ZDFneo ist eine der großen Erfolgsgeschichten unter den deutschen Sendern im letzten Jahrzehnt. Noch 2013 lag der Marktanteil bei einem Prozent, nur fünf Jahre später war es mehr als das Dreifache, im Jahresschnitt damals 3,2 Prozent. Hat man in der Vergangenheit immer von den "großen acht Sendern" sprechen können, so ist das eigentlich längst nicht mehr aktuell, ZDFneo liegt seit 2018 in Sachen Gesamt-Marktanteil vor RTLzwei. Doch inzwischen gilt es auch zu konstatieren: Dem Wachstum, das man weniger kreativen neuen Ideen als der extrem guten Performance alter ZDF-Krimis und alter "Bares für Rares"-Folgen zu verdanken, sind dann doch auch Grenzen gesetzt.
Schon im Jahresschnitt 2019 ging der Marktanteil minimal um 0,1 Prozentpunkt zurück - und 2020 blieb ZDFneo von Januar bis Mai nun sogar durchgehend wieder unter der 3-Prozent-Marke, erst im Juni wurde sie erstmals wieder zurückerobert. Derzeit herrscht also Stagnation - oder wenn man es positiv ausdrücken will: Stabilisierung auf - für einen kleineren Sender - hohen Niveau. Denn nach wie vor bleibt beeindruckend, welche Reichweiten ZDFneo zu erzielen vermag. In der Spitze waren das in der letzten Saison mit "Nord Nord Mord" über drei Millionen Zuschauer - Werte, wie man sie selbst von Sendern wie Sat.1 oder ProSieben nicht mehr allzu häufig sieht.
Die meistgesehenen Sendungen bei ZDFneo
Reichweite gesamt (Mio.) | |
Nord Nord Mord (03.09.) |
3,06 |
Marie Brand und der Duft des Todes (28.01.) |
2,83 |
Stralsund - Blutige Fährte (24.03.) |
2,82 |
Quelle: DWDL.de-Recherche (01.08.2019-31.07.2020)
Und Werte, von denen man auch beim ARD-Pendant One nur träumen kann. Auch dort werden teilweise Krimis aus dem Ersten wiederholt - beispielsweise auch der "Tatort" am Sonntagabend. Doch das Programm ist bei weitem nicht so konsequent auf Reichweite ausgelegt wie bei ZDFneo, teils wirkt es, als würde man den Audience Flow geradezu mutwillig durchbrechen. Das führt dazu, dass ZDFneo insbesondere für Krimi-Fans längst zum Relevant Set gehört, One aber mit seiner etwas unklaren Ausrichtung weiterhin bei weniger als einem Prozent verharrt. Auch in der letzten Saison pendelte der Marktanteil beim Gesamtpublikum wieder um die 0,8-Prozent-Marke. Dort liegt man nun seit 2018, ohne dass erkennbar wäre, wodurch sich das auf absehbare Zeit ändern könnte.
Die meistgesehenen Sendungen bei One
Reichweite gesamt (Mio.) | |
Agatha Christies Marple (18.03.) |
1,24 |
Handball-EM - Spiel um Platz 5 (25.01.) |
1,22 |
Agatha Christies Marple (16.10.) |
1,12 |
Quelle: DWDL.de-Recherche (01.08.2019-31.07.2020)
Die Wachstumsgeschichten findet man derzeit anderswo. Etwa beim zweiten ZDF-Ableger ZDFinfo, in den erheblich weniger Geld investiert wird. Auf ihm liegt für gewöhnlich weniger das Augenmerk, doch inzwischen schreibt man auch dort eine erstaunliche Erfolgsgeschichte - und zwar insbesondere auch bei den jüngeren Zuschauern. 2019 lag der Marktanteil im Schnitt bei Jung und Alt gleichermaßen bei 1,5 Prozent. Und 2020 könnte es insbesondere bei den 14- bis 49-Jährigen noch deutlich nach oben gehen. Im Juni wurde hier mit 1,8 Prozent gerade ein neuer Rekord erzielt, inzwischen ist es üblich, dass der Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen höher liegt als beim Gesamtpublikum. Eigentlich war ZDFneo ja mal als der "junge" Ableger des ZDF gedacht - diesen Status hat aber de facto viel eher ZDFinfo verdient. In der Altersgruppe 14-49 liegen ZDFneo und ZDFinfo inzwischen auch gar nicht mehr weit auseinander, nur 0,2 Prozentpunkte trennten die beiden Sender hier zuletzt noch.
