Als die Deutsche Telekom Ende März eine live im Internet gestreamte Premierenfeier für ihre neue Magenta-TV-Serie "Wild Republic" abhielt, saßen Eric Bouley und Christopher Sassenrath abseits des Rampenlichts. Als Produzenten der aufwendigen Abenteuersaga standen Nils Dünker, Geschäftsführer von Lailaps Pictures, und Uwe Schott, Geschäftsführer von X Filme Creative Pool, Rede und Antwort zur Entstehungsgeschichte sowie den coronabedingten Widrigkeiten beim Dreh.

Was Dünker und Schott wohl keine Sekunde bestritten hätten: Ohne Bouley und Sassenrath gäbe es kein "Wild Republic". Nach offizieller Diktion haben Lailaps und X Filme "in Zusammenarbeit mit" Handwritten Pictures produziert. Der Schlenker entstand, weil eine Zwei-Mann-GmbH von Produktionsstudenten kein 12-Millionen-Euro-Projekt hätte stemmen können. Der Wesenskern des heutigen Achtteilers stand freilich schon 2013 in einem sechsseitigen Exposé, mit dem Bouley seine Zulassung zur Filmakdemie Baden-Württemberg in Ludwigsburg schaffte.

Es ist nicht unüblich, dass an Filmhochschulen lange währende Kreativpakte und Schicksalsgemeinschaften entstehen. Jenes Zusammentreffen im ersten Studienjahr zwischen dem damals 23-jährigen Eric und dem 21-jährigen Christopher darf man sich jedoch als außergewöhnlich konsequenten Bündnisschluss vorstellen. Beide brachten bereits jeweils einen Stoff mit, den sie unbedingt verfilmen wollten, und sie entschieden, dies gemeinsam zu tun. Sassenrath war fasziniert vom Buch des Mönchengladbacher Kriminalkommissars Ingo Thiel über den "Fall Mirco"; Bouley hatte seinen Entwurf zu einem Film, der "Herr der Fliegen" in die Alpen transportieren sollte. Beide waren – auch das für Studienanfänger eher ungewöhnlich – mehr an Mainstream und Primetime als an Nische und Arthouse interessiert. 

Ein Kind wird gesucht © ZDF
Vom Ullstein-Verlag bekamen sie zum eigenen Erstaunen die Filmrechte an Thiels Sachbuch, was letztlich zum ZDF-Movie "Ein Kind wird gesucht" mit Heino Ferch als Ingo Thiel führte. Weil Bouley zuvor als Trainee bei Lailaps gearbeitet hatte, lag eine enge Kooperation mit Dünker auf der Hand. Die Entwicklung zog sich über die vollen vier Jahre des Studiums, 2017 wurde schließlich gedreht. Nicht viele Absolventen können von sich behaupten, dass ihr Diplomfilm um 20:15 Uhr ausgestrahlt wurde und 5,41 Millionen Zuschauer erreichte. Zu diesem Zeitpunkt steckte die Allianz aus Lailaps und Handwritten längst tief im nächstgrößeren Projekt: der Weiterentwicklung von "Wild Republic" vom ursprünglich geplanten Film zur Serie.

"Gerade am Anfang muss einem klar sein, dass man bestimmte Projekte nur gemeinsam mit größeren Partnern umgesetzt bekommt", sagt Sassenrath im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Die sind dann natürlich in der Branche bekannter und finden mehr Wahrnehmung. Für uns war es nie ein Problem, die Anerkennung für diese Projekte zu teilen, auch wenn wir natürlich gerne betonen, dass 'Wild Republic' und 'Ein Kind wird gesucht' ganz persönlich bei Eric bzw. mir ihren Ursprung nahmen." Bouley nennt es die "größtmögliche Motivation, wenn deine Idee so viele Partner, seien es Kreative oder Finanzierungspartner, überzeugt und am Ende realisiert wird".

