischen Sender um. Auch jetzt war man in Gesprächen mit Sendern aus anderen Ländern, um sich möglicherweise ein Set zu teilen. Nur eine Einigung blieb aus unterschiedlichen Gründen immer aus. 

Dritter Eigenproduktionstag geplant

"Irgendwann habe ich dann beschlossen, dass wir es einfach selbst produzieren", sagt Groiss-Horowitz. Die Produktion sei aufwendig und das Produktionsvalue hoch. "Aber es entspricht auch dem, was wir dafür bekommen. Wir setzen keine Mittel ein, die wir nicht refinanzieren können." Um die Produktion auch im Alleingang zu stemmen, hat man sich dazu entschlossen, gleich zwei Staffeln zu produzieren. Das hat etwas den Druck rausgenommen und nun ist Puls 4 erst einmal bis ins nächste Jahr hinein versorgt. Denn ob "The Masked Singer Austria" weitergeht, ist noch nicht klar. Hier produzierte man ja am Set der deutschen Ausgabe, zusammen mit ProSieben. Auch die Schweizer ließen hier ihre erste Staffel entstehen. Es sind wohl nicht zuletzt auch Koordinierungsfragen, die gelöst werden müssen. Die zwei Staffeln "Ninja Warrior" wurden in den zurückliegenden Wochen bei Graz aufgezeichnet.

Ninja Warrior Austria © Puls 4/Mathias Kniepeiss Vor wenigen Tagen hat Puls 4 bei Graz einen Einblick in die neue "Ninja Warrior Austria"-Staffel gegeben.

Doch wie kommt es nun dazu, dass Puls 4 in diesem Jahr gleich zwei große Show-Events zeigt? Zusätzlich hat der Sender mit der Gründershow "2 Minuten 2 Millionen" ja auch noch eine weitere, recht bekannte Marke im Programm. Das Unterhaltungsbudget sei nicht gestiegen, sagt Groiss-Horowitz gegenüber DWDL.de. Sie verweist auf den Nachrichtensender Puls 24, den man seit fast zwei Jahren betreibt. "In den ersten zwei Jahren des News-Senders haben wir uns bei Puls 4 auf große Events konzentriert, um parallel den kleineren Sender intensiv zu betreuen." Puls 4 und Puls 24 teilen sich eine Infrastruktur, Groiss-Horowitz und ihr Team sind für beide Kanäle verantwortlich. Ab dem kommenden Jahr wolle man den Fokus wieder verändern und bei Puls 4 auch wieder verstärkt Eigenentwicklungen angehen. Hier hatten die Verantwortlichen eine Zeit lang Comedy-Formate gepusht. Gut möglich, dass es wieder in diese Richtung gehen wird. "Wir wollen eine gute Mischung finden aus internationalen Shows, die Leuchttürme in unserem Programm sind, und neuen Eigenproduktionen, die nicht diesen Event-Charakter haben", sagt Groiss-Horowitz.

Was bei allen Show-Formaten von Puls 4 auffällt: Die Quoten sind nicht zu vergleichen mit denen ähnlicher Sendungen im ORF oder bei ProSieben in Deutschland. 10,4 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe der 12- bis 49-Jährigen erreichte die zweite "Masked Singer Austria"-Staffel im Frühjahr, bei ProSieben in Deutschland waren es mehr als 25 Prozent in der Zielgruppe. "ProSieben steht für große Shows. Wir sind mit unseren Events und Shows noch in einer Aufbauphase und müssen uns diesen Ruf erst erarbeiten", sagt die Puls-4-Senderchefin, die sich mit dem, was man bislang erreicht hat, zufrieden zeigt. 

Perspektivisch will Groiss-Horowitz bei Puls 4 einen dritten Tag etablieren, an dem Eigenproduktionen zu sehen sein werden. Das kündigt die Senderchefin im Gespräch mit DWDL.de an. Dieses Vorhaben wird unweigerlich zu mehr eigenen Formaten führen. Derzeit bespielt man nur den Montag und den Dienstag mit eigenen Sendungen, hinzu kam bislang auch immer mal wieder die Europa League am Donnerstag - doch die hat Puls 4 an ServusTV verloren. Für Puls 4 wird der dritte Eigenproduktions-Tag eine Herausforderung, bespielt man doch nach wie vor weite Teile seines Abendprogramms mit US-Ware. 

 

"ProSieben steht für große Shows. Wir sind mit unseren Events und Shows noch in einer Aufbauphase und müssen uns diesen Ruf erst erarbeiten."
Puls-4-Chefin Stefanie Groiss-Horowitz

 

In der Daytime hat Puls 4 die Fiction schon sehr stark zurückgedrängt, am Vormittag ist man mit "Café Puls" ohnehin oft Marktführer. Eine Baustelle ist in diesem Zusammenhang jedoch das Teleshopping-Fenster, das nach wie vor im Programm ist. Ausgerechnet im Anschluss an das so erfolgreiche "Café Puls" reißt diese Schiene regelmäßig ein großes Loch. Noch braucht Puls 4 das Teleshopping aber zur Refinanzierung. 

