Seinen Start bei der Studio-Hamburg-Tochter Serienwerft hat sich Jan Diepers sicherlich anders vorgestellt. Im April 2020 stieg er als Produzent bei "Rote Rosen" ein, die Coronakrise befand sich auf ihrem damaligen Höhepunkt. Die Produktion musste unterbrochen werden, Das Erste stellte kurz darauf für mehrere Wochen auf Wiederholungen um. Später im Jahr engagierte man Karl Dall für einen Gastauftritt, am Set erlitt der Komiker und Schauspieler einen Schlaganfall und starb wenig später.

Die Sache mit Karl Dall habe alle mitgenommen, sagt Diepers heute rückblickend im Gespräch mit DWDL.de. Von Anfang an hätten alle am Set das Gefühl gehabt, dass Dall schon immer zum Team gehört habe. Die Herausforderungen, die sich durch Corona ergeben hätten, bezeichnet Diepers als die größten, die er in den vergangenen 25 Jahren miterlebt habe. Schon so lange beschäftigt er sich mit täglichen Serien. Zunächst unter dem Dach der damaligen Grundy UFA bei "Unter Uns" und "GZSZ", später auch für Produktionen wie "Hanna - Folge Deinem Herzen", "Wege zum Glück", "Berlin - Tag & Nacht" und der slowakischen Serie "Oteckovia".

Im vergangenen Jahr stieg er dann bei der Serienwerft als Produzent von "Rote Rosen" ein, seit Anfang 2021 war er neben Emmo Lempert auch Geschäftsführer. Nun leitet er das Unternehmen allein, Lempert hat sich in den Ruhestand verabschiedet (DWDL.de berichtete). Dieser Weg war schon klar, als er zur Serienwerft kam. Alles war genauso geplant, wie es gekommen ist. Grundsätzlich werde sich daher auch nicht viel verändern, sagt Diepers. "Ich übernehme eine Firma, die sehr gut geführt worden ist. Den Weg, den Emmo Lempert vorbereitet hat, werden wir kontinuierlich ausbauen." Das heißt: Künftig wird es mehr Koproduktions-Projekte geben. "Rote Rosen" bleibt aber die mit Abstand wichtigste Produktion des Unternehmens. 

"Ich habe viel im Ausland produziert und versuche da, Produktions-Achsen aufzubauen."
Serienwerft-Geschäftsführer Jan Diepers

Bei "Rote Rosen" sei man gut durch die Coronazeit gekommen, sagt Diepers - trotz der zwei Unterbrechungen. So habe es jeweils nur einen Infektions-Fall unter den Schauspielern und im Team gegeben. Die wichtigste Regel bei "Rote Rosen" ist der Abstand. Am Set hat man immer ein Maßband, das den Mindestabstand von 1,50 Metern zwischen den SchauspielerInnen gewährleisten soll. Ist dieser Abstand nicht möglich, müssen PCR-Tests gemacht werden. Kommt es zu Sex- oder Kuss-Szenen, begeben sich die SchauspielerInnen zusätzlich in Quarantäne. 

Das klingt alles sehr aufwendig, ist aber wohl nötig. "Wir leben davon, dass wir Beziehung und Liebe verkaufen. Dazu gehören auch Nähe und Emotionen", sagt Diepers. "Rote Rosen" ohne Nähe und Küsse ist nicht vorstellbar. Dennoch: Corona verändert nicht nur das Arbeiten an deutschen TV-Sets, sondern die ganze Gesellschaft - davon ist der Serienwerft-Chef überzeugt. "Für die Menschen sind andere Themen und Geschichten wichtig als vor der Pandemie, eine Diskussion über Werte ist besonders wichtig. Viele denken auch darüber nach, wie Familien funktionieren", sagt Diepers. Das alles seien Kernthemen von "Rote Rosen", so der Produzent, der hofft, dass das langfristig auf die Marke einzahlen wird. 

