Niki Pantelous © WDR / Tilman Schenk Niki Pantelous
Am 14. Mai wird die Vormittagssendung des Ersten Deutschen Fernsehens, "Live nach Neun", bereits drei Jahre alt. Einen solchen Geburtstag jemals feiern zu dürfen, damit hatten kurz nach dem Start im Jahr 2018 wahrlich nicht alle gerechnet. Den Verantwortlichen blies eine ganze Zeit lang durchaus Gegenwind ins Gesicht. Da war die grundsätzliche Kritik an der Sendung: ein stark regional verankertes Ratgeber/Service-Magazin in der 9-Uhr-Stunde zu platzieren und somit gegen den Langläufer "Volle Kanne" im ZDF zu senden, schien und scheint schlicht unnötig. Hinzu kamen sehr schwache Quoten zum Auftakt. Sämtlichen Kritikern immer gegenüber stand Niki Pantelous, verantwortliche Redakteurin des Formats. "Wir haben immer gehofft, dass die Quoten steigen. Weil wir an uns glauben. Und sie haben sich seit dem Start in der Tat immer weiter nach oben entwickelt. Daher hatte ich eigentlich nie Sorge", sagt sie im Interview mit DWDL.de.

Die Quotenentwicklung ist in der Tat beachtlich: 4,8 Prozent Marktanteil holten die "Live nach Neun"-Ausgaben zwischen Mai und Dezember 2018, 7,8 Prozent erreichte die 50 Minuten lange Vormittagssendung nun im Jahr 2020, in den ersten gut vier Monaten dieses Jahres liegt der Mittelwert nunmehr bei 9,1 Prozent. Die durchschnittliche Reichweite hat sich in etwa verdoppelt: Von 0,23 auf fast 0,5 Millionen. "Eine Marke am Vormittag zu etablieren, ist so, so schwer. Da hat uns schlicht auch die Zeit geholfen", sagt Pantelous, die es als "toll" bezeichnet, entsprechend Luft auch von den Entscheidern bei der ARD bekommen zu haben. "Noch vor zwei Jahren", erinnert sich die Fernsehmacherin, sei sie von Leuten gefragt worden, was "Live nach Neun" nun für eine Sendung sei. "Die Menschen schauen nicht in ihre Fernsehzeitung, was vormittags läuft. Es gibt feste Sehgewohnheiten und es dauert oft lange, diese Gewohnheiten zu drehen. Inzwischen ist 'Live nach Neun' aber im Alltag vieler Zuschauer*innen angekommen", behauptet Pantelous.

Marktanteil-Langzeittrend: Live nach Neun

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Quelle: DWDL.de-Recherche
dwdl.de/zahlenzentrale
ab 3 Jahren
14-49 Jahre

Ein Selbstläufer war das nicht. Hinter den Kulissen wurde, speziell in der Anfangsphase, doch das ein oder andere Konzept über den Haufen geworfen. Sichtbar wurde dies etwa recht schnell beim On-Air-Personal. "Wir wollen ein Format machen, das alle Generationen anspricht", führt Pantelous aus. So sei vor dem Start des Live-Magazins auch die Idee entstanden, die Doppelmoderation immer mit je einem jüngeren und einem älteren Host zu besetzen – und dabei auch immer Journalist*innen und Künstler*innen zu mixen. "In den vergangenen drei Jahren hat sich 'Live nach Neun' aber auch in der Moderation weiterentwickelt – und wir haben diese Idee etwas aufgeweicht." Heißt: Entertainer Marc Weide, Schauspieler Heinrich Schafmeister und Autorin Biggi Lechtermann gehören dem Moderatoren-Team längst nicht mehr an. Dafür stießen von Zeit zu Zeit Neue hinzu, etwa der aus dem "MoMa" bekannte Peter Großmann oder Marco Lombardo ("Lokalzeit"). Geblieben sind, von Beginn an, Köpfe wie Isabel Varell oder Tim Schreder.

Volle Kanne gegen "Volle Kanne"?

Nicht geändert wurde derweil die Startzeit: Weiterhin beginnt die Show von Montag bis Freitag um 9:05 Uhr – parallel zu "Volle Kanne" im ZDF, dem seit fast 22 Jahren sendenden Servicemagazin der Mainzer. "Wir sind keine Konkurrenz", macht Pantelous klar – und vergleichen könne man beide Sendungen ohnehin nicht, behauptet sie. Was an "Live nach Neun" anders ist? Da kommen ihr einige Ideen. "Wir haben viel mehr Interaktion mit den Zuschauer*innen. Bei uns gibt es keine langen Gespräche. Unser Schwerpunkt liegt bei Beiträgen und Live-Schalten. Wir haben außerdem eine Doppelmoderation", zählt Pantelous auf. Richtig ist aber wohl auch, dass sich trotz der genannten Unterschiede beide Live-Magazine an eine ähnliche Zielgruppe richten. Schließlich sind beide Formate seichten Themen und zugeneigt, widmen sich neben Food- auch Gesundheitsthemen sowie weiteren Alltagsfragen. Genre-Vielfalt geht anders.

