Wenn die Branche in der Vergangenheit zweimal im Jahr nach Cannes gereist ist, war das vor allem ein großes Klassentreffen. Man traf sich, ob geplant oder zufällig, tauschte sich aus und an der nächsten Ecke stand schon das nächste bekannte Gesicht. Diese Routine hat Corona vollständig zum Erliegen gebracht. Eine Reise nach Cannes, um dort mit Menschen aus aller Welt in kleinen oder großen Gruppen über TV-Formate zu sprechen? Heute undenkbar. Und dennoch hatte die Pandemie nur geringe Auswirkungen auf den Einkauf von Sendungen, berichtet einige Branchenteilnehmer - allen voran die Sender selbst.
Und es ist ja auch klar: Der Einkauf (und Verkauf) neuer TV-Formate ist durch die Pandemie weltweit nicht plötzlich zum Stillstand gekommen. Aber statt auf Messen trifft man sich seit einem Jahr eben in Online-Meetings und schaut sich die Sendungen alleine vor dem Bildschirm an. Das alles habe im vergangenen Jahr durchaus gut funktioniert, sagt Lasarzik. Als größte Herausforderung bezeichnet es Sonnleitner, Formate zu finden, "die unseren Zuschauern auch im Lockdown Spaß machen". Und wohl auch solche, die man im Lockdown produzieren kann - Reise-Formate etwa sind derzeit nur sehr schwer oder eben gar nicht umzusetzen.
"Dafür ist zu viel passiert"
"An interkontinentale Präsenzveranstaltungen glaube ich für die Zukunft nicht."
RTL-Unterhaltungschef Kai Sturm
Neben dem Fehlen des persönlichen Austausches vor Ort, verweist Hertel aber auch auf die mittelfristigen Folgen, die die Pandemie mit sich bringen könnte. So "gab und gibt es weiterhin budgetbedingte Veränderungen der Nachfrage, die sich - vor allem auf dem linearen Markt – in Form von programmlichen Umstrukturierungen zeigen". Das heißt konkret: Die Nachfrage geht auch deshalb zurück, weil die Budgets sinken. Diesen Veränderungen gelte es schnell zu begegnen, so Hertel. Und auch der Bavaria-Media-Manager glaubt nicht an eine Rückkehr zu den Messen der Prä-Corona-Zeit. "Dafür ist zu viel passiert - auch Gutes übrigens", so Hertel. Dennoch müsse man abwarten, wie die Zunahme des digitalen Kommunizierens "effizient in alle Prozesse eingebunden werden kann und vor allem, wie sich eine zunehmen Virtualisierung auf die kreativen Prozesse – sowohl in der Produktion, als auch im Vertrieb – auswirkt".
Mehr Initiative der Produzenten gefordert
Und auch bei der Fabiola GmbH geht man davon aus, dass die Welt der Fernsehmessen nach Corona nicht mehr so aussehen wird wie vor 2020. "Ich denke auch, dass die Messen sich inhaltlich dahingehend verändern werden, dass noch mehr Fokus auf Trend Keynotes, das soziale Miteinander, sprich Partys und Veranstaltungen, und auf außergewöhnliche Präsentationen und Speaker gelegt wird", sagt Oliver Fuchs. Ina Eck geht davon aus, dass die Kosten-Nutzen-Rechnungen für große Messen "noch genauer betrachtet" werden. Große Veranstaltungen könnten so vielleicht nur noch einmal im Jahr stattfinden.
"In virtuellen Meetings bleiben Fragen unausgesprochen."
Ina Eck, Co-Geschäftsführerin Fabiola GmbH
Den persönlichen Kontakt vermissen alle
Trotz dieser Tatsache vermissen alle von DWDL.de befragten Branchenteilnehmer Cannes und die MIPTV. Dabei fällt immer der Ausdruck des "persönlichen Kontakts", der durch Corona gelitten habe. Dieser sei aber nicht zu unterschätzen, sagt Thomas Lasarzik von ProSiebenSat.1. Auch RTL-Unterhaltungschef Kai Sturm fehlt der kreative Austausch, der einfacher sei, wenn man sich persönlich gegenüber stehe. Fabiola-Co-Geschäftsführerin Ina Eck vermisst den "den direkten persönlichen Austausch, die spontanen Situationen und inspirierenden Gespräche, die sich ergeben, wenn eine Gruppe Kreativer aufeinandertrifft". Zwar habe sie das Gefühl, dass die Digital-Pitches bisweilen konzentrierter abgehalten werden. "Es bleibt natürlich auch was auf der Strecke, die Nuancen in der Reaktion des Gegenübers gehen verloren. Wo ich sonst schon mal in persönlichen Meetings Unsicherheiten erkennen oder zwischen Sätzen nachfragen kann, bleiben in virtuellen Meetings Fragen unausgesprochen."
Welche Rolle aber die MIPTV in Zukunft noch spielen wird, ist unklar. Es wird wohl zwangsläufig zu Veränderungen kommen müssen. "Keine hohen" Erwartungen hat SEO-Entertainment-Chef Gillad Osterer an die kommende Messe. "Für mich macht es zur Zeit keinen großen Unterschied ob es jetzt eine digitale MIPTV gibt oder nicht. Wir stehen eh im täglichen Austausch mit den Vertrieben", sagt er. Das klingt zunächst erst einmal ernüchternd für die Messe-Veranstalter. Doch Osterer schiebt gleich hinterher: "Der Reiz der MIPTV war für mich immer das vor Ort sein, fühlen was für neue Trends gerade da sind. Das kann ich zwar auch online lesen, der persönliche Austausch dazu war mir aber immer viel mehr wert."