"Untertags haben wir die Live-Strecken mit den Magazinen unserer Cafe-Puls-Familie stark ausgebaut. Darauf bin ich sehr stolz", sagt die Senderchefin. Nachmittags setzt man eineinhalb Stunden auf "Café Puls am Nachmittag" und am Vorabend läuft "Café Puls - Das Magazin". Und während Sat.1 mit "Endlich Feierabend" nach einem Jahr wegen schlechter Quoten aufgegeben hat, versucht es Puls 4 nun schon seit rund dreieinhalb Jahren mit dem Magazin um 19 Uhr. Inzwischen liegt die Sendung mit 4,3 Prozent Marktanteil im Mai zwar noch immer unter dem Senderschnitt, zwei Jahre zuvor waren es aber noch 2,6 Prozent. Der gesamte Vorabend war vor wenigen Jahren noch eine einzige Baustelle, die brach lag. Auch heute tut sich Puls 4 hier oft noch schwer, aber die Zahlen haben angezogen - geschafft hat man das allen voran mit Ausdauer und Leidensfähigkeit. 

Private-Konkurrenz: ServusTV wird immer stärker

Während Puls 4 bei den 12- bis 49-Jährigen der erfolgreichste österreichische Privatsender ist, ist man beim Gesamtpublikum hinter ServusTV zurückgefallen. 2020 lag der Sender aus dem Red-Bull-Imperium erstmals vor Puls 4, in diesem Jahr könnte der Abstand noch größer werden. ServusTV investiert derzeit massiv in Inhalte, vor allem im Bereich Sport. So teilt sich der Sender mittlerweile die Formel 1 mit dem ORF und ist ab der kommenden Saison auch die Free-TV-Heimat der Champions- und Europa League (bei der Europa League ist auch der ORF mit im Boot). Außerdem hat sich der Sender aus dem Red-Bull-Imperium die Fußball-Europameisterschaften 2024 und 2028 gesichert.

"Dass ServusTV mit Sport hohe Reichweiten erzielen kann, ist unbestritten. Das entspricht aber nicht unserem Geschäftsmodell. Wir sind nicht in der Lage, diese Summen zu investieren. Und wir wollen das auch gar nicht", sagt Stefanie Groiss-Horowitz. "Es ist ein Trend, dass Sportrechte immer teurer werden. Und einige Sender bedienen diesen Trend relativ kritiklos, unsere Zukunft ist das nicht." Dennoch wolle man selbst auch weiter wachsen, der Puls-4-Chefin geht’s aber vor allem um die jungen Zuschauer. 

"Freue mich, dass da ein Sinneswandel einsetzt"

Mit Puls 24 zeigt sich Stefanie Groiss-Horowitz ebenfalls zufrieden - alles andere wäre auch überraschend. Der Sender hat sehr von Corona profitiert und kam schon 2020 in einigen Monaten auf mehr als 1,0 Prozent Marktanteil. 2021 liegt Puls 24 bislang knapp unter dieser Marke, dennoch waren es zwei sehr erfolgreiche Jahre, die intensive Betreuung hat sich gelohnt. Einziger Wermutstropfen: Der viel boulevardesker aufgestellte Konkurrent oe24.TV ist noch ein gutes Stück erfolgreicher, startete aber auch ein paar Jahre früher. "Uns ist es wichtig, qualitätsvollen Journalismus zu machen. Spekulatives wollen wir nicht", so Groiss-Horowitz. Man bemühe sich, immer beide Seiten einer Geschichte zu beleuchten, außerdem wahre man eine Distanz "zu den Entscheidern in diesem Land".

In Sachen News ist Puls 4 nicht erst seit Puls 24 ein Vorbild auch für Deutschland. Der Sender setzt schon lange auf eine eigenständige Redaktion, hat ein Polit-Talk im Programm und fährt auch zu Wahlen ein recht großes Sonderprogramm. Inzwischen ist dieser Trend ja auch in Deutschland angekommen, vor allem ProSieben hat hier ja einiges angekündigt. "Wir sind überzeugt davon, dass Public Value nichts ist, was dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorbehalten ist. [...] Wir machen das in Österreich schon sehr lange und mit großem Erfolg. Dass sich das im deutschen Privatfernsehen nun auch dreht, ist toll zu sehen. Ich freue mich, dass da ein Sinneswandel einsetzt", sagt Groiss-Horowitz.