2018 hatte "Live nach Neun" den Wiederholungssendeplatz der Dailynovela "Rote Rosen" übernommen. Die Geschichten aus Lüneburg waren am frühen Vormittag quotentechnisch nicht mehr stark unterwegs – immerhin aber hatte die ARD somit um neun auf ein anderes TV-Genre als das ZDF gesetzt. Pantelous sieht die neue Sendung dennoch als Gewinn für das Programm an. "Ich persönlich schaue viel lieber Live-Formate. Unser Pfund ist genau das. Und unsere Zuschauer*innen nehmen das immer mehr an", sagt Pantelous mit Blick auf die Reichweitenkurve. Die Zuschauer*innen seien bei "Live nach Neun" im Schnitt 64 Jahre alt, für eine Sendung am Vormittag sei dies "ein relativ junges Publikum", sagt Pantelous. Der Mix aus männlichen und weiblichen Sehern sei dabei relativ ausgewogen.

"Wir gucken somit in jede Ecke Deutschlands, entregionalisieren Themen für den, der zum Beispiel nicht in Thüringen guckt, sondern in München. Das haben wir am Anfang nicht gemacht." Niki Pantelous

Serviert werden ihnen vor allem aktuelle und regionale Themen."Wir sind inzwischen sehr viel aktueller geworden", beschreibt Pantelous die Entwicklung. "Live nach Neun" lebe aber auch von Beiträgen – mitunter auch solchen, die sie als "echte Perlen" der ARD bezeichnet, also jene, die man in den Dritten gefunden hat. "Wir gucken somit in jede Ecke Deutschlands, entregionalisieren Themen für den, der zum Beispiel nicht in Thüringen guckt, sondern in München. Das haben wir am Anfang nicht gemacht." Obendrein würde heute mehr noch als am Anfang nach dem Schwerpunkt 'Raus ins Leben' gearbeitet.

'Raus ins Leben' – genau dieses Credo hat seit März 2020 eine neue Bedeutung bekommen. Natürlich hat die Corona-Pandemie auch beim ARD-Vormittagsmagazin Spuren hinterlassen. Die Menschen, an denen das Magazin eigenen Ansprüchen zufolge nah dran sein wolle, erlebe sie derzeit in einer Art Halteposition, beschreibt Pantelous. "Bei jedem Beitrag, den wir senden, stellen wir uns die Frage: Ist das gerade angemessen? Oder ist das ein Thema, das nicht mehr aktuell ist? Die Zuschauer*innen merken, dass wir uns immer hinterfragen und immer wieder am Format schrauben", sagt die Fernsehmacherin. Der Ansatz der Sendung sei eben, zu schauen, wie es dem Publikum gerade gehe. "Wir suchen nach einer Waage zwischen Information, Service und Unterhaltung."

Ähnlich klar wie sich die 9:05-Uhr-Sendung vom ZDF-Pendant abzusetzen versucht, will sie auch eine andere Richtung einschlagen, als das zuvor auf dem Kanal laufende "Morgenmagazin". Pantelous, die früher für die Morningshow arbeitete, kennt die dortigen Strukturen. "Wir besprechen uns regelmäßig und gleichen die Planung ab", sagt sie über die Zusammenarbeit mit den Kollegen. "Wer um neun Uhr unsere Sendung schaut, der hat vielleicht schon 20 Minuten vorher das 'MoMa' verfolgt. Also müssen wir darauf achten, dass wir zum Start unserer Sendung thematisch nicht das machen, was direkt vorher schon lief." Hinzu kämen obendrein grundsätzliche Unterschiede in der Ausrichtung. "Wir sind mehr die Sendung mit dem Gefühl, das 'MoMa' ist insgesamt nachrichtlicher."

Gefühlvoll, wohl auch emotional, wird es in dieser Woche. "Live nach Neun", eine sicherlich immer kritisch beäugte Sendung, geht also ins vierte Lebensjahr. Die Folgen in dieser Woche kamen daher aus einem Zoo – gemäß der Zielsetzung anlässlich des eigenen Geburtstags immer draußen in den Regionen unterwegs zu sein. Das Geschenk der Verantwortlichen an die größer werdende Zuschauerschar? Mit schönen Geschichten den Alltag auch in dieser Woche ein bisschen bunter zu machen. Und aus einem Zoo hat "Volle Kanne" wohl auch noch nie gesendet.