Am 6. Januar lief ab vormittags eine denkwürdige Sendung bei Sport1. Im "Sport Quiz" ging es um die Chance auf 200.000 Euro. Im Rahmen der Darts-WM hatte der Sender zuvor über Wochen hinweg für ein Gewinnspiel getrommelt, bei dem es zunächst 100.000 Euro zu gewinnen gab. Weil das aber niemand schaffte, wurde der Betrag auf 200.000 Euro aufgestockt, hieß es. Einsenden musste man zur Teilnahme nur ein Kennwort. 50 Cent pro Anruf, mobil deutlich teurer. Alles wie immer also. Werbung für dieses Gewinnspiel lief nicht nur im Rahmen der reichweitenstarken Darts-Übertragungen, sondern auch beim "Doppelpass", dem Flaggschiff-Format des Senders. 

Das große Finale um die 200.000 Euro jetzt also an einem frühen Mittwochvormittag? Man könnte sagen: Die Aufrufe zur Teilnahme schien wichtiger als die Auflösung, denn Sport1 konnte sich ziemlich sicher sein, das Geld nie auszahlen zu müssen. Aber der Reihe nach: Tatsächlich hatte ein Zuschauer an diesem Morgen in der "Sport Quiz"-Sendung die Möglichkeit, viel Geld beim Sender abzuräumen. Die Chancen: Besser als beim Lotto, aber immer noch ziemlich gering. Aus allen Personen, die an dem Gewinnspiel teilgenommen hatten, wurde per Zufall ein Kandidat ausgewählt, der um das Geld spielen durfte - mit einer verschwindend geringen Chance auf 200.000 Euro allerdings.

Es gab zwei Sets mit jeweils zwölf Umschlägen, aus denen er jeweils sechs Mal den passenden Zettel ziehen musste. Gewinnen konnte der Kandidat so zwei Mal 100.000 Euro. Die Chance, aus zwölf Umschlägen die richtigen sechs auszuwählen, beträgt 1 zu 924. Um ein vielfaches geringer ist dann natürlich die Chance, im Anschluss noch einmal die richtigen sechs Umschläge aus dem zweiten Set zu ziehen, um die gesamte Summe in Höhe von 200.000 Euro zu gewinnen. Schon bei der Verlosung der ersten 100.000 Euro im "Sport Quiz" am 26. Dezember ging ein Teilnehmer nicht mit dem großen Geld nach Hause - daher die Erhöhung. Und natürlich ließe sich das Spiel so mit immer weiter gesteigerten Gewinnsummen, die nicht ausgespielt werden, weiter lukrativ zur besten Sendezeit bewerben und die Auflösung wieder am Vormittag versenden.

Darts-Gewinnspiel von Sport1 © Screenshot Sport1 Am Ende gab es keinen Gewinner der 200.000 Euro.

Gewinnspiele dieser Art sind ein relevanter Umsatzfaktor für viele Unternehmen. Vor allem für recht kleine Sender, die solche Aktionen dann im Rahmen von reichweitenstarken Sendungen zeigen. Branchenkenner gehen davon aus, dass sechsstellige Umsätze mit Gewinnspielen dieser Art erwirtschaftet werden können. Offizielle Zahlen will der Sender nicht nennen. Aus Sicht von Sport1 wäre es aber natürlich ärgerlich, müsste man das ganze Geld am Ende an eine Person auszahlen. Leer ging der Gewinnspiel-Teilnehmer am 6. Januar übrigens nicht aus, als "Trostpreis" erhielt er 500 Euro.

Der Sportsender bemühte sich bei der Bewerbung des Gewinnspiels - freundlich formuliert - nicht gerade über die Maßen, seinen Zuschauern die unglaublich kleine Gewinnchance zu erläutern. Vor etlichen Werbebreaks wurde wirksamer auf den möglichen Gewinn hingewiesen. Erklärungen, wie kompliziert am Ende der Weg zu den 100.000 bzw. 200.000 Euro werden würde, sah man nicht ansatzweise so prominent wie die dauerpräsenten Gewinnspiel-Aufrufe. Ein Aufruf zur kostenpflichtigen Teilnahme ohne die Regeln vergleichsweise klar zu machen - da war einst sogar 9Live durch auferlegte Richtlinien am Ende gezwungenermaßen transparenter. Bei der Auflösung in der Sendung lief übrigens alles korrekt ab: Der Moderator der "Sport Quiz"-Ausgabe öffnete auch alle nicht durch den Kandidaten ausgewählten Umschläge, um so zu beweisen, dass die Chance auf 100.000 bzw. 200.000 Euro tatsächlich gegeben war. 

Wir raten bei Gewinnspielen im Fernsehen grundsätzlich zur Vorsicht.
Carolin Semmler, Rechtsanwältin von der Verbraucherzentrale NRW 

Doch wie sieht das bei anderen Sendern aus? Ist Chance gleich Chance? RTL etwa verlost derzeit in allen Ausgaben von "Deutschland sucht den Superstar" einen Geldbetrag, meist 10.000 Euro. Wie bei Sport1 ist auch dort in den Ankündigungen von einer "Chance" zu lesen. Ist das etwa auch eine Hintertür, um den Gewinn am Ende gar nicht auszuschütten? Die einfache Antwort in diesem Fall: nein, ist es nicht. "Das Wort Chance unterstreicht lediglich, dass nicht jeder der teilnimmt auch gewinnt, sondern eben nur einer oder eine der Teilnehmer", heißt es von RTL gegenüber DWDL.de. Also: Jeder hat eine Chance, am Ende gibt’s aber nur einen Gewinner. 

