Sie sind unter anderem YouTube-Heimwerkerkönig, haben ein ZDFneo-Format gemacht, sind jetzt bei Netflix mit "Das Hausboot". Vergessen Sie da manchmal, dass Sie eigentlich Mediengestalter sind?
Fynn Kliemann: Überhaupt nicht. Ich bin weiterhin jeden Tag im Büro und komme auch gerade von dort.
Die Zuschauer kennen Sie als Bastler, der an allem gerne schraubt ohne dabei den ganz genauen Plan zu haben. Einen exakten Plan, wie alles funktioniert, braucht man den dann gar nicht?
Wie jeder eigentlich. Zu Hause ein bisschen ausprobieren, wie etwas funktioniert – da bin ich nicht allein. Da gibt es viele interessierte Menschen. Ich habe aber manchmal die Chance, mich auf großem Niveau auszutoben.
Großes Niveau, das ist YouTube, wo Sie an die 600.000 Abonnenten haben. Wie hat dort alles begonnen?
Mit der Erkenntnis, dass es keinen Unterschied macht, ob man sich daheim einen Hocker schweißt oder eben zwei Twingos aneinanderschweißt. Der Vorteil bei YouTube ist, dass ich ganz oft eben diese großen Sachen machen kann. Das macht Spaß.
Wie viel verdienen Sie mit YouTube?
Ich verdiene da gar nichts. Ich habe auf meinen Kanälen noch nie Werbung geschaltet. Das ist alles komplett ohne Kohle. Das war immer schon mein Hobby und nur zum Spaß.
Sie sind nun schon seit Jahren Bestandteil der Medienwelt. Gibt es da etwas, das Sie auch mal abgeschreckt hat?
Eigentlich alles. Es gibt einen Unterschied, ob ich daheim etwas bastle und es bei YouTube hochlade – das ist absolute Anonymität. Oder ob man wirklich in den Medien steht. Mit dieser echten, großen Medienwelt bin ich über das Musik-Business in Berührung gekommen, nämlich als ich mein eigenes Label gegründet habe. Da bin ich mal aus Interesse zum letzten Echo gefahren. Da merkt man schnell, dass das eine andere Welt ist und eine, in der ich mich unwohler fühle als zu Hause mit meinen Freunden beim Schrauben in der Garage.
Die Unabhängigkeit, die ich habe, weil mir total viele Leute sowieso zuschauen, ist schön. Fynn Kliemann
Ihre Projekte liefen schon bei Funk oder ZDFneo, Sie haben jetzt die Doku bei Netflix. Muss jemand, der so unbedarft an Dinge herangeht wie Sie, da auch mal unangenehme Erfahrungen und Learnings machen?
Es ist total wichtig, wie man da heran geht. Die Unabhängigkeit, die ich habe, weil mir total viele Leute sowieso zuschauen, ist schön. Dann nämlich arbeitet man in einer anderen Situation mit Menschen zusammen. Die Zusammenarbeit mit Netflix oder anderen Sendern ist viel mehr auf Augenhöhe, weil alle Beteiligten wissen: Wir müssen nicht zusammenarbeiten, sondern wir möchten. Das ist etwas ganz anderes, als wenn ich gesagt bekomme, was ich zu tun habe, weil ich unbedingt bei diesen Firmen sein möchte. Es ist völlig frei, daher macht man das als Partner und nicht als Dienstleister.
Wieso gehen Sie vom jungen und vermeintlich hippen YouTube jetzt doch mehr und mehr den Weg ins Fernsehen?
Naja, jung und hipp… Dieser Zug ist bei YouTube auch schon abgefahren. Man muss klassisches Fernsehen und VOD massiv unterscheiden. Auch das klassische Fernsehen entwickelt sich ja immer mehr zu den Mediatheken. Unser ZDFneo-Format "Die Lieferung" wurde etwa zu 90 Prozent in der Mediathek geschaut. Die Leute gucken inzwischen wo sie wollen und wann sie wollen. Ich kann mir auch vorstellen, dass Leute "Das Hausboot" nun an ihrem Handy schauen. Abhängig vom Device ist der Konsum ja schon lange nicht mehr. Somit gibt es am Ende auch keinen großen Unterschied zu YouTube.
Sind Sie typisch deutsch? Sie machen Musik, Sie produzieren Formate, Sie stellen inzwischen aber auch Textilien her. Ich habe gesehen, dass es einen strengen Zeitplan gibt – etwa, dass Sie immer am Dienstagmittag Interviews geben. Das sieht gleichermaßen umtriebig wie durchgeplant aus.
(lacht) Das typisch deutsche Bild ist ja extrem aufgeweicht, nicht nur durch mich, sondern durch ganz viele Leute, die einfach machen wollen, was sie wollen und das auch noch wann sie wollen. Dass ich einen Zeitplan habe, hat auch damit zu tun, dass ich immer mehr machen möchte als ich letztlich Zeit dafür habe. Eine klare Planung ergibt dann Vorteile. Ich bin hier in Deutschland geboren, aber abseits dessen, würde ich diesem Land nichts zuschreiben, was mich geprägt hat.
Gibt es einen Masterplan in Ihrem Leben?
Nein, gar nicht. Das sieht man auch beim Projekt "Das Hausboot" sehr gut. Das, was wir mal geplant hatten und was wir dann letztlich tun mussten, geht in verschiedene Richtungen. Alles geht so in den Tag hinein. Eins von Millionen Beispielen: Ich befasse mich seit zwei Wochen fast nur noch mit Krypto-NFTs und dafür habe ich auch wirklich alles gekillt. Da sitze ich jetzt von morgens bis abends dran. So ist jede Woche neu. Eine Woche kommt eine neue Technologie, dann befasse ich mich nur noch damit. So ist mein Leben ausgerichtet, alles andere kommt darunter.