Die meistgesehenen Sendungen bei ZDFinfo
Reichweite gesamt (Mio.) | |
Terra X: Sieben Kontinente - Südamerika (02.02.) |
0,64 |
Terra X: Sieben Kontinente - Australien |
0,63 |
Rockerkrieg: Mord und Verrat |
0,62 |
Quelle: DWDL.de-Recherche (01.08.2019-31.07.2020)
Bei ZDFinfo sind es dabei nicht einzelne Sendungen, die die Quoten des Senders nach oben treiben - so wie die ZDF-Krimis mit ihren herausragenden Quoten bei ZDFneo. Es sind vielmehr die thematische Bündelung von Dokus, durch die es gelingt, Zuschauer über viele Stunden dranzuhalten und auch in zeitlichen Randbereichen zu erreichen. Das erklärt auch, wieso die meistgesehene ZDFinfo-Sendung in der letzten Saison "nur" 640.000 Zuschauer hatte, also wenig mehr als ein Fünftel dessen, was die meistgesehene ZDFneo-Sendung einbrachte. Allgemein ist das Segment, in dem sich ZDFinfo bewegt, derzeit gefragt. Denn auch N24 Doku verzeichnet steigende Quoten und lag zuletzt bei 0,5 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen. Auf Rekordjagd ist auch Kabel Eins Doku, das im Mai und Juni gerade mit 1,2 Prozent neue Bestwerte markierte. Rückenwind verspürt auch Phoenix, das mit seinem Fokus auf aktuelle Berichterstattung aber eine andere Rolle einnimmt - den Sender werden wir daher bei unserem Blick auf die Entwicklung von News-Sendern noch etwas genauer betrachten.
Die meistgesehenen Sendungen bei Phoenix
Reichweite gesamt (Mio.) | |
Presseclub Nachgefragt (29.03.) |
0,79 |
Presseclub Nachgefragt (22.03.) |
0,74 |
Presseclub Nachgefragt (19.04.) | 0,71 |
Quelle: DWDL.de-Recherche (01.08.2019-31.07.2020)
Zu den Gewinnern der letzten Saison gehört fraglos auch Arte. Der deutsch-französische Kultursender hat ein äußerst erfolgreiches erstes Halbjahr hinter sich. Pendelte der Sender-Marktanteil in den vergangenen Jahren immer um 1,1 Prozent beim Gesamtpublikum, so wurde dieser Wert bislang in allen Monaten 2020 überschritten und lag bei 1,2 bis 1,3 Prozent. Bei den 14- bis 49-Jährigen wurden 0,8 bis 0,9 Prozent erreicht - auch hier lag jeder Monat damit über dem Jahresschnitt 2019, der 0,7 Prozent betrug. Damit ist Arte zuletzt beim jüngeren Publikum an 3sat vorbeigezogen, das bei 0,7 bis 0,8 Prozent lag und kommt auch beim Gesamtpublikum näher an 3sat ran. Im Juni lagen die beiden Sender hier bereits gleichauf, nachdem 3sat hier hin den letzten Jahren eigentlich stets die Nase vorn hatte. Die 3sat-Quoten entwickeln sich dabei unauffällig und verharren etwa auf dem Niveau der letzten Jahre.
Die meistgesehenen Sendungen bei 3sat
Reichweite gesamt (Mio.) | |
Kalt ist die Angst (21.04.) |
1,92 |
Spuren des Bösen - Schande (14.04.) |
1,88 |
Nord bei Nordwest - Estonia (24.09.) |
1,69 |
Quelle: DWDL.de-Recherche (01.08.2019-31.07.2020)
Die meistgesehenen Sendungen bei Arte
Reichweite gesamt (Mio.) | |
Unternehmen Petticoat (27.04.) |
1,71 |
In Wahrheit - Jagdfieber (24.04.) |
1,68 |
Unter Verdacht - Evas letzter Gang (25.10.) | 1,56 |
Quelle: DWDL.de-Recherche (01.08.2019-31.07.2020)
Die Dritten legen zu - mit einer Ausnahme
Zu den Gewinnern der letzten Saison gehören auch die Dritten Programme der ARD. Fast alle konnten ihre Marktanteile im vergangenen Jahr ausbauen, das stärkste Wachstum im Vergleich zum Vorjahr zeigten dabei SWR und WDR (beide +0,7 Prozentpunkte) - wobei der Westdeutsche Rundfunk besonders in den letzten Monaten einen richtig guten Lauf hinlegte und etwa im Mai sogar die 8-Prozent-Marke im "Sendegebiet" (womit die Bundesländer gemeint sind, für die die jeweilige Anstalt eigentlich zuständig ist - durch die bundesweite Verbreitung ist es ja längst nicht mehr das tatsächliche "Sendegebiet") knackte. Das waren wie auch im April und Juni satte eineinhalb Prozentpunkte mehr als noch ein Jahr zuvor. Auffällig ist dabei auch, dass es dem WDR zunehmend gelingt, auch jüngere Zuschauer anzusprechen - für die Dritten traditionell ein ziemlich schwieriges Unterfangen.
Zuletzt war der WDR nach Marktanteil im Sendegebiet hinter dem weiterhin weit vorauseilenden MDR Fernsehen, das im Saison-Schnitt nur knapp unter der 10-Prozent-Marke, schon auf Platz 2 - ein Rang der zuletzt im 2019er-Schnitt vom BR Fernsehen eingenommen wurde. Das BR Fernsehen ist aber das einzige Dritte, das in der vergangenen Saison Marktanteile einbüßte - und das liegt sicher nicht nur daran, dass mit der Nockherberg-Übertragung eines der beiden Quotenzugpferde des BR in diesem Jahr Corona zum Opfer fiel. In acht der zwölf letzten Monate erzielte das BR Fernsehen einen geringeren Marktanteil als im Jahr zuvor. So fiel der BR im ARD-internen Ranking in den letzten Monaten jedenfalls auf Rang 4 hinter MDR, WDR und NDR zurück. Ganz hinten bleiben HR und RBB.