Als die vorletzte TV-Saison begann, sah einiges danach aus, als ginge es für Das Erste in Richtung Einstelligkeit. Auf gerade mal 10,3 Prozent belief sich der Marktanteil des Senders beim Gesamtpublikum. Das war im September 2018 - und seither ist einige passiert. In der jüngst zu Ende gegangenen Saison gelang es dem Ersten, in sieben von neun Monaten über dem Schnitt des jeweiligen Vormonats zu liegen, was angesichts der zunehmenden Fragmentierung des Marktes durchaus beachtlich ist. Das Erste hat also Marktanteile dazugewonnen, auch wenn auf den ersten Blick gar nicht so sehr sichtbar ist, an welchen Stellen.

Die 20:15-Uhr-Schiene ist zumeist sehr erfolgreich, aber das war auch schon in der Vergangenheit der Fall. Da wären etwa die erfolgreichen Serien am Dienstagabend zu nennen oder auch die "Bonusfamilie", die mittwochs insbesondere beim jungen Publikum gut ankam. Stabile Quoten erzielen außerdem die Filme am Freitagabend - ungeachtet der oft erstaunlich simplen Titel, darunter "Viele Kühe und ein schwarzes Schaf", "Gloria, die schönste Kuh meiner Schwester" oder "Billy Kuckuck". Ganz vorne glänzt der "Tatort", der noch immer regelmäßig neun Millionen Zuschauer erreicht und den Sender sonntags auch beim jungen Publikum zum Marktführer macht. 

Doch nicht nur am Sonntagabend punktet Das Erste mit seinen Krimis: Auch die Krimis am Donnerstagabend haben inzwischen erstaunlich große Fan-Gemeinde aufgebaut - alleine 2020 konnte die Marke von sieben Millionen Zuschauern gleich vier Mal übersprungen werden, der durchschnittliche Marktanteil zog auf mehr als 18 Prozent an. Hier profitiert man von einer Strategie, mit der schon das ZDF seit vielen Jahren erfolgreich fährt, zumal auch die Wiederholungen in aller Regel noch einmal Spitzen-Quoten versprechen. Vereinzelte punktete Das Erste auch samstags mit Krimi-Ware, so wie etwa mit "Die Toten am Meer". Der Film brachte es, ohne Samstagskrimi-Konkurrenz im ZDF, jüngst auf fast acht Millionen Zuschauer.

Zulegen konnte man in der zurückliegenden Saison aber auch im Tagesprogramm, wenngleich insbesondere der 16-Uhr-Slot noch immer Probleme bereitet. Auch "Sehnsucht Segeln" und "Die Tierärzte" halfen nicht. "Live nach Neun" verzeichnete dagegen im Zuge der Corona-Krise steigende Marktanteile und am Vorabend wissen Serien wie "Morden im Norden", Hubert und Staller", "WaPo Bodensee" oder auch das "Großstadtrevier" die Stärke der Quiz-Schiene immer besser zu nutzen. Inzwischen ist es gelungen, dass der Marktanteil um 18:50 Uhr in aller Regel zweistellig ist. Einzig "Familie Dr. Kleist" konnte von diesem Aufschwung nicht profitieren - und wird folgerichtig nicht mehr fortgesetzt.

Talks und Comedys leiden unter Vielstimmigkeit

Luft nach oben besteht indes am Sonntag im Vorabendprogramm, das nach nach dem Ende der "Lindenstraße" sogar noch an Zugkraft verloren hat. Samstags wiederum war in der zurückliegenden TV-Saison regelmäßig auf die Bundesliga-"Sportschau" Verlass, wenngleich das Interesse nach der Corona-Pause spürbar rückläufig war. Umso gespannter darf man sein, ob es mit Beginn der neuen Spielzeit wieder nach oben gehen wird. Corona dürfte indes auch verantwortlich dafür sein, dass der Mai für den Sender zum zweitschwächsten Monat der Saison wurde: Ohne Bundesliga-Endspurt, DFB-Pokalfinale und Eurovision Song Contest gab es hier den deutlichsten Rückgang.

Und dann ist da auch noch die Primetime-Unterhaltung, die inzwischen fast ausschließlich samstags daherkommt - dafür aber umso stärker ist. Selbst die Silbereisen-Shows sind inzwischen für zweistellige Marktanteile gut, wie der "Schlagerbooom" im November bewies. Die Comedy-Schiene am späten Donnerstagabend leidet dagegen noch immer unter einer Vielzahl an Formaten, die es dem Publikum schwer macht, den Überblick zu behalten. "extra 3" lief in diesem Jahr trotz vielversprechender Quoten beispielsweise gerade mal an vier Abenden im Ersten. Konstant zweistellige Marktanteile gibt es bisher nur dann, wenn Dieter Nuhr sendet.

Richtig sichtbar wird die Vielstimmigkeit der ARD zudem am späten Dienstagabend, der inzwischen Heimat vieler Talks der Dritten ist. Gut möglich, dass es auch hier zu viele Formate geworden sind - auffällig ist jedenfalls, dass vorwiegend die "NDR Talk Show" funktioniert, mit Abstrichen auch "3nach9" und der "Kölner Treff". "Hier spricht Berlin" tat sich dagegen ebenso schwer wie die beiden Ausgaben des "Nachtcafés". Kompliziert wurde die Lage zudem durch Corona: Mit ihren eher bunten Konzepten konnten die Talks dem ZDF-Konkurrenten Markus Lanz nur wenig entgegenzusetzen - erst recht, als zeitweise auf Video-Konferenzen gesetzt wurde.


Als durchweg verlässlicher Quotenbringer erwies sich hingegen die "Tagesschau", die insbesondere in der Hoch-Phase der Corona-Krise viele Zuschauer erreichte. Im März und April schalteten alleine im Ersten im Schnitt täglich sieben Millionen Zuschauer ein - und damit rund zwei Millionen mehr als ein Jahr zuvor. Zeitweise lagen die Marktanteile auch beim jungen Publikum regelmäßig bei mehr als 20 Prozent. Dazu kommen die quotenstarken "ARD extra"-Ausgaben und die Polittalks. "Anne Will" verzeichnete bis zu sechs Millionen Zuschauer, "Hart aber fair" wollten in Spitzenzeit mehr als fünf Millionen sehen. Die Stärke des Ersten ist also zu einem großen Stück auch der Informationskompetenz geschuldet.