Eigentlich hätte das Team von Florida TV an diesem Dienstag allen Grund gehabt, sich selbst zu feiern, schließlich wurde am Vormittag öffentlich, dass die von der Berliner Produktionsfirma verantwortete ProSieben-Show "Joko und Klaas - 15 Minuten Live" mit dem ehrwürdigen Grimme-Preis bedacht wird. Getrübt wurde die Freude allerdings durch ein Video des - gerade selbst mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten - NDR-Formats "STRG_F", das die Redaktion des Politmagazins "Panorama" im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Jugendangebots funk für YouTube produziert.


In dem aktuellen Video haben sich die NDR-Journalisten die Fernsehmachenschaften von Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf genauer angeschaut und Zweifel an der Echtheit mancher Aktion geäußert, die in ihren Shows stattfinden. So habe "anhand mehrerer Beispiele der Einsatz gecasteter Laiendarsteller nachgewiesen werden" können, teilte der NDR bereits am frühen Morgen mit, als das Video noch gar nicht veröffentlicht wurde. "Auch Darstellungen von Ereignissen sind grob verkürzt oder offenbar gescripted", hieß es.

Elf Stunden später konnte man dann tatsächlich einen Blick auf die Recherchen werfen. "Wie Fake sind Joko und Klaas?", fragen die Macher von "STRG_F" gleich zu Beginn ihres Films, der nach zwei Stunden schon über 100.000 Abrufe verzeichnete. Innerhalb von rund 30 Minuten geben sie schließlich Antworten, die den Eindruck erwecken, dass bei einigen Drehs tatsächlich nicht alles mit rechten Dingen vor sich gegangen ist. So geht es etwa um einen Einspielfilm aus dem "Duell um die Welt", in dem Schauspielerin Sophia Thomalla - anders als suggeriert - nicht in einem Auto von Nizza nach Budapest gefahren wurde, sondern die Drehs in Wahrheit mehrere Wochen auseinanderlagen. Unterschiedliche lackierte Fingernägel legen diesen Schluss nahe. Die "Bild"-Zeitung hatte kürzlich bereits darüber berichtet. 

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Fragen wirft auch die Folge auf, in der Schauspieler Edin Hasanovic offenkundig einen Heißluftballon ganz alleine fliegt und landet - auch wenn dem Schweizer Bundesamt für Zivilluftfahrt versichert worden sei, dass ein Pilot immer anwesend gewesen sei. "Es war Fake", wird ein Sprecher der Behörde von "STRG_F" zitiert. Bei "Late Night Berlin" wiederum half Heufer-Umlauf bei einem vermeintlichen Tinder-Date mit, dessen angeblich ahnungslose Protagonistin sich als Schauspielerin ausgab. Mehrere Zeugen sollen ausgesagt haben, dass eine Szene mehrmals gedreht wurde, was den Schluss nahelegt, dass die versteckte Kamera nicht so versteckt gewesen ist.

Bei einer anderen Aktion wiederum, in der sich Passanten auf die sogenannte "Berlin Hype Tour" durch die Hauptstadt begaben, sollen nicht nur zufällig ausgewählte Teilnehmer dabei gewesen sein. Und dann befasst sich das NDR-Team auch noch mit dem Fall eines angeblichen Fahrraddiebstahls, bei dem ein vermeintlich Unbekannter auf frischer Tat ertappt werden sollte - dabei handelt es sich bei dem verpixelt gezeigten Dieb um einen Laiendarsteller. "STRG_F" verweist auf privates Filmmaterial, aus dem sich erahnen lässt, dass eine in "Late Night Berlin" gezeigte Szene mindestens zwei Mal gedreht worden ist. 