Lineare Quoten gehen zurück, aber online ist die Serie stark

Aus Quotensicht hat sich die Situation der ARD-Serie in den zurückliegenden Jahren immer weiter verschärft. Die im Schnitt mehr als eineinhalb Millionen Zuschauer, die man noch vor wenigen Jahren erreichte, sind heute in weiter Ferne. 2020 kam "Rote Rosen" im Schnitt auf rund 1,20 Millionen Zuschauer. Der Marktanteil lag bei 11,6 Prozent und damit einen ganzen Prozentpunkt unter dem Wert des Jahres 2019. An der "Küchenschlacht" im ZDF kommt man nur selten vorbei. Auch in diesem Jahr wird es wohl keinen wesentlichen Aufschwung bei den linearen TV-Quoten geben. 

Marktanteil-Langzeittrend: Rote Rosen

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Quelle: DWDL.de-Recherche
dwdl.de/zahlenzentrale
ab 3 Jahren
14-49 Jahre

Zuletzt gab es Unklarheiten zur Zukunft von "Rote Rosen". Die "Berliner Zeitung" berichtete, die Serie hänge, ebenso wie "Sturm der Liebe", "am seidenen Faden". Für eine Produktion über das Jahr 2022 fehle voraussichtlich das Geld. Demnach habe die ARD Degeto der Serienwerft mitgeteilt, dass es nach dem kommenden Jahr zu Ende sein könnte. Diepers bestätigt das im Gespräch mit DWDL.de, sagt aber auch: "Das ist eine ganz normale Information, die wir jedes Mal bekommen. Jede Staffel muss neu beauftragt werden." Schließlich müsse auch die ARD die Situation jedes Mal neu bewerten: Ist genug Geld da für eine Fortsetzung? Und lohnen sich neue Folgen?

Während die linearen Reichweiten zurückgehen, ist "Rote Rosen" online überraschend stark unterwegs. Vor einem halben Jahr erklärte die ARD, die Folgen der Serie würden jeweils 340.000 Abrufe in der Mediathek erreichen, bei "Sturm der Liebe" sind es sogar 640.000. Der Sender sprach damals von den "erfolgreichsten Streaming-Formaten im deutschen Fernsehen". Nun sind Vergleiche schwer und Abrufe nicht mit den linearen TV-Reichweiten zu vergleichen - die Zahlen sind dennoch beeindruckend. Laut den von der AGF kürzlich veröffentlichten Streaming-Zahlen gehört "GZSZ" zu den erfolgreichsten Formaten der Mediengruppe RTL im Online-Bereich. Der RTL-Dauerbrenner erreichte im April aber nur maximal 150.000 Abrufe. 

Mehr internationale Koproduktionen

Neben der täglichen Serie will Diepers die Serienwerft in den kommenden Jahren aber auch als Partner für internationale Koproduktionen positionieren. Eins dieser Projekte war die One-Serie "Parlament", die die Serienwerft zusammen mit ihrem Schwesterunternehmen Cinecentrum und Firmen aus Frankreich und Belgien umgesetzt hat. Hier arbeitet man gerade an einer zweiten Staffel. Gegenüber DWDL.de kündigt Diepers zudem ein Projekt an, das man derzeit mit dem französischen Drehbuchautoren und Produzenten Mathieu Missoffe umsetzt. Dieser hat bereits an Serien wie "Profiling Paris" und "Black Spot" gearbeitet, nun setzt man zusammen eine Agenten-Thrillerserie um. Ähnlich wie bei "Parlament" arbeitet man hier mit der französischen Produktionsfirma Cinétévé zusammen, verkauft hat man den Stoff bereits an France Television.

Und dabei soll es nicht bleiben. "Das ist erst der Anfang", sagt Diepers gegenüber DWDL.de. "Wir wollen die Anzahl dieser Projekte deutlich hochfahren." Ziel sei es, "schwierige Projekte" zu fördern. Es klingt nach einem Neustart fernab von "Rote Rosen", wenngleich Diepers das niemals so nennen würde. Dass man nun bei gleich zwei Projekten mit Partnern in Frankreich zusammenarbeitet, ist Zufall. Diepers will sich in ganz Europa nach Kooperationen umsehen. "Ich habe viel im Ausland produziert und versuche da, Produktions-Achsen aufzubauen", sagt er. Zu weiteren Projekten will sich Diepers derzeit noch nicht äußern - es seien aber welche in der Pipeline. 

