Das Erste blickt auf eine erfolgreiche Saison 2020/21 zurück. Zwar konnte man dem überlegenen Marktführer ZDF nie gefährlich werden, der Rückstand vergrößerte sich sogar leicht - doch in sieben der neun Monate zwischen September und Mai erreichte Das Erste einen höheren Marktanteil als im Jahr zuvor, bei den 14- bis 49-Jährigen fiel der Aufschwung sogar überdurchschnittlich hoch aus. Dazu hat natürlich unter anderem der Informations-Bereich beigetragen. Die Corona-Pandemie hat der "Tagesschau" nochmal einen Schub gegeben, selbst beim jüngeren Publikum war sie gar nicht so selten meistgesehene Sendung des Tages, doch auch die Talks wie "Anne Will" oder die Polit-Magazine waren gefragter.
Wenn es wichtig wird, dann vertrauen die Deutschen eben noch immer am stärksten auf die Öffentlich-Rechtlichen. Hier hatte die ARD nie ein Image-Problem - anders als beispielsweise im Serien-Bereich, der bis vor Kurzem ziemlich angestaubt wirkte. Doch es hat zuletzt eine spürbar Erneuerung eingesetzt. Mit "Um Himmels Willen" und "Tierärztin Dr. Mertens" lagen langjährige Serien in ihren letzten Zügen, dafür hat man mit einer ganzen Reihe von Miniserien für Aufsehen gesorgt. "Oktoberfest 1900", "Die Toten von Marnow", "Das Geheimnis des Totendwaldes", dazu kamen die neuen Staffeln von "Charité" und "Babylon Berlin" - alles Produktionen, die im TV ordentlich bis sehr gut liefen, vor allem aber mit Blick auf die Stärkung der Mediathek wichtig waren.
Und auch im Film-Bereich hat man sich besonders mit Blick auf den Sendeplatz am Mittwochabend neu aufgestellt, schaut auch dort nun vor allem darauf, dass die Stücke in der Mediathek funktionieren, um Netflix und Co. etwas entgegenzusetzen, etwa mit den Near-Future-Filmen im Herbst. Im Vorfeld schickte man voraus, dass man die dadurch möglicherweise geringer ausfallenden linearen Quoten in Kauf nehme - tatsächlich lief der Mittwochabend aber alles in allem gar nicht schwächer als in den letzten Jahren. Aufsehen erregte man überdies auch mit den beiden Schirach-Events "Gott" und "Feinde" - letzteres parallel im Ersten und den Dritten.
Während man also an vielen Stellen experimentierfreudiger wurde, zahlte sich am Donnerstagabend die Fokussierung auf das Lieblingsgenre insbesondere der älteren Deutschen aus Quotensicht aus: Der Krimi-Sendeplatz dort hat sich fast schon zu einem zweiten "Tatort" entwickelt, Reichweiten von mindestens sechs bis sieben Millionen Zuschauern sind die Regel, der Tagessieg beim Gesamtpublikum gewissermaßen abonniert, teils wurde es noch deutlich mehr. Herauszuheben ist hier "Nord bei Nordwest", das Anfang des Jahres sogar die 10-Millionen-Zuschauer-Marke knackte, was sonst allein dem "Tatort" gelingt. Der bleibt sonntags sowieso eine Bank und deklassiert die Konkurrenz allwöchentlich bei Jung und Alt. Und auch freitags hat man mit den seichten Filmchen seine Nische gefunden. Gegen die ZDF-Krimis ist hier zwar alles in allem nicht anzukommen, bei den Jüngeren liegt Das Erste aber häufig sogar vor der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz.
Wenig neues im Unterhaltungs-Bereich - warum auch?
So viel Bewegung im Fiktionalen war, so wenig hat sich im Bereich Show geändert - was aber auch daran liegt, dass hier nicht gerade Reformdruck herrscht. Klassiker wie "Klein gegen Groß", "Verstehen Sie Spaß", "Frag doch mal die Maus", die Primetime-Ableger der Vorabend-Quizshows oder die Silbereisen-Shows - sie alle sind nicht nur beim Gesamtpublikum erfolgreich, sondern erzielen häufig auch bei den 14- bis 49-Jährigen zweistellige Marktanteile. Dem Ersten gelingt hier also offenbar echte Familien-Unterhaltung. Große Experimente wagte man dort angesichts des Erfolgs nicht, dass Pilawa mit "Quiz ohne Grenzen" eine andere Eurovisions-Show als in den Jahren zuvor präsentierte, war da noch die größte Neuerung.
Doch wenn es in der Primetime augenscheinlich wenige Probleme gibt, stellt sich natürlich die Frage: Warum ist das ZDF als Marktführer dann so deutlich enteilt? Den Grund findet man zum Einen am späteren Abend. Schon um 21:45 Uhr fallen nach dem Primetime-Programm die Reichweiten durch die dort platzierten Magazine in der Regel deutlich ab, die "Tagesthemen" haben dann auch den Nachteil des schwächeren Vorlaufs und der späteren Sendezeit im Vergleich zum "heute-journal". Und nach diesen sieht es für Das Erste dann häufig richtig mau aus. Während das ZDF mit dem fest etablierten Lanz drei Mal die Woche punktet, tut sich das Sammelsurium der Talks am Dienstagabend sehr schwer, auch andere Sendungen wie "Lebenslieder" oder "Browser Ballet" verfingen dort nicht. Maischberger hat mittwochs gegen Lanz ebenso keine Chance, donnerstags steht man sich mit einer zu großen Vielfalt an Comedy-Formaten selbst im Weg. Daran hat auch der Übergang zu Staffel-Programmierungen nichts grundsätzliches geändert.
Und auch tagsüber ist Das Erste nicht so erfolgreich unterwegs wie das ZDF. Vor allem auf dem 16:10 Uhr-Sendeplatz herrscht weiter Flaute, daran konnte auch die Wiederbelebung des "Quiz mit Jörg Pilawa" nichts ändern. Der Quiz-Erfolg bleibt weiter auf den 18-Uhr-Sendeplatz beschränkt. Am Nachmittag liefen die Telenovelas zwar noch solide, verloren aber im Vergleich zu den letzten Jahren wieder ein Stückchen an Zugkraft. Mit Lichter & Co. kann Das Erste dort bei Weitem nicht mithalten.
Was der neuen Programmdirektorin Christine Strobl Sorgen machen muss, sind aktuell aber weniger akute Baustellen im Programm als die inzwischen doch erhebliche Abwanderung der ARD-Köpfe, die man künftig im ZDF, bei RTL oder ProSiebenSat.1 antreffen wird. Und welche Dinge sonst noch auf ihrer To-Do-Liste stehen, hat Peer Schader ja schon sehr schön zusammengefasst.