Keine gemeinsame Außenpolitik, Bürokratie, Chaos in der Flüchtlingsfrage, Brexit und Verstöße in einigen Mitgliedsstaaten in Sachen Rechtsstaatlichkeit. Die Liste an Problemen in der Europäischen Union (EU) ist lang. Jetzt kann über die Staatengemeinschaft aber auch endlich mal wieder gelacht werden. One zeigt bald die deutsch-französisch-belgische Koproduktion "Parlament". Erzählt wird die Geschichte von Samy (exzellent verkörpert von Xavier Lacaille), der direkt nach der Brexit-Abstimmung in Brüssel als Praktikant anfängt. Und obwohl er viel theoretisches Wissen mitbringt, ist er nicht auf den Job vorbereitet.
Samys Chef ist faul, drückt sich vor der Arbeit und so gerät der Praktikant zunächst in die Fänge eines windigen Lobbyisten. Später soll er dann auch noch für die deutsche Abgeordnete Ingeborg (Christiane Paul) einen Gesetzesentwurf erarbeiten, in dem es um das Abtrennen von Haifischflossen geht. Samy hat keine Ahnung, wie das geht, aber immerhin sechs Monate Zeit, um sich in die Materie einzuarbeiten. Das ist im EU-Parlament mit seinen vielen Menschen, die auch alle unterschiedliche Ziele verfolgen, aber gar nicht so einfach.
Ode an die Freude im EU-Fahrstuhl
Dennoch sei die Serie keinesfalls ehrfürchtig vor der EU, sondern stelle die "humoristischen, die komischen Aspekte der europäischen Zusammenarbeit in den Vordergrund", sagt die Cinecentrum-Geschäftsführerin. So wird in einer Ausschuss-Sitzung peinlich genau darauf geachtet, wer wo sitzt, die Briten haben noch einen Kater von den Brexit-Partys und im Fahrstuhl spielt es die Europa-Hymne "Ode an die Freude". Und wie auf einem Schulausflug haben sich die Parlamentarier in Grüppchen aufgeteilt. Es gibt die Kommunisten ("Anzüge der Marke Ostberlin"), Liberaldemokraten ("Dolce & Gabbana für Arme") und Rechtsextreme ("Sie tragen Beige, Khaki und Braun, als ob sie gerade von einem Jagdausflug in Bayern kämen").
Bei solchen Überhöhungen könnte man auf die Idee kommen, die Serie würde in Brüssel nicht gut ankommen - doch das ist nicht der Fall. "Die Media Intelligence Unit des Europäischen Parlaments hat den Abgeordneten unsere Serie empfohlen. Gerade der Ansatz, die Geschichte als Comedy zu erzählen, macht es aus ihrer Sicht interessant und vermittelt eine Menge über das Parlament", sagt Dagmar Rosenbauer im Gespräch mit DWDL.de. Und auch während der Dreharbeiten zeigten sich die Institutionen offen. So wurde in Straßburg und Brüssel gedreht, in Straßburg während einer sitzungsfreien Woche sogar direkt im EU-Parlament. Die EU-Kommission habe das Projekt sehr unterstützt, sagt Dagmar Rosenbauer. Die notwendigen Genehmigungen holten die französischen und belgischen Partner ein.
Ich glaube, Europa ist ein Thema, das mehr Leute interessiert als viele denken.
Cinecentrum-Geschäftsführerin Dagmar Rosenbauer
Head-Autor von "Parlament" ist Noé Debré, von ihm stammt auch die Idee zur Serie. Zusammen mit seinem Team, mit dabei waren auch Autoren, die zuvor in Brüssel gearbeitet hatten, hat er den kreativen Part der Produktion übernommen. Cinecentrum aus Deutschland steuerte Geld bei, verantwortete die Untertitel und kümmerte sich um die deutschen Cast-Mitglieder. "Ich bin bis heute erfreut und manchmal auch verwundert darüber, dass wir Christiane Paul für das Projekt gewinnen konnten. Es ist ja keine riesengroße, aber schon eine prägende Rolle", sagt Cinecentrum-Chefin Rosenbauer. Weil hinter der Kamera aber vor allem Franzosen arbeiteten, wurden aus Pauls deutschen Texten, spontan auch schon mal englische oder französische Elemente. Für die Schauspielerin war das kein Problem.
Mehrsprachigkeit ist Alltag
Teilweise merkt man der Serie die Mehrsprachigkeit aber an. So wurde an einigen Stellen mit eigentlich deutschem Text nachsynchronisiert, das wirkt mitunter ungewohnt. Für Stirnrunzeln bei einigen deutschen Zuschauern dürfte auch die Tatsache sorgen, dass sich die Protagonisten in der Serie in verschiedenen Sprachen miteinander unterhalten und auch überraschend gut verstehen. Das sei im EU-Parlament aber tatsächlich völlig normal, versichert Dagmar Rosenbauer. "Das ist in Brüssel Alltag", sagt sie. "Die Hauptsprache ist englisch, dann kommen französisch und deutsch und viele andere Sprachen." Das Sprachen-Wirrwarr hat aber durchaus Charme und ist ein Pluspunkt, den "Parlament" mit sich bringt.
In Frankreich ist die Serie bei Kritikern überwiegend gut angekommen, jetzt will man auch die deutschen Zuschauer erreichen. Durch Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin habe man schon viel Inspiration sammeln können für eine zweite Staffel, sagt Dagmar Rosenbauer gegenüber DWDL.de. In Frankreich laufen bereits die Arbeiten an den neuen Drehbüchern, auch Cinecentrum wird dann wieder mit dabei sein. Ob man dann aber auch wieder im EU-Parlament drehen kann, ist durch Corona unklar. "Wir durften überall hin", sagt Rosenbauer über die Dreharbeiten zur ersten Staffel, die noch 2019 stattgefunden haben. "Wie das künftig sein wird, müssen wir sehen." In jedem Fall ist "Parlament" eine Bereicherung für den europäischen Serienmarkt. Eine Bereicherung, durch die man über die EU auch mal lachen darf.
One zeigt die zehn Folgen von "Parlament" ab dem 6. Oktober immer dienstags ab 20:15 Uhr. Alle Episoden stehen bereits in der Mediathek zum Abruf bereit.