ProSieben kritisiert Recherche-Methoden des NDR-Teams

In einer Stellungnahme, die ProSieben am frühen Nachmittag veröffentlichte, reagierte der Sender verschnupft. So sei es "kein Geheimnis", dass in Einspielfilmen "mitunter Laiendarsteller eingesetzt werden", heißt es. Auch dies ist gängige Praxis bei der Herstellung von Unterhaltungssendungen. "Das Magazin 'STRG_F' hat augenscheinlich intensiv zu ProSieben-Unterhaltungsformaten recherchiert. Das ist ehrenwert. Die Methoden aber nicht", so Sendersprecher Christoph Körfer. "Es wurden massiv Beteiligte und Unbeteiligte unter Druck gesetzt. Es wurde wohl mit der Frage 'Kennst du jemanden, der Florida hasst?' gearbeitet. Von solchen Recherche-Methoden möchten wir uns distanzieren."

Mit Blick auf die Heißluftballon-Aktion erklärt der Sender, man arbeite "mit den höchsten Sicherheitsstandards, um das Leben unserer Protagonisten nicht zu gefährden". Das ändere nichts an der subjektiven Wahrnehmung und Bereitschaft der Protagonisten. Arne Kreutzfeldt, Geschäftsführer der für die Shows verantwortlichen Produktionsfirma Florida TV, hat sich gegenüber DWDL.de inzwischen ebenfalls dazu geäußert: "Dem Schweizer Bundesamtes für Zivilluftfahrt möchten wir auf diesem Wege versichern, dass Edin Hasanovic nie wieder einen Heißluftballon betreten wird. Erst recht nicht alleine. Denn das ist ja verboten", so Kreutzfeldt am Nachmittag.

Arne Kreutzfeldt© All3Media
Wie aber passt es zusammen, dass Hasanovic alleine im Heißluftballon stand und seine Sicherheit trotzdem nicht gefährdet gewesen sein soll? Eine konkrete Antwort darauf geben Sender und Produzenten nicht - möglich erscheint unter diesen Umständen allenfalls, dass der Ballon ferngesteuert war. Angesprochen auf den Thomalla-Film räumt Kreutzfeldt (Foto) auf DWDL.de-Nachfrage ein, dass der Stunt aus Sicherheitsgründen tatsächlich zunächst nicht wie geplant habe stattfinden können. "Wir haben uns dafür entschieden, diese zeitliche Verlegung den Zuschauern zu ersparen, da wir im Rahmen einer Unterhaltungsshow nicht logistische Hindernisse dokumentieren, sondern den Zuschauern eine spannende Vorgeschichte erzählen, die in einem realen Stunt mündet."

Danach übt sich Kreutzfeldt in Ironie. "Hätten wir geahnt, dass die Fingernägel von Frau Thomalla unseren erzählerischen Kniff verraten, hätten wir die Zuschauer selbstverständlich mit den lückenlos dargelegten Reisedetails gelangweilt." Zugleich verteidigt der Florida-TV-Chef auch den Tinder-Dreh, den "STRG_F" moniert. "Obwohl Liebe ja bekanntlich blind macht, wurde die Protagonistin Hannah angesichts der Vielzahl der skurrilen Szenen im Verlauf des Drehs 'Tinder Date Prank' stutzig, was sie auch im Beitrag deutlich gemacht hat. Dass Hannah als Schauspielerin arbeitet wurde im Beitrag erzählt und stellt unserer Kenntnis nach keinen Grund dar, sich nicht verlieben zu dürfen."

"Der NDR legt journalistische Standards an die Arbeit von Unterhaltungsproduzenten an."
Arne Kreutzfeldt, Geschäftsführer Florida TV

Für die "Berlin Hype Tour" wiederum habe man neben spontanen Passanten auch ganz öffentlich Teilnehmer gesucht. "Dies geschieht, um sicherzustellen, dass ausreichend Teilnehmer zur Verfügung stehen, die bereit sind sich filmen zu lassen. Sie wussten nicht, was auf der satirischen Secret Hype Tour redaktionell für sie vorbereitet wurde", betont Arne Kreutzfeldt auf DWDL.de-Nachfrage. "Der Vollständigkeit halber legen wir darüber hinaus offen: Die circa vier Kilogramm Kokain im Drogenlabor beim Einspieler 'Berlin Hype Tour II' waren in Wahrheit nur Mehl."

