Wenn es um Inhalte geht, die nicht auf klassischem Weg über TV-Sender verbreitet werden, fahren Produktionsfirmen ganz unterschiedliche Strategien. Es gibt eigenständige Einheiten in den Unternehmen, die sich speziell um diese Inhalte kümmern, die oft ein junges Publikum erreichen sollen. Bei anderen Firmen läuft der Bereich neben dem traditionellen TV-Geschäft mit. Und andere wiederum gliedern ihre jungen Einheiten erst aus, um sie dann später doch wieder in das Kerngeschäft zu integrieren. Bei der Studio Hamburg Production Group hat man sich nun für einen vierten Weg entschieden und gründet ein Joint Venture mit der Social Media-Agentur HitchOn.
HitchOn-Geschäftsführerin Sarah Kübler und Nina Peters, die bislang schon die Leitung bei shift MEDIA innehatte, werden das Gemeinschaftsunternehmen leiten. Aktuell produziert das Team von AlwaysOn die Online-Only-Videos für den Youtube-Kanal von "Verstehen Sie Spaß?" und auch die Videos des Kids-Ablegers der erfolgreichen ARD-Show. Außerdem konzipiert und realisiert man das Online-Format "Bosetti will reden!" von Moderatorin und Autorin Sarah Bosetti für das ZDF auf Facebook und YouTube. Darüber hinaus hat man gerade erst einen Instagram-Kanal für die ARD-Serie "Die Pfefferkörner" gestartet und zwei Folgen eines Webmagazins mit Lisa & Lena produziert, in dem die beiden Influencerinnen Fälle im Hauptquartier der Pfefferkörner lösen.
Influencer ja, aber zuerst kommt der Inhalt
Auf ein bestimmtes Genre, für das man möglicherweise in der Zukunft steht, wollen sich die beiden Geschäftsführerinnen von AlwaysOn im Gespräch mit DWDL.de aber nicht festlegen. "Die Genres verschmelzen immer mehr und man sollte das gar nicht differenzieren", sagt Nina Peters. Man werde sehr kopfgetrieben arbeiten. Das heißt aber nicht, dass es in den Formaten des jungen Unternehmens künftig nur noch Influencer und sonstige Social-Media-Stars zu sehen gibt. So betont Sarah Kübler dann auch, dass man keine Youtuber oder andere Influencer unter Vertrag habe, die man unbedingt pushen müsse. Vielmehr könne man auf eine Datenbank aus mehr als 40.000 Influencern von verschiedenen Plattformen zurückgreifen und dadurch die besten Köpfe für die jeweiligen Formate finden.
"Es macht wenig Sinn, Influencer in Schauspielrollen zu packen und zu hoffen, dass ein Format deshalb gut gesehen wird", sagt Kübler im Gespräch mit DWDL.de. Es brauche bei fiktionalen Stoffen immer schauspielerische Fähigkeiten und bei dokumentarischen Formaten Personen, die etwas zu erzählen hätten. "Wir wollen keine Leute einkaufen und in Formate platzieren, wenn die da vielleicht gar nicht reinpassen", sagt Kübler. Grundsätzlich arbeite man "datengetrieben". Man schaue darauf, was die verschiedenen Zielgruppen auf den Plattformen schauen und suchen - und überlege anhand dieser Ergebnisse, mit welchen Formaten man darauf aufsetzen könne.
Ihren Sitz hat die AlwaysOn Production GmbH (in Gründung) in Hamburg. Allerdings ist man nicht bei Studio Hamburg angedockt, sondern hat sich eigene Räumlichkeiten im Hafenviertel angemietet. "Wir gehen bewusst raus, damit wir nicht doch irgendwie im Alten verhaftet bleiben", sagt Nina Peters, die damit auch ganz bewusst mit der bisherigen Arbeitsweise bricht. Zwar wird man auch in Zukunft viel auf Personal der beiden Unternehmen im Hintergrund zurückgreifen, doch entstehen soll etwas Eigenständiges. Man will näher dran sein an möglichen Partnern, die mit einer klassischen TV-Produktionsfirma bislang keine Berührungspunkte hatten. Zum Start hat AlwaysOn sieben Mitarbeiter, am Jahresende will man zweistellig sein.
Die Angst vor dem Verlust einer ganzen Generation
"Wir werden noch viele Jahre für die klassischen Senderpartner Filme drehen", so Lehmann. "Gleichzeitig müssen wir akzeptieren, dass es 83 Millionen Menschen in diesem Land gibt. Davon nutzen viele andere Kanäle als das klassische Fernsehen. Und dort gibt es andere Sehgewohnheiten." Das führe zu neuen Formaten jenseits der üblichen Schranken, die einer TV-Produktionsfirma bei einem Film um 20:15 Uhr auferlegt sind. Und das will man nun in einer neuen Konstellation angehen. Lehmann macht keinen Hehl daraus: Er sieht die konkrete Gefahr, eine ganze Generation an Zuschauern zu verlieren, wenn man nicht handelt. Eine Generation, die nicht mehr Fernsehen schaut, aber dennoch unterhalten werden will.
Man wolle das Digitalgeschäft ganz anders als bislang denken, sagt Lehmann. Zielgruppen würden immer enger und klarer werden. War es früher die große unbekannte TV-Masse, die es zu unterhalten galt, sind es heute ganz klar definierte Zielgruppen. Und wer kennt diese Zielgruppen besser als Plattformen wie Youtube und Instagram - und damit eine Social-Media-Agentur, die sich genau damit beschäftigt? Künftig will man die im neuen Unternehmen vorhandene Distributionsexpertise schon in der Stoffentwicklung zum zentralen Thema machen. Davon soll langfristig auch das klassische TV-Produktionsgeschäft profitieren.