Wenn Klaas Heufer-Umlauf vor der Sommerpause in seiner Late-Night-Show bei ProSieben auf der Bühne sein Stand-Up absolvierte, kamen die Reaktionen der Zuschauer vom Band. Ob lautes Johlen oder verhaltenes Kichern – stets bediente sich die Redaktion aus dem schier unerschöpflichen Archiv an Lachern, das unzählige amerikanische Sitcoms im Laufe der Jahre hervorgebracht haben. Es war der kreative Umgang mit einem echten Problem, denn dort, wo sonst das Studiopublikum Platz nimmt, herrscht seit Mitte März gähnende Leere. Wie sehr Corona das Fernsehen verändert hat, zeigt sich in diesen Wochen abseits der zahlreichen Sondersendungen nirgends so deutlich wie bei den Unterhaltungsshows.
Ob "Let's dance", "The Masked Singer" oder der "Fernsehgarten": Stets stehen die Unterhalter vor der Herausforderung, eine Stimmung zu erzeugen, die im Studio gar nicht existiert. Doch jetzt, da die Lockerungen in Rekordgeschwindigkeit vorgenommen werden, scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis es wieder richtigen Applaus geben wird. Der WDR zeigte sich bereits vor Wochen einfallsreich und verlagerte die "Mitternachtsspitzen" vom Alten Wartesaal des Kölner Hauptbahnhofs kurzerhand in den Innenhof eines Wohngebiets, sodass die Zuschauer von ihren Balkonen aus zuschauen konnten.
Anfang Juni kam die Kabarettshow wiederum aus einem gut besuchten Biergarten – mit "genügend Licht und Luft für alle", wie es heißt. Tatsächlich wird in Nordrhein-Westfalen, dem Bundesland mit den meisten Produktionsfirmen und TV-Studios, inzwischen vieles längst nicht mehr so streng gehandhabt wie noch zu Beginn der Krise. So sind seit dieser Woche wieder Veranstaltungen mit bis zu 100 Teilnehmern möglich – und sofern es feste Sitzplätze gibt, muss nicht einmal mehr der Mindestabstand eingehalten werden. Wichtig ist nur, dass sich zurückverfolgen lässt, wer an den Veranstaltungen teilgenommen hat.
Was inzwischen möglich ist, zeigt der Blick in die Kölner Lanxess Arena, wo der Musiker Wincent Weiss in den nächsten Tagen mehrere Konzerte geben wird. Anstelle der sonst üblichen 20.000 Besucher werden allerdings jeweils nur rund 850 in die Halle gelassen. Nicht viel, verglichen mit dem bisherigen Veranstaltungsverbot aber ein Quantensprung. All das nährt die Hoffnung bei den Fernsehmachern, dass die leeren Ränge in TV-Shows schon bald der Vergangenheit angehören können.
Aus dem Stand seien Produktionen bis zu 100 Personen im Publikum denkbar, aufgrund der jüngsten Lockerungen vermutlich auch mehr, betont Nico Roden, der bei dem Studiobetreiber als Director Sales & Production tätig ist. Voraussetzung sei eine Tribüne, die diese Zuschauerzahl unter Einhaltung der Abstandsregeln fasst. "Für neue Produktionen hat unser Designteam um Rainer Becher bereits einige Varianten skizziert, die maximalen optischen Effekt mit Einhaltung der Abstands-Vorgaben kombinieren. Inhaltlich umfasst unser Konzeptpapier ein Zuschauerleitsystem vom Parkplatz bis ins Studio, ein Regelwerk für das Ticketing, farbige Markierungen für Laufwege und Aufenthaltszonen sowie medizinische Sichtkontrollen vor dem Einlass."
Kleine Schritte, strenge Auflagen
Konkreter sind die Planungen für "The Voice of Germany". Wenn im Juli die Blind Auditions für die neue Staffel aufgezeichnet werden, dann wird dies vermutlich vor wenigen Zuschauern geschehen, die weit voneinander entfernt sitzen, wie Karsten Roeder sagt. "Wir versuchen, verschiedene Maßnahmen der Behörden vorauszuahnen und bereiten daher unterschiedliche Modelle und diese auch wiederum in unterschiedlichen Abstufungen vor", sagt der Geschäftsführer der Produktionsfirma Talpa Germany. Das, so räumt er ein, binde jedoch "ziemlich viel Energie".
Nun hofft sie, in den kommenden Wochen wieder Zuschauer in die Studios einlassen zu können. "Aber uns ist natürlich allen klar, dass das nur in kleinen Schritten und unter strengen Auflagen möglich ist", betont die Produzentin im Gespräch mit DWDL.de. Gerade arbeite man an den Publikums-Konzepten für "Take Me Out", das im August wieder aufgezeichnet werden soll. "Wir sind auch mit der Produzentenallianz und den Kollegen aus anderen Unterhaltungsfirmen im Austausch. Die einzelnen Maßnahmen werden dann auch immer individuell auf die jeweilige Produktion, auf die Größe des Studios und auf die Einlasssituation angepasst und weiter ausgearbeitet."
"Wie eine Reha-Maßnahme"
Und doch brachte die Situation in den vergangenen Wochen keineswegs nur Nachteile mit sich. Es sei befreiend, wenn man beim Schreiben wisse, dass nicht in jeder Moderation eine klassische Pointe vorkommen muss, sagte "heute-show"-Moderator Oliver Welke gerade dem "Spiegel". "Es darf auch längere Passagen geben, die einfach nur informativ sind. Passagen, bei denen mich das Studiopublikum anschweigen würde - was für einen Moderator schwer auszuhalten ist. Ich habe jetzt also viel weniger Druck, wenn wir trockenere, aber wichtige Themen behandeln, wie zum Beispiel die verschuldeten Kommunen."
Braucht es also in Zukunft bei vielen Shows überhaupt die Zuschauer vor Ort, selbst wenn es wieder erlaubt ist? Talkshows wie "Markus Lanz" oder "Anne Will" haben schließlich auch ohne ständiges Klatschen bestens funktioniert, weil die Gespräche im Vordergrund standen. RTL-Chef Jörg Graf dachte Anfang Juni im DWDL.de-Interview bereits laut darüber nach, auch in Zukunft bisweilen auf Publikum zu verzichten. "Das ist ein Kostenfaktor und bei 'Denn sie wissen nicht, was passiert' weiß ich noch gar nicht, ob wir jemals wieder Studio-Publikum haben werden. Das hat super funktioniert mit mehr Spielfläche und so vielen Protagonisten vor der Kamera."
Gut möglich also, dass Corona das Fernsehen dauerhaft ein Stück weit verändern wird. Echter Applaus wird in nächster Zeit aber mit ziemlicher Sicherheit wieder häufiger zu hören sein. Die Chancen stehen gut, dass Klaas Heufer-Umlauf nicht für immer auf die Lacher amerikanischer Sitcoms angewiesen sein wird.