DSDS Gewinnspiel © Screenshot RTL Dieter Bohlen bewirbt das "DSDS"-Gewinnspiel.

In Unterföhring läuft es ähnlich: Sowohl bei Luke Mockridges Fang-Show "Catch" in Sat.1 als auch beim neuen ProSieben-Format "Wer stiehlt mir die Show?" gab es zuletzt Autos zu gewinnen. Auch hier ist die Rede von einer "Chance" - und auch hier verweist man darauf, dass jeder Teilnehmer grundsätzlich eine Chance auf den Gewinn habe. Anders als bei "DSDS" passiert das teilweise nicht direkt im Anschluss an eine jede Folge, sondern nach Ablauf eines Teilnahmezeitraums, der sich im Falle von "Wer stiehlt mir die Show?" noch rund zwei Wochen lang streckt. Aber: Auch hier gibt es am Ende einen Gewinner, der das versprochene Auto tatsächlich erhält. 

Gewinnspiele nach wie vor guter Umsatzbringer

Und auch wenn keiner der Sender Angaben über die Anzahl der Anrufe bei den Gewinnspielen macht, kann man davon ausgehen, dass sie kein schlechtes Geschäft sind. Die Kölner digame GmbH betreut alle interaktiven Anruf- und SMS-Gewinnspiele der RTL-Gruppe sowie alle SMS-Dienste von ProSiebenSat.1, hinzu kommen Dienste als Serviceprovider für Sender wie Sky, RTLzwei und Sport1. Seit vielen Jahren ist das Unternehmen für die Abwicklung von TV-Gewinnspielen zuständig. Und Corona hatte keine Auswirkungen auf die Beliebtheit solcher Gewinnspiele, sagt digame-Geschäftsführer Thomas Niedermeyer. "Entscheidend für den Erfolg eines Gewinnspiels ist die Attraktivität des Gewinnpreises und die redaktionelle Integration in das entsprechende Format. Die Pandemie hat die Begehrlichkeiten auf mögliche Gewinne nicht beeinflusst." Es sei weiterhin so, dass "Interaktivität den privaten Sendern eine zuverlässige, gut planbare und konstante Erlösquelle bietet", so Niedermeyer. Gerade in Zeiten von schwankenden Werbebuchungen können sich die TV-Sender offenbar auf ihre anrufenden Zuschauer verlassen. 

"Bei ,Deutschland sucht den Superstar‘ rufen in Spitzenzeiten deutlich mehr als 2000 Zuschauer pro Sekunde an. Gleichzeitig muss eine hohe Zahl von SMS verarbeitet werden", sagte Marc Schröder, ehemaliger Geschäftsführer bei RTL Interactive, vor einigen Jahren in der "Wirtschaftswoche". Man kann sich also vorstellen, dass RTL das ausgespielte Geld durch die Gewinnspiele schnell wieder reinholt. Ein Trend, den Niedermeyer von digame ausmacht, sind sogenannte "Mega-Events". Dabei werden Extragehälter, hohe Geldsummen oder Häuser ausgespielt. "Die Chance, jeden Monat 3.000 € und mehr auf dem Konto zu haben, erregt ein großes Interesse bei den Zuschauern." Seit dem 12. Januar verantwortet digame bei Sport1 eine recht klassische Gewinnspiel-Sendung, werktags zwischen 12 und 13 Uhr läuft beim Sportsender seither "Cash Flash". In kurzen Spielrunden können die Anrufenden dabei kleinere Geldbeträge gewinnen, dafür müssen sie unter anderem Geräusche erraten oder auch Malereien der Moderatoren entschlüsseln. 

Das sagen Verbraucherschützer

Grundsätzlich lässt sich festhalten: Die Chance, bei Gewinnspielen im Fernsehen zu gewinnen, ist immer sehr gering. Vor allem dann, wenn im Rahmen reichweitenstarker Sendungen mutmaßlich viele Menschen anrufen. Und es zeigt sich: Eine Chance auf einen Gewinn kann sehr unterschiedlich definiert sein. Mal soll es bedeuten, dass eine teilnehmende Person auf jeden Fall gewinnt. Mal, dass eine teilnehmende Person überhaupt nur die Gelegenheit bekommt, eventuell etwas zu gewinnen. "Wir raten bei Gewinnspielen im Fernsehen grundsätzlich zur Vorsicht. Teilnahmebedingungen werden oft nur kurz eingeblendet, diese sollte man sich in jedem Fall vorher genau durchlesen", sagt Carolin Semmler, Rechtsanwältin von der Verbraucherzentrale NRW gegenüber DWDL.de.

Beschwerden über Gewinnspiele seien ein Dauerbrenner, sagt sie, betont aber auch: "Eine Häufung von Beschwerden speziell über TV-Gewinnspiele gibt es keine." Und auch bei der Verbraucherschutzzentrale Hamburg kann man nicht von vielen Beschwerden rund um TV-Gewinnspiele berichten. Eine Teilnahme empfiehlt man aber nicht: Die Versuchungen seien hoch und die mobilen Kosten ebenso. Dass es so gut wie keine Beschwerden über Gewinnspiele im Fernsehen gibt, zeigt sehr gut, wie sich die Branche gewandelt hat. In den 00er Jahren, es waren die Hochzeiten von 9Live, wurden Gewinnspiele immer mal wieder kritisch in der Öffentlichkeit besprochen, weil man sich oft des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass die Macher ihre Zuschauer abzocken wollten.