In diesem Zusammenhang betont der Serienwerft-Geschäftsführer dann auch nochmal die Wichtigkeit von "Rote Rosen". Die genannten Projekte würde es vielleicht gar nicht geben ohne die tägliche Serie und "wenn wir auf eine absolute Wirtschaftlichkeit dieser Projekte ab dem ersten Jahr bestehen müssten". Die Tatsache, dass man mit "Rote Rosen" eine langlaufende Serie habe, gebe einem die Möglichkeit, sich um Projekte zu kümmern, die "langwieriger sind", sagt Diepers. 

Blick über den Tellerrand durch Vielfalt

Ein weiterer Grund, um in Zukunft verstärkt auf internationale Koproduktionen zu setzen, ist nach Angaben von Jan Diepers das Thema Vielfalt. "Wir müssen europäisch denken. Ich habe sehr davon profitiert, mir Produktionen aus verschiedenen Ländern anzusehen, egal ob die aus Spanien oder Osteuropa kamen. Wir tendieren in der Branche dazu,  mit Scheuklappen zu denken", sagt er. "Dadurch, dass man über den Tellerrand hinausschaut, erweitern wir unseren Horizont." Während man in Deutschland bei dem Begriff "tägliche Serie" meist an Soaps oder Telenovelas denke, seien aber auch andere Richtungen möglich, sagt Diepers. "Das Format, das ich in der Slowakei produziert habe, war eine tägliche Comedy-Serie. So etwas gibt es auch." Und "Rote Rosen" selbst ist heute auch keine klassische Telenovela, vielmehr ist sie eine Familienserie mit Telenovela-Elementen. Unterstrichen wird das in der aktuellen Staffel auch durch die Tatsache, dass erstmals alle SchauspielerInnen im Vorspann auftauchen.

Vielfalt ist dem Serienwerft-Geschäftsführer aber auch in einem anderen Zusammenhang wichtig. So habe man bei den Regisseuren einen Frauenanteil von mehr als 50 Prozent. Zudem erzähle man in der aktuellen Staffel von "Rote Rosen" zwei Rollen "colour blind". Das heißt: Die Figuren sind divers, werden aber nicht darauf reduziert sondern erzählt wie alle anderen auch. Das habe intern schon durchaus für Diskussionen gesorgt, sagt Diepers. "Wenn wir Figuren colour-blind erzählen, haben sie gute und schlechte Seiten. Da hatte ich mit den Kreativen auch einige Diskussionen." Man müsse die Figuren behandeln wie alle anderen Figuren auch. "Nur das wird langfristig zu einem normalen Umgang führen." Vielfalt sowohl vor als auch hinter der Kamera sei wichtig. "Durch unterschiedliche Einflüsse können wir sehr viel gewinnen." Verbessern könne man sich in Sachen Diversity noch im Autorenbereich. "Auch deshalb bin ich so interessiert an internationalen Koproduktionen, sowas gibt immer neuen Input."

In Zukunft will die Studio Hamburg Serienwerft mehr sein als nur der Produzent von "Rote Rosen". Das war man schon bislang, wahrgenommen wurde es aber immer anders - übrigens teilweise auch innerhalb der Studio-Hamburg-Gruppe. Mit den internationalen Koproduktionen will man sich breiter als bislang aufstellen und das Profil schärfen. Diese Neuausrichtung ist zum Teil aber auch sicherlich der Tatsache geschuldet, dass "Rote Rosen" im linearen Programm längst nicht mehr das Brett ist, das es mal war. Bis Ende 2022 ist die Zukunft der Serie zwar gesichert, aber ein Ende der Serie würde die Serienwerft hart treffen - "Parlament" und andere internationale Projekte hin oder her.