Die Geschichte vom Richter, der alles aufs Spiel setzt, um seinen Sohn nach dessen Fahrerflucht vor der Justiz und einem rachsüchtigen Mafia-Clan zu schützen, geht um die Welt. Wie schon so manche israelische Serie zuvor zieht "Your Honor" Remakes in etlichen Ländern nach sich, zuletzt die hochgelobte US-Version mit Bryan Cranston beim Pay-TV-Sender Showtime. Der Münchner Produzent Alwin "Al" Munteanu war von dem Stoff so angetan, dass er sich gleich dreifache Adaptionsrechte sicherte.
Seine SquareOne Productions wirkt nun tatkräftig daran mit, "Your Honor" nicht nur in Deutschland und Österreich, sondern auch in Frankreich und Italien auf den Bildschirm zu bringen. Vom großen Einstieg ins fiktionale Formatgeschäft will Munteanu trotzdem nichts wissen. "Das sind drei verschiedene Entwicklungen und Produktionen, die ganz bewusst unabhängig voneinander laufen", sagt der Produzent im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Mit der Ausnutzung von Synergien hat das nichts zu tun."
Um zu verstehen, was Munteanu antreibt und wo er mit seiner in Unterföhring ansässigen Firmengruppe hinwill, muss man einen Schritt zurück machen. Das Produktionsgeschäft ist für SquareOne nämlich noch ein zartes Pflänzchen, die Tochter SquareOne Productions gerade mal gute drei Jahre jung. Bisherige Hauptsäulen sind der Handel mit Filmlizenzen und der Verleih internationaler Kinofilme in der 2002 gegründeten SquareOne Entertainment, die Arthouse-Erfolge wie "Book Club", "Molly's Game" oder "The Imitation Game" auf deutsche Leinwände gebracht hat. "Die Hinwendung zur Entwicklung und Produktion eigener Stoffe war eher eine natürliche Konsequenz als eine plötzliche Entscheidung", erklärt Munteanu. "Bei unseren Akquisitionen und internationalen Koproduktionen haben wir schon seit Jahren mehr und mehr Kreativarbeit geleistet. Wir verstehen uns als Boutique, die sehr auf Qualität erpicht und immer hands-on involviert ist. Da ist es nur logisch, irgendwann zu sagen: Jetzt kreieren wir selbst gute Geschichten, die uns unter den Nägeln brennen."
Wer solche Wellen durchgemacht hat, ist vermutlich auf Risikostreuung aus. Reagiert Munteanu mit der Serienproduktion also darauf, dass das schwindende Kinogeschäft im Streaming-Zeitalter immer riskanter wird? "Die Zahlen sprechen zwar dafür, dass ein Heavy User von Netflix & Co. auch überdurchschnittlich oft ins Kino geht", so der Unternehmer. "Aber gleichzeitig hat der Kannibalisierungseffekt der Filmstarts untereinander immer weiter zugenommen. In den deutschen Kinos sind vor der Pandemie bis zu 700 Filme an 52 Donnerstagen angelaufen. Das ist ein Wettbewerb, der mit Qualität nichts mehr zu tun hat, sondern nur noch mit der Frage: Wer kann am lautesten 'hier' schreien? Die meisten Konsumenten sehen die meisten Filme sowieso erst auf einer nachgelagerten Auswertungsstufe." Durch die Streaming-Plattformen sei das so einfach und komfortabel wie nie zuvor, durch die Pandemie habe es sich nun vollkommen verschoben, so Munteanu. "Wir haben eine ganze Generation dazu erzogen, zu Hause auf der Couch filmische Qualität derselben Güte zu suchen und zu finden. In Zukunft werden vermutlich weniger Filme ins Kino kommen, dafür sind es dann die ganz großen und visuell opulenten."
"Wenn man sich einer Adaption ernsthaft widmet, merkt man schnell, dass das Format nicht mehr als eine Inspiration ist"
Al Munteanu, CEO der SquareOne Holding
Das italienische Remake wiederum befindet sich noch im Entwicklungsstadium – mit Indiana Production aus Mailand als Koproduzent und der öffentlich-rechtlichen RAI als Senderpartner. Wobei Munteanu den Begriff 'Remake' eben nicht gern hört und Synergien zwischen den drei Adaptionen abstreitet. "Wenn man sich einer Adaption ernsthaft widmet, merkt man recht schnell, dass das Format am Ende nicht mehr als eine Inspiration ist", sagt der Produzent. "Je intensiver man mit kreativen Top-Talenten zusammenarbeitet, desto stärker entwickelt sich daraus eine Eigendynamik. Es gibt zwar ein gewisses Korsett, an dem man sich lose orientieren kann. Aber das heißt nicht, dass man die Entwicklungszeit abkürzen kann. Es ist viel einfacher, eine Show wie 'Wer wird Millionär?' zu formatieren: Wo sitzt welches Licht? Wann startet die Musik? In welcher Reihenfolge werden die Fragen gestellt? Das muss man nicht in jedem Land neu erfinden. Bei einem fiktionalen Stoff ist es zumindest unser Anspruch, das Originäre zu finden, eine eigene Identität zu erschaffen."
Mit dem italienischen Partner Indiana hat SquareOne bereits eine zehnteilige Serie koproduziert, die sich derzeit in Postproduktion befindet und im zweiten Quartal fertiggestellt sein soll: "L'Ora – Ink Against Bullets" erzählt die Geburtsstunde der modernen Mafia aus Sicht einer sizilianischen Zeitungsredaktion, die Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre gegen heftige Widerstände die wachsenden gesellschaftlichen Verstrickungen der Cosa Nostra aufdeckte. "Spotlight" meets "Der Pate", lautet Munteanus Kurz-Pitch. In Italien ist Mediaset mit an Bord, in Frankreich M6.
Weitere deutsche und europäische Serien- und Filmprojekte möchte Munteanu möglichst noch dieses Jahr in Produktion schicken. Außerdem sollen in den nächsten Monaten die ersten Audioformate der 2019 gegründeten Tochterfirma SquareOne Unlimited auf den Markt kommen. Munteanu selbst hat einen Podcast pilotiert, in dem er über das Abenteuer Unternehmertum und den Stellenwert des Scheiterns spricht.