Meine ersten YouTube-Videos habe ich hochgeladen, weil ich meinen Freunden zeigen wollte, dass ich klüger bin als sie. Ich wollte zeigen, dass ich Sachen günstiger bauen kann als all diejenigen, die sich etwas kaufen. Fynn Kliemann
Wie gehen Sie damit um, dass Sie nun derart in der Öffentlichkeit stehen?
Meine ersten YouTube-Videos habe ich hochgeladen, weil ich meinen Freunden zeigen wollte, dass ich klüger bin als sie. Ich wollte zeigen, dass ich Sachen günstiger bauen kann als all diejenigen, die sich etwas kaufen. Dann haben sich das viele Leute angeschaut. Ich hatte nie den Gedanken, dass das viele Menschen sehen müssen. Meine Frage war immer: Wo lade ich das hoch, damit es meine Freunde sehen? Ich finde es gut, dass alles so gewachsen ist, weil ich somit viele Möglichkeiten habe. Ich habe unfassbar viele Handynummern in meinem Telefonbuch. Wenn ich etwas brauche und plane, kann ich so viele Menschen anrufen. Oft scheitern Projekte ja, weil man niemanden kennt. Ich kann dir heute Nachmittag zehn LKWs herholen, die transportieren dieses Boot nach Berlin. Das ist geil. Man ist flexibel.
Aber es liegt doch viel auch an Ihrem Geist. So viele Menschen bewegen, beeindrucken und mitziehen, das ist doch letztlich eine Gabe?
Der Unterschied ist nur, wie man seine Geschichte erzählt und ob man sich traut, diese auch in die weite Welt zu lassen. Viele meiner Freunde sind ganz ähnlich wie ich. Sie haben tausend Hobbys. Diese dann mit der Öffentlichkeit zu teilen, das ist super schwer. Bei der Musik ist mir das extrem schwer gefallen. Ich habe zehn Jahre an Songs geschraubt, ehe ich mein erstes Album veröffentlicht habe und selbst dann habe ich mir in die Hose gemacht, dass Leute das kacke finden. Wenn ich jetzt male und ich lade das Bild hoch, dann habe ich Angst, dass Leute das nicht mögen. Das ist ganz normal, wenn man Sachen zeigt. Weil: Ich bin nicht der allerbeste auf der Welt. In nichts bin ich besser als alle anderen. Jetzt wird man aber mit anderen Menschen gemessen und verglichen. Das fällt mir in der Öffentlichkeit manchmal schwer.
In der Netflix-Doku sind Sie mit Olli Schulz zu sehen, wie Sie ein altes Hausboot von Gunter Gabriel auf Vordermann bringen. Das klingt ungewöhnlich, wie viel klassischer Kliemann ist im Format enthalten?
Das Ergebnis ist fernab von dem, was ich allein gemacht hätte. Wir hatten da natürlich schon sehr viele talentierte Handwerker dabei – Olli natürlich auch – und in dieser Kombination, ist hier etwas entstanden, das ich so nie hätte erschaffen können. Was typisch Fynn ist: Der Start. Hätte ich Olli nicht zugequatscht und ihm gesagt, dass das alles gar kein Problem ist, dann hätte er das niemals gemacht. Ich auch nicht: Wenn ich nicht jedes Projekt kolossal unterschätzen würde, hätte ich es nicht getan. Das wäre dann bis zur Fertigstellung auch sehr gut gewesen für unsere Psyche und unsere Geldbörse. Aber jetzt sehe ich, es war wahnsinnig klug, das zu machen.
Dieser ungeplante Doku-Charakter, das ist das, was ich gut kann, weil dafür muss ich nichts können. Fynn Kliemann
Wundert es Sie, dass klassische Privatsender noch nie bei Ihnen angeklopft haben mit Ideen für eigene Shows?
Feste Sendungskonzepte sind nicht mein Ding. Ich habe das schon auch mal probiert, aber da bin ich dann schnell ausgestiegen und habe das an Leute abgegeben, die das viel besser können. Ich bin ein schlechter Moderator, kann nicht nach Plan arbeiten. Ich fahre im Kliemannsland gerne auf dem Hof rum und weiß nicht, was kommt. Und dabei drehen wir dann. Dieser ungeplante Doku-Charakter, das ist das, was ich gut kann, weil dafür muss ich nichts können. Es ist mir viel lieber, mit meinen Freunden Moped zu fahren, als immer sich wiederholende Sendungskonzepte zu haben und dabei auf die Quote schielen zu müssen.
Was steht in Ihrem Jahresplan 2021? Gibt es bei Ihnen überhaupt einen solchen?
Vieles, was mit dem bisherigen Wachstum einhergeht. Wir haben viele neue Mitarbeiter im Kliemannsland. Alles wird immer größer. Wir bauen Lager aus. 2020 war viel Ich, dieses Jahr ist viel Ich hinter den Kulissen. Ich habe das kleinste Haus Bremens gekauft, habe einen eigenen Heimwerkerbetrieb gegründet, es stehen Signings bei unserem Label an, wir werden zudem ein Erholungsdorf in Mecklenburg ausbauen. Ich bin in der Orga für viele Sachen – das ist 2021 die große Headline.
"Das Hausboot" ist ab dem 9. März bei Netflix abrufbar.