Wild Republic © Stephan Zwickirsch/Lailaps/X Filme
Dieser Überzeugung folgend, sprachen die beiden Gründer nicht nur mit Dünker, sondern auch mit anderen Produzenten über ihre Ideen. Als folgenschwer erwies sich dabei ein Treffen auf der Berlinale 2017 mit X-Filme-Chef Schott. Wo die Nachwuchsproduzenten eigentlich nur nach einem Partner für die physische Umsetzung künftiger Projekte gesucht hatten, bot Schott an, bei Handwritten Pictures einzusteigen und damit die Ressourcen von X Filme zur Verfügung zu stellen. Seit Mai 2018 ist die Firma eine 51-Prozent-Tochter der X-Filme Holding. "X Filme erschien uns auf Anhieb als idealer Partner, weil dort immer schon Kreative und die Ideen im Mittelpunkt standen und auch wir somit größtmögliche Freiheit haben", sagt Bouley. Logische Konsequenz des Zusammenschlusses war der Einstieg von X Filme in die Produktion von "Wild Republic", das sich mittlerweile auf Megaprojekt-Maße gedehnt hatte und die Logistik-Erfahrung der "Babylon Berlin"-Macher gut gebrauchen konnte. Als eine Art Ritterschlag verstanden Bouley und Sassenrath auch, dass die "Club der roten Bänder"-Autoren Arne Nolting und Jan Martin Scharf die Umarbeitung zur Serie übernommen hatten. "An einem bestimmten Punkt ist es gut, deine Idee in die Hände von Autoren zu geben und sie ihre eigene Vision formen zu lassen", findet Bouley.

Die Gesellschafter der Handwritten Pictures GmbH

 Gesellschafter Sitz Anteil
Eric Bouley Berlin 24,5 % 
Christopher Sassenrath Köln  24,5 % 
X-Filme Holding GmbH Berlin  51,0 % 
       ⇧ Beta Film GmbH Oberhaching 24,9 % 
       ⇧ Stefan Arndt Potsdam 16,3 %
       ⇧ Wolfgang Becker Berlin 16,3 %
       ⇧ Dani Levy Berlin 16,3 %
       ⇧ Tom Tykwer Berlin 16,3 %
       ⇧ Bogey Beteiligungen GmbH Stuttgart 10,0 %

Quelle: Handelsregister

Gedanklich sind die beiden Produzenten längst bei ihren neuen Projekten, bei denen sie dank des starken Gesellschafters nicht mehr Juniorpartner einer anderen Produktionsfirma sein müssen. Seit dem Umzug aus Ludwigsburg vor knapp drei Jahren hat Handwritten Pictures zwei Niederlassungen: Sassenrath sitzt in Köln, Bouley in Berlin. Ihre Standleitung ist die permanent geöffnete Desktop-App von WhatsApp. Abgesehen davon, dass jeder federführend seine produzentischen Projekte betreut, liegt Bouleys Schwerpunkt in der Stoffentwicklung, während Sassenrath sich stärker ums Vertraglich-Kaufmännische kümmert. 

An ihrem Entwicklungsportfolio fällt vor allem die inhaltliche Breite auf. Mehrere Serien und Filme sind in der Mache, darunter eine schräge Comedy-Serie von Andrew Lowery, Co-Creator der schwedisch-amerikanischen Krimi-Groteske "Swedish Dicks", oder ein in Südtirol angesiedelter Klimawandel-Thriller. Gemeinsam mit Autoren, die ebenfalls in Ludwigsburg studiert haben, entstehen zwei TV-Movies für die Öffentlich-Rechtlichen. Und mit ihrem Drehbuch-Kommilitonen Andrej Sorin entwickeln Bouley und Sassenrath dessen First-Steps-nominiertes Spielfilmprojekt "Blaulicht Brudis" weiter, das von der Freundschaft zwischen einem Kleinkriminellen mit Migrationshintergrund und einem alten, rassistischen Polizisten handelt. Mit an Bord ist eine weitere Ludwigsburg-Absolventin: "Deutschland 89"- und "Skylines"-Regisseurin Soleen Yusef.

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