Zuletzt lag Kabel Eins wieder mehrere Monate in Folge vor RTLzwei, das ist aber vor allem auch auf die Schwäche der Konkurrenz aus Grünwald zurückzuführen. Streng genommen kann Kabel Eins aus Quotensicht mit der abgelaufenen Saison weniger zufrieden sein. War man 2018/19 noch der Aufsteiger der Saison, haben sich die Vorzeichen nun umgekehrt. In acht von neun Monaten zwischen September 2019 und Mai 2020 lag der Sender unter dem jeweiligen Vorjahreswert. Die Gewinne aus der Vor-Saison sind nun also schon wieder dahin - verschenkt hat Kabel Eins die vergangenen Monate aber keineswegs. So konnte man vor allem im innovativen Live-Factual-Bereich gute Erfahrungen sammeln.
Im September begleitete Kabel Eins erstmals einen Einsatz der Bundespolizei live in der Primetime. Dort ist zwar nicht sonderlich viel passiert, mit 6,1 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe lief es aber auf Anhieb gut. Als man im Februar dann schließlich live aus einer Notaufnahme sendete, waren ebenfalls gute 5,7 Prozent Marktanteil drin. Und auch sonst hat Kabel Eins in den zurückliegenden Monaten versucht, sein Programm aktueller zu machen. Eingestreut zwischen den regulären Ausgaben gab es bei "Achtung Kontrolle aktuell" Einsätze zu sehen, die nur wenige Tage zurücklagen.
Und dann hat Kabel Eins ja auch noch RTL geärgert und im November im Rahmen von "Die Klinik" eine OP am offenen Herzen gezeigt. Zwar nicht live, aber immerhin in Echtzeit. Auch das lief mit etwas mehr als sechs Prozent Marktanteil gut - so wie übrigens auch die gesamte Staffel von "Die Klinik". Nach nur 4,5 Prozent Marktanteil im Jahr 2018 waren im Herbst 2019 deutlich bessere 5,8 Prozent drin. Im Bereich des (Live-)Factual hat Kabel Eins 2019/20 also viel probiert und auch vieles gewonnen. Bei den Polizeiformaten, egal ob live oder nicht, spricht der weltweite Trend derzeit aber eher gegen Kabel Eins. So wurde das bekannte "Live P.D." in den USA nach vier sehr erfolgreichen Jahren eingestellt, auch für "Cops" ist nach 32 Staffeln Schluss. Grund für das Ende der beiden Polizei-Formate sind die Debatten über Rassismus und Polizeigewalt.
Der Trend ist gegen Polizei-Formate
Kabel-Eins-Chef Marc Rasmus sagte bereits im Oktober 2019 im DWDL.de-Interview, dass er manches, was bei "Live P.D." sehe, durchaus grenzwertig finde. Dennoch sah er viel Inspiration in dem Format. Diese Inspiration wird den Machern von "Bundespolizei Live" nun fehlen, wobei es ja auch noch genügend US-Material aus den vergangenen Jahren gibt. Aber für Kabel Eins ist es natürlich ein wenig tragisch, dieses Genre nach so vielen Jahren entdeckt zu haben - und prompt ändern sich die Vorzeichen aus den USA so schlagartig. Angesichts der unterschiedlichen Herangehensweisen dürfte Kabel Eins seine Strategie dennoch nicht wesentlich verändern.
Am Vorabend hat man unterdessen den Versuch, "Achtung Kontrolle" zu ersetzen, vorerst aufzugeben. "Quiz mit Biss" und "Wir kochen zusammen" hießen die letzten Misserfolge, die der Sender auf dem 19-Uhr-Slot testete, im Schnitt erreichte man mit dem Quiz aber nur 3,6 Prozent Marktanteil. Auf absehbare Zeit wird es wohl keine Shows mehr am Kabel-Eins-Vorabend geben. Die kurzfristig ins Programm genommene Corona-Kochshow lief sogar noch schlechter, weshalb man sie nach wenigen Tagen auf den Sonntagmittag verschob. "Achtung Kontrolle" bleibt daher erst einmal alternativlos, ist aber großen Schwankungen unterworfen. Zuletzt näherte sich das Format wieder der Fünf-Prozent-Marke, die bis Ende vorigen Jahres noch regelmäßig überschritten wurde. Davor hat Kabel Eins dagegen weniger Probleme: Die US-Serien laufen ebenso stabil über dem Senderschnitt wie "Abenteuer Leben täglich". "Mein Lokal, Dein Lokal" ist zwar nicht ganz so erfolgreich, sorgt aber nach wie vor für stabile Quoten.
