Talkshows kranken im Fernsehen nicht selten am Programmschema, in das sie von den Sendern ihren Programmverantwortlichen gepresst werden. Nicht selten nimmt ein Gespräch gerade Fahrt auf - da muss, auf Rücksicht auf das nachfolgende Programm, der Abspann durchgepeitscht werden. Und manchmal will eine Sendung einfach kein Ende nehmen, obwohl eigentlich alles längst gesagt ist.
Beim Nachrichtensender Welt will man das jetzt ändern und baut im Zuge dessen die wöchentliche Talkshow mit Michel Friedman um, dessen Vertrag bis Ende 2023 verlängert wurde. Anstelle von "Studio Friedman" heißt es künftig jedoch "Open End" - und der Name ist wörtlich zu verstehen. "Reden, bis die Themen wirklich ausdiskutiert sind. Ohne Hektik, ohne Limit", so beschreibt Welt das Konzept des neuen Talks, der ab dem 17. April samstags ab 23:00 Uhr ausgestrahlt wird.
Wer los muss oder möchte, ruft sich ein Taxi, und die Sendung endet, wenn alle Gäste gegangen sind - oder Michel Friedman selbst darum bittet, Schluss zu machen, bevor der Moderator den langen Abend noch einmal kurz reflektiert. "Bei 'Open End' nehmen wir uns die Zeit, substanzielle Gespräche zu führen. Es geht um gegenseitige Neugier, um das Interesse an der Meinung des Gegenübers und die Auseinandersetzung damit", sagt Friedman über das ungewöhnliche Konzept, das er selbst als Experiment bezeichnet.
"Es besteht dringender substantieller Gesprächsbedarf."
Michel Friedman
Verlässt er nach fast 17 Jahren "Studio Friedman" also die Komfortzone? Nein, sagt Friedman. Die Sendung sei schließlich das Gegenteil einer Komfortzone gewesen, sagt er gegenüber DWDL.de und ergänzt mit einem Augenzwinkern: "Fragen Sie doch nur mal meine Gäste." Vielmehr habe er die Sehnsucht gehabt, "dass im Fernsehen bei wichtigen und ernsthaften Themen so lange nachgedacht, diskutiert und argumentiert werden kann, wie es wirklich nötig ist. Und dabei eben nicht ständig auf die Uhr geschaut wird".
Thematisch ist indes alles erlaubt. "Wir reden beispielsweise über Freiheit, Wut, Glück oder Menschenrechte. Es wird spannend sein zu sehen, wie die Vielfalt der Perspektiven den Abend bereichert", sagt Michel Friedman, der Gäste aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft, Politik und Publizistik einladen will. "Wir verhandeln in diesem Jahrzehnt die Zukunft, das 21. Jahrhundert – übrigens mit zwanzigjähriger Verspätung. Ob die Klima-, die Migrations- oder aktuell die Pandemiefrage. Es besteht dringender substantieller Gesprächsbedarf. Gleichzeitig sind wir konfrontiert mit Lügen, Gerüchten, politisch populistischer Propaganda."
Produziert wird der Welt-Talk, hinter dem die Maz&More-Redaktion steht, inhouse - und zwar live aus dem Studio 2 des Springer-Neubaus in Berlin. Und weil es kein Zeitkorsett gibt, eignet sich die Sendung wohl auch bestens dazu, anschließend als Podcast abrufbar zu sein. "Wie Sie wissen, liebe ich auch das präzise, knappe Format", sagt Friedman und gibt sich betont kämpferisch: "Trotzdem glaube ich, dass das Experiment einer zeitlich nicht limitierten Gesprächssendung ein neuer Mosaikstein unserer Fernsehdebattenkultur sein kann."