Vor rund viereinhalb Jahren sah die Welt noch ganz anders aus. Donald Trump war noch kein US-Präsident, das neuartige Coronavirus kannte noch niemand und Netflix war damals ein Streamingdienst im Aufbau, in den Jahren davor war der US-Dienst in Europa gestartet. Damals waren sich Experten noch nicht einig, wie sie den neuen Player zu bewerten haben. Könnte Netflix wirklich zu einem ernsthaften Konkurrenten für TV-Sender werden? Würde sich das Streaming überhaupt durchsetzen? Heute wirken solche Fragen völlig aus der Zeit gefallen.
Das zeigt aber auch ganz schön, wie schnell sich Netflix entwickelt hat - und in welchem Tempo man die Branche umgekrempelt hat. In Deutschland war man im September 2014 gestartet, wirklich angekommen ist man aber erst im Februar 2016 - eben vor rund viereinhalb Jahren. Damals kündigte Netflix mit "Dark" die erste deutsche Serie an. Die Euphorie war groß, endlich war der Umbruch auch hierzulande spürbar. Seither hat sich einiges getan. Ab sofort ist beim SVoD-Dienst die dritte und finale Staffel der Serie zu sehen, hinter der Wiedemann & Berg TV als Produzenten und Jantje Friese sowie Baran bo Odar als Showrunner stehen.
Und trotz der Tatsache, dass es sich um eine rein deutsche Serie handelt, sowohl vor als auch hinter der Kamera, wurde die Produktion ein weltweiter Erfolg. Netflix nennt zwar wie immer keine genauen Zuschauerzahlen, gibt sich aber immer stets sehr zufrieden - gerade auch mit den internationalen Abrufzahlen. Erst vor wenigen Wochen wurde "Dark" von den Usern der Bewertungs-Seite "Rotten Tomatoes" zur besten Netflix-Serie überhaupt gewählt - im finalen Voting setzte man sich haushoch gegen "Black Mirror" durch. Derzeit erlebt die Serie nach Angaben von Netflix einen Hype in Indien.
Geschafft haben die Macher das alles mit einer komplexen und düsteren Story rund um Zeitreisen (alles wiederholt sich alle 33 Jahre) und das Ende der Welt, in der nichts so ist wie es scheint. Elisabeth Doppler, gespielt von Carlotta von Falkenhayn, etwa ist unter anderem die Mutter ihrer eigenen Mutter. Und das ist nur die Spitze des Eisberges aus verwobenen und oft ziemlich undurchschaubaren Konstellationen - und alles spielt in einer kleinen deutschen Stadt. Wer sich schon die ersten beiden Staffeln von "Dark" angesehen hatte, brauchte eigentlich immer eine Art Organigramm an seiner Seite, um bei den vielen Charaktere und Familien in den verschiedenen Zeiten bzw. Welten nicht durcheinanderzukommen. Wer hier nicht aufmerksam zuschaut und auf die kurzen Sound-Bites, die einen Wechsel der Zeit ankündigen, achtet, kommt schnell durcheinander. Trotz der Komplexität weiß "Dark" wie nur wenige andere Serien, seine Zuschauer in einen Bann zu ziehen. Die Serie ist ein klassisches Beispiel für Binge Watching.
Für Netflix ist "Dark" ein "Meilenstein"
Auch im deutschen Markt hatte "Dark" Auswirkungen weit über Wiedemann & Berg TV hinaus. Die Serie habe Netflix die Augen geöffnet, wie großartig hierzulande gearbeitet werde, sagt Luegenbiehl. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von deutschen Netflix Originals - sowohl Serien als auch Filme. Und es liegen noch einige in der Pipeline, die in den kommenden Monaten veröffentlicht werden. Für Produzenten haben sich hier ganz neue Absatzmöglichkeiten ergeben, neben Netflix beauftragt inzwischen ja auch Amazon Prime Video als reiner Online-Dienst ohne großen TV-Sender im Rücken etliche deutsche Produktionen.
"Dark"-Showrunner Baran bo Odar und Jantje Friese.
Und auch für die Kreativen hinter der Kamera hat sich einiges getan. Baran bo Odar und Jantje Friese (Foto oben) hatten zuvor nur Kino gemacht, sie verantworteten unter anderem den Thriller "Who Am I". Im Anschluss an die erste Staffel war Netflix so zufrieden mit den beiden, dass das Unternehmen sie direkt an sich band (DWDL.de berichtete). Heute arbeiten sie bereits an neuen Projekten für den Streamingdienst, etwa an der Serie "1899". "Wir haben auch viele Fehler gemacht", sagte Baran bo Odar kürzlich im "Blickpunkt Film"-Interview. Das habe man aber auch erwartet. Heute sei er auch aufgrund der vielen Drehtage bei "Dark" viel entspannter als früher. "Ich war davor viel nervöser am Set, oft auch gereizter, flippte schneller aus. Jetzt weiß ich, manche Dinge brauchen ihre Zeit und dass es für jedes Problem immer auch eine Lösung gibt. Mich bringt nichts mehr aus der Ruhe."
Keine großen Auswirkungen durch das Coronavirus
Das Coronavirus und seine Auswirkungen haben die Macher übrigens nicht so stark getroffen. Kurz vor dem Lockdown wurden die Dreharbeiten abgeschlossen. "Die Kleinigkeiten, die noch zu erledigen waren, konnte ich dann auch noch unter Einhaltung strengster Sicherheitsauflagen bewerkstelligen", so Odar. Da ging es dem "Dark"-Team besser als so manchen anderen Produzenten, die ihre Produktionen unterbrechen mussten.
"Dark" hat in den vergangenen Jahren viel bewegt - für Kreative, Schauspieler und Produzenten, aber auch für Netflix selbst und viele andere Filmemacher in Deutschland. Damit hat die Serie auch das Hier und Jetzt sowie die Zukunft beeinflusst. Nun geht es aber erst einmal darum, wie die Serie endet. Dass die finale Staffel am 27. Juni veröffentlicht wird, ist übrigens kein Zufall. Dieses Datum ist in der Serie der Tag der Apokalypse. Was passiert mit den Personen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft? Können die Wurmlöcher geschlossen werden und wird der Zyklus endlich durchbrochen?
Die finale Staffel von "Dark" ist ab sofort bei Netflix zu sehen.