In diesen Tagen feiert der kleine Privatsender ServusTV das Jubiläum seiner Senderreihe "Terra Mater". Darin gibt es regelmäßig Natur- und Tierdokus zu sehen, die die Terra Mater Factual Studios, das Unternehmen hinter den Filmen, produzieren und in die ganze Welt verkaufen. Die Dokus haben lange maßgeblich dazu beigetragen, ServusTV ein gutes Image zu verschaffen. Die Filme sorgen aber auch für hohe Quoten, in Deutschland kam die Reihe im vergangenen Jahr auf durchschnittlich 0,6 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum (14-49: 0,4 Prozent), in Österreich waren es sogar 3,9 Prozent (12-49: 2,4 Prozent). In allen Fällen liegt "Terra Mater" damit weit über den Durchschnittswerten von ServusTV.
"Terra Mater" ist aber mehr als nur eine visuell hochwertig produzierte Senderreihe mit Feelgood-Dokus über süße Eisbären, Katzen oder die Alpen. Die Terra Mater Factual Studios sind Anfang 2011 als 100-prozentige Tochter von Red Bull gegründet worden und produzieren auch Dokumentarfilme für das Kino. Dort geht es dann weniger friedlich zu. In "The Ivory Game" etwa ist das Thema der Elfenbein-Schmuggel in Ostafrika. In "Sea of Shadows" geht es darum, wie mexikanische Drogenkartelle und die chinesische Mafia einen seltenen Fisch im Golf von Kalifornien wildern und damit den kleinsten Wal der Welt ausrotten.
"Ungefährlich ist es nicht"
Doch mit den investigativen Dokus macht sich das Unternehmen nicht nur Freunde. Für den Dreh in Mexiko habe man erstmals ein Risikotraining für die gesamte Mannschaft durchgeführt, den Dreh brach man dann aber doch vorzeitig ab. So musste man innerhalb von zwei Stunden das Land verlassen, weil die Drohungen der Kartelle zu stark wurden. "Das war nicht mehr zu verantworten", sagt Köhler, der über die Dreharbeiten zu solchen Dokus auch folgenden Satz sagt: "Ungefährlich ist es nicht." Aktuell steht ein IMAX-Dokufilm über das Arctic National Wildlife Refuge vor der Weltpremiere. Die Trump-Administration wollte dort im letzten Moment große Ölreserven anbohren. Mit der Champion Foundation sammelte man daraufhin 6,5 Millionen Unterschriften gegen dieses Vorhaben, der aktuelle US-Präsident Joe Biden hat das Bohrprojekt mittlerweile gestoppt.
Und auch bei "Sea of Shadows" saß der US-Schauspieler mit im Boot. Das Thema hatten Köhler und sein Team gar nicht auf dem Schirm, bis DiCaprio anrief und ihn darauf aufmerksam machte, sagt der Chef der Produktionsfirma. Köhler musste danach nicht lange überlegen. Er schickte ein Team los und die Dreharbeiten begannen. DiCaprio begleitete erneut das Marketing, insbesondere in den USA, sodass auch dieser Film ein weltweiter Erfolg wurde. Dass der US-Schauspieler aus Sicherheitsgründen wohl eher nicht mehr öffentlichkeitswirksam nach Mexiko reist, ist ebenfalls dem Film und seinen Auswirkungen geschuldet.
Vom ORF ging es rüber zu Red Bull
Dass die Terra Mater Factual Studios heute zu den Großen des Dokufilm-Business gehören, war vor zehn Jahren längst keine ausgemachte Sache. Köhler leitete damals die "Universum"-Redaktion im ORF und wollte schon zu dieser Zeit eine Subfirma für Naturfilme gründen, doch das gelang unter dem Dach der öffentlich-rechtlichen Anstalt aus mehreren Gründen nicht. Und so zog Köhler mit dem gesamten "Universum"-Team zu Red Bull und baute etwas völlig Neues auf. "Wir haben uns immer schon mehr als Produzenten gesehen und weniger als Fernsehredakteure", sagt Köhler heute.
Bei Red Bull selbst habe er keine Bedenken gehabt, sagt Köhler. Nun ist das vor allem als Hersteller eines Energydrinks bekannte Unternehmen weder berühmt noch berüchtigt für sein Engagement in Sachen Natur- und Umweltschutz. So unterhält man unter anderem ja auch einen eigenen Formel-1-Rennstall. Er, sagt Köhler, habe aber schon früh gewusst, das Red Bull in Sachen Umwelt zumindest bei der Produktion der Getränke-Dose weit vorne mit dabei sei. "Mir war klar, dass der Markt bei der Meldung nicht ganz ruhig bleibt. Aber ich wusste auch, dass wir mit keinen Nachteilen zu rechnen hatten." Bleibt die Frage, wie viel Einfluss der Mutterkonzern auf die Terra Mater Factual Studios hat? Bei ServusTV soll Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz ja immer wieder mitreden, hört man. "Eine Einflussnahme gibt es nicht. Was es gibt, sind immer wieder Gespräche, die ich nicht missen will", sagt Walter Köhler gegenüber DWDL.de.
Immer mehr fiktionale Stoffe
Seit dem Start vor zehn Jahren - in der Zeit ist das Unternehmen von 13 auf 40 feste Mitarbeiter angewachsen - gibt es aber auch immer vereinzelte Fiction-Projekte der Terra Mater Factual Studios. Vier solcher Produktionen habe man seither in die Kinos gebracht. Einige davon sind naturnah, andere weniger. Das 2016 erschienene Drama "Wie Brüder im Wind" war der erfolgreichste österreichische Film im Jahr 2016. Aktuell arbeite man an einer Serie über Wildlife-Crime und an zwei Spielfilmen mit Naturthemen. Und dann hatte man zuletzt ja auch noch die Verfilmung des Bestsellers "Hummeldumm" angekündigt (DWDL.de berichtete). In dem Buch von Tommy Jaud geht es um eine neunköpfige Reisegruppe, die eine vierzehntägige Rundreise durch Namibia unternimmt. "Das bietet eine große Möglichkeit, die Menschen über den Weg der Komödie für Naturschutz zu begeistern", sagt Köhler im Hinblick auf die Verfilmung.
