„Ihr seid nur am arbeiten und ihr seid richtig gut am arbeiten. Wo ist euer fucking Problem, Alter?“ In einem zweieinhalbminütigen Video hat sich Kida Khodr Ramadan am Freitag via Instagram direkt an seine Kolleginnen und Kollegen gewandt, die sich am Abend zuvor unter dem Hashtag #allesdichtmachen in ironischen und bisweilen zynischen Videos zum Umgang mit der Corona-Pandemie geäußert haben. Auch er sei für die Aktion angefragt worden, erzählt der Hauptdarsteller der gefeierten Dramaserie „4 Blocks“. Zugesagt habe er jedoch nicht, „weil ich immer ein schlechtes Gefühl dabei hatte, weil ich nie von den Erfindern dieser Sache richtig aufgeklärt wurde“.
Ramadans Aussage dürfte eines der zentralen Probleme von #allesdichtmachen ganz gut beschreiben. Womöglich war es bei vielen der 53 Schauspielerinnen und Schauspieler, die sich an der Kampagne beteiligten, eine Mischung aus Leichtsinn und Blauäugigkeit - nicht ahnend, von welcher Seite sie Applaus bekommen würden; vor allem aber nicht ahnend, wie groß die Ablehnung sein würde. Dafür spricht, dass am Tag danach bereits sechs Videos entfernt wurden und mehrere prominente Unterstützerinnen und Unterstützer wie Meret Becker, Richy Müller und Kostja Ullmann auf Distanz zu dem gingen, wofür sie zuvor ihr Gesicht hergegeben hatten.
Er habe sich nicht über die Opfer der Pandemie lustig machen wollen, schrieb Schauspieler Ken Duken, ebenfalls einer der Beteiligten, und räumte ein: „Die Aktion ist gründlich in die Hose gegangen.“ Auch Heike Makatschs Video ist inzwischen nicht mehr abrufbar. Sie habe eigentlich an einem „kritischen Diskurs“ teilnehmen wollen, stellte sie in einem Statement klar. „Wenn ich damit rechten Demagogen in die Hände gespielt habe, so bereue ich das zutiefst.“ Ähnlich äußerte sich ihre Kollegin Meret Becker, die in einer skurrilen Schalte bei „Bild Live“ Rückendeckung durch ihren Bruder Ben erhielt.
Sicher, es hagelte nicht nur Kritik - insbesondere aus rechten und konservativen Kreisen kam Zustimmung für #allesdichtmachen. Doch die Vehemenz, mit der immer mehr Menschen, darunter viele Prominente, in den Stunden nach der Veröffentlichung ihr Unverständnis zum Ausdruck brachten, war gewaltig. Nora Tschirner, Christian Ulmen oder auch Elyas M’Barek zeigten sich entsetzt, um nur einige bekannte Namen zu nennen. Und auch der Filmproduzent Oliver Berben zählt zu den Kritikern. „Grundsätzlich finde ich es richtig, wenn verschiedene Positionen geäußert werden. Ich bin mir jedoch nicht sicher, wie durchdacht diese Aktion war“, sagte er dem „Spiegel“.
Kopfschütteln auch in vielen Medienhäusern wie der Mediengruppe RTL Deutschland. „Das ist kein kritischer Debattenbeitrag. Das ist purer Zynismus. Nein danke“, erklärte das Unternehmen und die UFA machte deutlich: „Veranstaltung entsteht durch Miteinander und nicht durch Zynismus.“ Deutlich zurückhaltender reagierten die Öffentlich-Rechtlichen, immerhin wichtige Arbeitgeber für viele der an der Aktion beteiligten Stars. „Die beteiligten Künstlerinnen und Künstler sprechen für sich selbst auf ihrer eigenen Plattform. Allen steht das Recht zu, ihre Meinung zu äußern“, teilte die ARD auf DWDL.de-Nachfrage mit, nachdem sich zuvor ein SPD-Politiker und Mitglied des WDR-Rundfunkrats dafür stark gemacht hatte, die Zusammenarbeit mit den Schauspielerinnen und Schauspielern zu beenden. Das ZDF wollte sich gar nicht äußern.
Wer ist der Mann hinter der Aktion?
Am Tag danach fällt mehr und mehr ins Auge, woran es der Aktion mangelt - nämlich an einem verbindenden Statement, einer gemeinsamen Stoßrichtung, hinter der sich alle Stars versammeln können. So wirkt die Kampagne trotz ihrer hochkarätigen Teilnehmenden erstaunlich unkoordiniert. Nicht ausgeschlossen, dass genau das das Ziel von Konrad A. Wunder war, dem Mann, der offenbar hinter der Aktion steht, wie das Impressum der begleitenden Website nahelegt. Wunder, mit bürgerlichem Namen Bernd Katzmarczyk, hatte im vorigen Jahr das Unternehmen Cine.Box gegründet, das einen Blockchain-basierten Streamingdienst betreibt und im Januar den „Max Ophüls Preis“ übertrug. Den Aufbau der Plattform wiederum bezuschusste das saarländische Wirtschaftsministerium mit 56.000 Euro.
Was bleibt, sind Fragen. Etwa, warum Jan Josef Liefers von "kritischem Disput" spricht, gleichzeitig aber keine Kommentare unter dem YouTube-Video hinterlassen werden können. Aber auch über die wahren Absichten der Schauspielerinnen und Schauspieler, von denen sich manche wohl etwas zu leichtgläubig auf die Aktion eingelassen haben, wird zu sprechen sein. Ebenso wie über die Absichten der Strippenzieher im Hintergrund. Vielleicht hilft es ja bis zur weiteren Klärung, sich dem Thema mit Humor zu nähern - so wie das die Comedy-Truppe vom „Browser Ballett“ getan hat.
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