Das Coronavirus und seine Auswirkungen treffen nicht nur fiktionale Produktionen oder Unterhaltungsshows, auch Redaktionen, die Magazin-Beiträge oder Reportagen produzieren, sind in ihrer alltäglichen Arbeit derzeit stark eingeschränkt. Dort, wo Drehs in den vergangenen Wochen in der Öffentlichkeit möglich waren, mussten ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Und wenn man auf spontane Statements angewiesen war, erwies sich auch das als Herausforderung, waren die Fußgängerzonen doch deutlich leerer als üblich.
von Hirschhausen schafft's ins Krankenhaus
Und weil auch die Presseabteilungen vieler Krankenhäuser im Home Office arbeiten, ist auch hier die Möglichkeit zur Unterstützung bei der Patientensuche zurückgegangen. Dadurch hat sich für Wolf vor allem der Rechercheaufwand erhöht. Seit es die Lockerungen bei den Corona-Maßnahmen gebe, sei die Situation aber schon wieder etwas besser, sagt der Chef der Produktionsfirma. Aber nicht alle Krankenhäuser verschließen sich per se Kamerateams. Der WDR hat zuletzt Eckart von Hirschhausen für mehrere Tage an das Universitätsklinikum Bonn geschickt, damit er sich dort ansieht, wie das Personal dort mit der Krise umgeht (DWDL.de berichtete). Zu sehen gab es "Hirschhausen auf Intensiv" bereits am 12. Mai zur besten Sendezeit im WDR.
Bessere Erfahrungen als mit Krankenhäusern hat Matthias Wolf in den zurückliegenden Wochen mit niedergelassenen Ärzten und kleinen Praxen gemacht. "Viele dieser Praxen haben einen Rückgang von Patienten zu verzeichnen, so dass die Ärzte schlicht mehr Zeit und Möglichkeiten haben mit uns zu drehen." Neben den Medizin-Beiträgen, gebe es auch in anderen Bereichen Einschränkungen, betont Wolf. Vor allem im Sport-Bereich seien einige Themen weggebrochen. Auch viele Behörden wie die Polizei würden derzeit dicht machen und keine Drehs mehr zulassen, sagt Wolf.
"Kliniken und Krankenhäuser lassen aufgrund von Hygienebestimmungen nur noch sehr selten bei sich drehen – insbesondere dann, wenn es nicht um den Themenkomplex Corona geht."
Matthias Wolf, Geschäftsführer media akzent tv-produktion
Der M.E.Works-Geschäftsführer geht auch in den kommenden Monaten von Einschränkungen aus und hofft, dass es bei Monaten bleibt - und nicht noch länger andauert. "Es geht ja nicht nur um das, was erlaubt ist, sondern auch darum, wie es sich anfühlt: Wir mussten beispielsweise unsere gesamten Reiseformate natürlich erst einmal auf null herunterfahren." Bei allen Einschränkungen gehe es auch um die Vermittlung eines authentischen Lebensgefühls. Und wer will jetzt Reportagen von glücklichen Urlaubern auf Ferieninseln sehen? Für ihn gehe es in der Krise vor allem darum, die Arbeitsplätze in seinem Unternehmen zu sichern, sagt Ebel. Man frage sich daher täglich, wie man das Portfolio den neuen Realitäten, sowohl gesellschaftlich aber auch auf Senderseite, anpassen könne. Es gehe auch darum, wie man das Team, das derzeit in ganz Deutschland verstreut sei, zusammenhalten könne. "Diese Fragen immer wieder neu zu bewerten, ist echt komplex und anstrengend. Aber bislang bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden, wir halten Kurs und haben gut zu tun."
Die neue Distanz in TV-Beiträgen
"Für mein Empfinden ist das Homeoffice nicht das Modell der Zukunft."
Tita von Hardenberg, Geschäftsführerin Kobalt Productions
Probleme hat man bei Kobalt auch damit, Menschen fernab von spontanen Drehs zu fassen bekommen. Mails, Anrufe und Anfragen würden nur schleppend beantwortet werden, so von Hardenberg. "Irgendwie scheint dieser Ausnahmezustand die Menschen zu lähmen. Es ist eine Herkulesarbeit, Zusagen zu bekommen." Das liegt wohl auch daran, dass Sekretariate derzeit nur sporadisch besetzt sind und die Zuständigen hier ebenfalls Home Office machen. "Für mein Empfinden ist das Homeoffice nicht das Modell der Zukunft", sagt die Produzentin.
Drehmaterial aus dem Ausland
Kobalt produziert viele Beiträge für "Arte RE:", deshalb ist man normalerweise viel im Ausland unterwegs. Das war zuletzt fast gar nicht mehr möglich. "Das wird sich auch so schnell nicht ändern. Wir arbeiten jetzt viel mehr mit Partnern im Ausland, die uns ihr Drehmaterial schicken, das wir bei uns schneiden", sagt von Hardenberg gegenüber DWDL.de. Langfristig kann das für die Journalistin aber nur ein Notfallplan sein. Wann es aber wieder möglich sein wird, selbst im Ausland zu recherchieren und drehen weiß heute niemand sicher.
Langzeittrend: Live nach Neun
Zwar wird "Live nach Neun" vom WDR produziert, zurückgreifen kann man aber auf viele Reporter der anderen ARD-Anstalten. Das hat den Vorteil, dass diese Reporter dort sind, wo sie ohnehin wohnen und arbeiten. Sie müssen für "Live nach Neun"-Beiträge also nicht durchs ganze Land fahren. Die Themen würden sich dennoch schnell ändern, sagt Pantelous. "Beiträge von gestern, können schon überholt sein und müssen raus aus dem Programm. Wir reagieren von einem Tag auf den anderen." Durch Videoschalten könne man Gäste von einem Tag auf den anderen einladen. Insgesamt zeigt sich die Redaktionsleiterin zufrieden: "Es zeigt sich auch in der Krise, wie gut ‘Live nach Neun’ funktioniert."
Die guten Seiten der Krise
Die Magazin- und Reportage-Produzenten können der Coronakrise hier und da aber auch etwas Positives abgewinnen. Die erzwungene Distanz zum eigenen Leben schaffe mehr Klarheit, sagt etwa Tita von Hardenberg. "Wann hatten wir je diesen Luxus einmal innezuhalten und unseren Alltag zu überdenken, manche Gewohnheit zu hinterfragen? Entscheidend ist nicht das, was man vermisst, sondern das, was man nicht vermisst." Schon aus heutiger Sicht würde sie manche Priorität anders setzen als früher. Matthias Ebel von M.E.Works stellt in seinem Unternehmen einen Teamgeist fest, der noch nie so gut wie jetzt gewesen sei. Bei einem täglichen "Coffee Call" sieht man sieht digital, eine Volontärin bietet außerdem mehrmals pro Woche Yoga an. Das Arbeiten sei insgesamt weniger hierarchisch als sonst. Auch die Zusammenarbeit mit den Sendern habe sich verändert. "Ich habe den Eindruck, dass unsere Auftraggeber und wir mehr als zuvor eine partnerschaftliche Einheit bilden. Alle Seiten verstehen im Moment ohne viele Worte, wo die Herausforderungen des anderen liegen und das führt tatsächlich zu mehr Wertschätzung im Umgang miteinander", so Ebel.