Die Ideen für fiktionale Stoffe dürften Köhler so schnell wohl nicht ausgehen. Man wisse durch die Recherchen zu den Dokus teilweise sehr vieles, das man nicht zeigen könne. Weil das Risiko groß sei, könne man diese Geschichten nur fiktional erzählen. "Und weil wir auf fiktionalem Weg auch Publikum für die Sache des Naturschutzes begeistern können, die nicht typische Doku-Konsumenten sind." Der Start der fiktionalen Projekte verlief vor einigen Jahren aber nicht ohne Probleme. Als das Unternehmen 2011 an den Start ging, war der DVD-Markt noch intakt - und damit eine wichtige Refinanzierungsquelle für viele Kinofilme. Heute sieht das durch die vielen Streaminganbieter ganz anders aus. Aber Terra Mater Factual Studios hat sich auch hier behauptet, natürlich immer mit einem finanzstarken Investor im Rücken.
"Wir profitieren nicht vom Klimawandel."
Walter Köhler
Und dann wäre da ja auch noch dieses eine Thema, über das man heutzutage mit jedem Produzenten sprechen muss, denn es hat große Auswirkungen auf so ziemlich alles: Corona. Die Pandemie trifft Naturfilmer hart, die es ja gewohnt sind, das ganze Jahr zu reisen und überall auf der Welt zu drehen. Deshalb mache ihn Corona auch nicht sonderlich glücklich, sagt Köhler im Gespräch mit DWDL.de. Aber: "Glücklicherweise sind die Auswirkungen durch Corona auf unser Unternehmen nicht so groß, wie man annehmen könnte." So habe man schon früh damit begonnen, mit lokalen Crews vor Ort zu produzieren. Außerdem seien die Projekte des Unternehmens meist sowieso sehr langwierig in der Produktion. So habe es auch in der Vergangenheit Unterbrechungen gegeben, etwa durch Wetterumschwünge. Die Kundschaft ist Verzögerungen also eher gewohnt als ein Sender, der all seine Formate nur im Studio produziert.
Aber natürlich hat Corona auch bei Terra Mater Factual Studios seine Spuren hinterlassen. So musste man die Arbeiten an zwei großen Dokumentarfilmen vorübergehend einstellen, weil man beispielsweise nicht nach Russland reisen konnte. In einem anderen Fall musste Walter Köhler ein Team aus Indien evakuieren. Das Equipment kam erst ein halbes Jahr später zurück nach Wien, hier hat das Unternehmen seinen Hauptsitz. Mit "Corona, die Pandemie und das Pangolin" hat man aber auch eine Doku aus dem Lockdown heraus umgesetzt. Genauso wie wöchentlich neue Videos für den Youtube Channel "Terra Mater", der in den letzten Monaten auf mehr als 200.000 Abonnenten gewachsen ist und der laut Köhler bei zuletzt rund 20 Millionen Views im Monat lag. Dennoch sei die Pandemie "kein Geschäft", sagt Köhler - übrigens ebenso wenig wie der Klimawandel.
"Wir profitieren nicht vom Klimawandel", so Köhler. Er mache den Job seit 35 Jahren und der Klimawandel sei immer Thema gewesen. Dennoch seien die Unwägbarkeiten in den letzten Jahren größer geworden. Was er damit meint? Im Dezember ist man mit einer zweiteiligen Alpengeschichte fertig geworden - der Weg dorthin war aber äußerst mühsam. "Das war eine der schwierigsten Produktionen, die wir jemals hatten", sagt Köhler. Zwei Jahre zuvor lag in den Alpen der Schnee zwölf Meter hoch, deshalb war ein Dreh nicht möglich. Ein Jahr später war der Schnee weg und kam auch nicht wieder - auch hier musste man die geplanten Drehs absagen.
Deutschland als wichtigster Markt der Welt
Den deutschen Markt bezeichnet der Naturfilm-Produzent übrigens als den "mit Abstand wichtigsten auf der Welt". Ohne die USA oder Deutschland an Bord könne man einen großen Naturfilm "kaum umsetzen". Köhler: "Meistens müssen beide Länder mit dabei sein." Doch warum ist Deutschland so wichtig? Walter Köhler führt das auf das hohe Interesse der deutschen Zuschauer an entsprechenden Inhalten zurück. Und dann muss es natürlich auch Abnehmer geben, die sich das "Schmuckstück" Naturfilm leisten wollen und können. Mit Unwägbarkeiten und Drehzeiten zwischen 100 und 200 Tagen ist es eher eine der teureren Disziplinen in der Branche. Da zahlt es sich aus, dass es in Deutschland einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt.
Und so werden die Terra Mater Factual Studios auch in der Zukunft auf mehreren Hochzeiten tanzen. Im Fernsehen bedient man auch weiterhin den Wunsch der Zuschauer nach Eskapismus - und das gerne auch mit süßen Tieren und großen Landschaften in fernen Teilen der Welt. "Gerade in Corona-Zeiten kann das TV-Publikum auf der Couch hinaus in die Natur reisen", sagt Köhler. Und im Kino-Bereich triggert man die Emotionen der Zuschauer durch investigative Recherchen, die aufrütteln. Oder wie es Walter Köhler formuliert: "Irgendwann muss man der Natur etwas zurückgeben, wenn man 30 Jahre lang gut von ihr gelebt hat."