Dass ProSieben zuletzt einen zweistelligen Monatsmarktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen erreichte, liegt inzwischen schon mehr als zwei Jahre zurück, selbst mit dem größten Hit "The Maskes Singer" im Programm scheint die 10-Prozent-Marke unerreichbar. Und doch kann man zufrieden auf die abgelaufene Saison zurückblicken: Der Sender lag vier Mal über, vier Mal unter dem Monatswert des Vorjahres - hielt sich also alles in allem stabil. Vor allem im Vergleich zu Sat.1 und RTL ist das schon eine ganze Menge.
Ein Grund dafür ist sicherlich, dass ProSieben in der jüngeren Vergangenheit ein ziemlich gutes Händchen bei seinen Shows bewiesen hat, auch wenn natürlich längst nicht alles funktionierte - wie etwa "Die Show mit dem Sortieren", die man im Dezember nach einer Folge schnell wieder aus dem Programm kippte. Auch auf Stefan Raab als Produzent ist längst kein Verlass mehr, "Teddy gönnt dir" oder "FameMaker" liefen allenfalls mäßig, auch der "Free ESC" musste jüngst kräftige Verluste hinnehmen und war womöglich nur im ESC-freien Jahr eine gute Idee.
Wie gut, dass ProSieben den "Raabschied" aber längst überwunden hat. Einzig "Schlag den Star" ist mit noch immer konstant guten Quoten aus der einstigen "TV total"-Ära übrig geblieben. Inzwischen ist dafür "The Masked Singer" der größte Hit: Mit der dritten und vierten Staffel festigte das Format in der Zielgruppe seine Spitzenposition unter den Show-Reihen. Aber auch "The Voice of Germany" ist nach inzwischen zehn Jahren noch immer eine sichere Bank. Gleiches gilt für "Germany’s next Topmodel", das - anders als viele Musik-Castingshows - überhaupt keine Ermüdungserscheinungen zeigte und die erfolgreichste Staffel seit vielen Jahren hinlegte.
Mit "Wer stiehlt mir die Show?" hat der Sender außerdem zu Beginn des Jahres einen glänzenden Neustart hingelegt, in dem noch reichlich Potenzial schlummert. Zudem zählten das etwas ältere „Duell um die Welt“, vor allem aber "Joko und Klaas gegen ProSieben" zu den großen Erfolgen der Saison - Letzteres ganz besonders, weil eben nicht nur die klassische Spielshow beliebt ist, sondern auch die 15 Minuten am darauffolgenden Tag, aus denn immer wieder ganz besondere Fernsehmomente hervorgehen, die ProSieben und den Macherinnen und Machern schon etliche Preise eingebracht haben. Aus diesem Jahr wird sicher die unangekündigte siebenstündige Pflege-Doku im Gedächtnis bleiben, die zugleich Ausdruck des wachsenden Mutes bei ProSieben ist.
ProSieben und die Mut-Probe
Der Mut wird vor allem mit Blick auf den Info-Bereich sichtbar. Mit Thilo Mischkes Doku "Rechts. Deutsch. Radikal." sorgte ProSieben im Herbst nicht nur für große Aufmerksamkeit, sondern ließ die Frage aufkommen, wieso solche Themen nicht auch bei den Öffentlich-Rechtlichen zur besten Sendezeit einen Platz finden können, sondern dort eher am späteren Abend verhandelt werden. Die letzten Wochen zeigten allerdings auch schon, dass es aus Quotensicht nicht immer gut läuft, wenn sich ProSieben auf ungewohntem Terrain bewegt. Die Interviews vor allem mit Scholz und Laschet, mit Abstrichen auch mit Baerbock stießen auf eher mäßiges Interesse. Auch vor diesem Hintergrund darf man schon jetzt gespannt sein auf das wöchentliche Magazin mit Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel.
Einen Schritt weiter ist unterdessen Jenke von Wilmsdorff, der mit seinem ersten Experiment einen erfolgreichen Senderwechsel hinlegte und kürzlich auch mit dem Format "Jenke. Crime." einen ordentlichen Erfolg feiert. Was ProSieben beim Versuch, die 10-Prozent-Marke zu knacken, fehlt, ist ein Stück weit mehr Rückenwind aus dem Vorabend, wo die "Simpsons" und "Galileo" zwar ordentlich laufen, aber meist einstellig bleiben. Dazu kommt, dass der Versuch, mit „Galileo Plus“ am Sonntag einen neuen Impuls zu setzen, bislang nicht zu steigenden Zuschauerzahlen führte.
Bei so vielen Eigenproduktionen könnte beinahe in Vergessenheit geraten, dass ProSieben auch noch Fiction im Programm hat. Während die Blockbuster zumindest sonntags meist gut funktionieren, tut sich der Sender im Serien-Bereich zur besten Sendezeit inzwischen zunehmend schwer. Selbst der Dauerbrenner "Grey’s Anatomy" funktioniert mittlerweile allenfalls mäßig und "Young Sheldon" ist weit entfernt von den einstigen Traum-Quoten von "The Big Bang Theory".
Doch auch hier konnte man in den letzten Jahren sehen, dass mit besonderen Serien noch immer ein Einschaltimpuls ausgelöst werden kann. "Chernobyl" lieferte ein klares Versprechen und war ein voller Erfolg. Dass es nicht typische Meterware war, die funktionierte, sondern ein durchaus relevanter Stoff, könnte ein Fingerzeig dafür sein, wohin die fiktionale Reise perspektivisch gehen könnte. Vielleicht klappt’s dann auch mal wieder mit der Zweistelligkeit.