Tatsächlich wirkt manches, was das NDR-Team in seinem Beitrag aufdeckt, auf den zweiten Blick gar nicht mehr so aufregend wie es die zunächst verschickte Pressemitteilung erscheinen lässt, schließlich fördern die meisten Enthüllungen allenfalls die Illussion zutage, mit denen Shows wie jene von Joko und Klaas spielen. "Der NDR legt im vorliegenden Fall journalistische Standards an die Arbeit von Unterhaltungsproduzenten an", kritisiert Kreutzfeldt. "Das treibt mitunter seltsame Blüten, wenn wir uns plötzlich mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, beispielsweise eine Autofahrt von Frau Thomalla nicht chronologisch dokumentiert zu haben. Zumal es wohl kaum einem Zuschauer verborgen geblieben ist, dass bei 'Duell um die Welt'-Filmen seit jeher im Rahmen der Vorgeschichte fiktionale Elemente und filmische Referenzen mit einfließen."

"Satirischer Ansatz hätte deutlicher gemacht werden müssen"

Während die Inszenierung von Thomallas Fahrt wohl eher handwerklich unsauber umgesetzt wurde, ist vor allem der "Late Night Berlin"-Film zum Thema Fahrraddiebstahl ärgerlich - weil hier eben kaum deutlich wird, dass der Zuschauer Zeuge einer Inszenierung wird. ProSieben verweist darauf, dass die "humoristische Sensibilisierung für das Thema" Ziel des Beitrags gewesen sei, und erklärt, dass Drehs mit versteckter Kamera "aus produktionstechnischen Gründen häufig entweder mit Einverständnis der Protagonisten oder einem Ersatzprotagonisten, sogenannte Schnittbilder nachgedreht" würden.

Dass der gezeigte Dieb gar nicht echt war, hat allerdings mit Schnittbildern wenig zu tun, zumal der gesamte Film darauf abzielt, ein Verbrechen mit versteckter Kamera sichtbar gemacht zu haben. Gerade darin liegt ja der Reiz. Auch ProSieben räumt hier einen Fehler ein - zumindest zaghaft. "Selbstkritisch möchten wir anfügen, dass in diesem Fall der satirische Ansatz des Filmes womöglich deutlicher gemacht hätte werden müssen", erklärt der Sender. "Die Redaktion und die Produktion waren jedoch davon ausgegangen, dass ein Feuerschlucker, eine zirka vier Meter große Frau und ein Kirchenchor ausreichend Hinweis darauf liefern würden."

Fake bei Late Night Berlin?

Screenshot STRG_F

Was also bleibt von den erhobenen Vorwürfen übrig? Nun, um einen zweiten Relotius-Fall handelt es sich ganz sicher nicht. Schon alleine, weil den ProSieben-Shows kein journalistischer Auftrag zugrundeliegt. Auch dass viele Hinführungen im "Duell um die Welt" inszeniert wurden, ließ sich stets erahnen - und man konnte sie auch deshalb gut akzeptieren, weil der eigentliche Kern, nämlich die zu bewältigenden Aufgaben, echt wirkten. Womöglich wären die Macher also gut beraten, sich in Zukunft ein Stück weit mehr in die Karten schauen zu lassen, um dem Fake-Vorwurf von Beginn an entgegenzutreten. 

Das gilt erst recht für Einspielfilme, in denen sich mit vermeintlich versteckter Kamera gefilmte Protagonisten als Eingeweihte entpuppen oder Darsteller engagiert werden, die zufällig angesprochene Passanten mimen sollen. Allem Spaßfaktor zum Trotz raubt das den Einspielfilmen die Authentizität, weil Realität und Fiktion verschwimmen und die Aktionen auf diese Weise mehr mit Scripted Entertainment zu tun haben als mit lustigen Streichen. Fraglich auch, ob den Verantwortlichen als Reaktion auf die Recherche stellenweise nicht etwas mehr Selbstkritik und Ernsthaftigkeit gut zu Gesicht gestanden hätte. 

Und vielleicht wären auch Joko und Klaas selbst gut beraten gewesen, sich zu den durchaus schwerwiegenden Vorwürfen zu äußern. