Wer in den vergangenen Wochen häufiger "Markus Lanz" eingeschaltet hat, konnte den Eindruck gewinnen, dass Karl Lauterbach im Hamburger Studio des ZDF-Talkers in Quarantäne gegangen sei, so oft war der SPD-Politiker in der Sendung zu Gast. Nahezu im Wochentakt nimmt Lauterbach inzwischen Platz auf den beigen Stühlen und beantwortet geduldig all die Fragen, die Lanz ihm zur Ausbreitung des Coronavirus stellt.
Der Bundestagsabgeordnete, den der "Spiegel" vor vielen Jahren einmal als "Überall-Experten" bezeichnete, weil er sich bei jedem Thema einmische, eignet sich, oberflächlich betrachtet, als gute Grundlage für eine Karikatur. Etwa durch seinen Dialekt, der dem 57-Jährigen bereits eine mäßig lustige Radio-Satire beim WDR eingebracht hat. Oder durch seine Fliegen, die Lauterbach jedoch inzwischen immer häufiger im Schrank lässt.
Um in diesen Tagen aufzufallen, benötigt er ohnehin längst kein modisches Accessoire mehr. In der Corona-Krise ist Karl Lauterbach auch deshalb ein gefragter Mann, weil er Ahnung hat, denn bevor seine politische Karriere startete, arbeitete er als Wissenschaftler. Der Epidemiologe besitzt zwei Doktortitel, brachte unzählige wissenschaftliche Veröffentlichungen heraus und war sogar Gastprofessor in Havard. Wenn er über das Virus spricht und vor verfrühten Lockerungen warnt, spürt man, dass da jemand sitzt, dem es um die Sache geht.
So wie bei seinen zahlreichen Auftritten in der Talkshow von Markus Lanz. Mal erklärt er dem ungeduldigen FDP-Mann Wolfgang Kubicki, warum eine defensivere Strategie am Ende ein freiheitlicheres Leben bedeuten könnte als wir es derzeit erleben, ein anderes Mal entlarvt er Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, der sich bei der Diskussion um eine Wiederaufnahme des Bundesliga-Spielbetriebs offenbar längst nicht so gut eingelesen hat wie Lauterbach. Zwar lobte Kretschmer das Hygiene-Konzept der DFL, doch erst durch Lauterbach kommt heraus, dass der Landesvater entscheidende Punkte gar nicht kennt.
Kurzum: Ein echter "Überall-Experte" eben. Dass Lauterbachs Auftritte bei "Markus Lanz" besser in Erinnerung bleiben als bei dessen Talkshow-Kollegen, die den Gesundheitsexperten ebenfalls gerne einladen, hängt auch mit dem Konzept der ZDF-Sendung zusammen. Denn während bei Frank Plasberg oder Maybrit Illner in großen Runden diskutiert wird, bekommt Lauterbach bei Lanz die Gelegenheit, seine Erkenntnisse über 15 oder 20 Minuten hinweg zu erklären. Dampfplauderer haben es hier naturgemäß schwerer, weil Ahnungslosigkeit offensichtlicher wird, je länger ein Gespräch dauert.
"Eine Art 'Weekly Update'"
Bei Lauterbach ist das anders. Unermüdlich erklärt und mahnt er - und je länger man ihm zuhört, desto besser werden die Zusammenhänge, das große Ganze, deutlich. Deshalb soll Lauterbach nach dem Willen von Markus Heidemanns auch in den nächsten Wochen regelmäßig bei Lanz im Hamburger Studio sitzen. "Wann immer es möglich ist", sagt der Produzent, dem es um eine Art "Weekly Update" geht. Ein Stück weit sei die Talkshow derzeit wie eine "Fortsetzungsgeschichte" – und die lässt sich eben verständlicher erzählen, wenn zumindest ein Erklärer möglichst regelmäßig zu Gast ist.
Angereichert werden die Sendungen durch wechselnde Politiker, Journalisten und Prominente, die die Auswirkungen der Corona-Krise mit persönlichen Eindrücken schildern. So soll Geigerin Anne-Sophie Mutter in der nächsten Woche über kulturelle Aspekte sprechen und Schauspieler Til Schweiger den Blick auf die Filmproduzenten und Gastronomen lenken. Ein Ende des allabendlichen Corona-Schwerpunkts ist also vorerst nicht in Sicht.
Die Zuschauer belohnen Markus Lanz seit Wochen mit Spitzen-Quoten. Selbst wenn er erst gegen Mitternacht auf Sendung geht, schalten gerne mehr als zwei Millionen ein, darunter erstaunlich viele Jüngere. Und so ist auch der Moderator einer der Gewinner dieser Tage. Neben dem omnipräsenten Karl Lauterbach natürlich.