Kann sich Frank Rosin neu erfinden?
Größere Probleme taten sich für Kabel Eins dafür in der Primetime mit Blick auf die Eigenproduktionen auf - und das allen voran beim langjährigen Sendergesicht Frank Rosin. Dessen "Rosins Fettkampf" geriet mit Staffel zwei völlig unter die Räder und auch in Sachen "Rosins Restaurants" dürften bei den Verantwortlichen inzwischen sämtliche Alarmglocken schrillen. Als man im März eine neue Staffel mitten in der Coronakrise startete, waren die Quoten unterirdisch. Aber schon Ende 2019 waren nur noch selten mehr als fünf Prozent Marktanteil drin. Für neuen Schwung könnten die Corona-Ausgaben sorgen, die demnächst zu sehen sind. Dort muss Rosin dann Herausforderungen lösen, die noch nicht schon gefühlt 100 Mal zu sehen gewesen sind.
Die Herbst-Staffel von "Achtung Abzocke" mit Peter Giesel tat sich ebenfalls schwer. Wie viel Potenzial in dem Format steckt, zeigt sich aber seit Ende Mai. Für die neuen Ausgaben läuft es nämlich deutlich besser, in der Spitze waren schon bis zu 7,9 Prozent Marktanteil drin. Weiterhin verlassen kann man sich auf die "Trucker Babes", auch wenn die Quoten am hart umkämpften Sonntagabend zuletzt rückläufig waren. Die Ableger mit Trecker- und Bus-Fahrerinnen konnten sich aber auch mit ihren jeweils zweiten Staffeln nicht etablieren. Die "Trecker Babes" sollen nun ins Netz wandern und dort fortgesetzt werden.
Überhaupt keinen Erfolg hat Kabel Eins weiterhin mit seinen Sozialdokus. "Unser Kiosk" und "Unser Bahnhof" holten zuletzt nur äußerst magere Quoten. Vielleicht wäre man beim Sender gut beraten, sich neuen Programmen zuzuwenden. Selbst RTLzwei, das diese Art der Sozialdokus vor wenigen Jahren salonfähig gemacht hat, hat inzwischen mit sinkenden Quoten zu kämpfen - und mit diesen Formaten konnte sich Kabel Eins nie messen. Vom neuen Format "Teenies allein Daheim" hat Kabel Eins nur zwei Ausgaben gezeigt. Nach einem guten Start mit 5,4 Prozent Marktanteil ging es eine Woche später auf 3,7 Prozent hinab. Erfolgs-Chancen bei einer möglichen Fortsetzung unklar.
Filme stark, neue Serien ganz schwach
Und dann wären wir auch schon bei der Fiction, die ja einen nicht unerheblichen Anteil des Kabel-Eins-Programms ausmacht. In diesem Segment konnte Kabel Eins besonders in den letzten Monaten punkten, vor allem einige Filme liefen richtig gut. Hier zeigt sich auch, wie sehr der Sender nach wie vor an US-Fiction hängt. Die Film-Erfolge zeigen aber auch, wie gefragt das Genre noch immer ist.
Wenn es um neue Serien geht, sieht das Bild schon wieder anders aus. Diese laufen inzwischen fast gar nicht mehr bei Kabel Eins - und wenn doch, dann meist ziemlich schlecht. "Navy CIS: New Orleans" springt den Zuschauern am späten Freitagabend mit Free-TV-Premieren wie Kai aus der Kiste zwischen vielen Wiederholungen entgegen und kann daher wenig überraschend gar nichts reißen. Als sich Kabel Eins im Februar und März mit "Blood & Treasure" mal an einer gänzlich neuen Serie versuchte, waren damit weniger als drei Prozent Marktanteil drin. Ansonsten sind es vor allem alte Folgen von "Navy CIS" und "Hawaii Five-0", die in der Primetime laufen - das Quoten-Ergebnis mag oft nicht spektakulär sein, doch die Programmkosten dürften sich angesichts der hohen Wiederholungsrate in Grenzen halten. Ambitioniertes Serien-Fernsehen sieht jedoch anders aus.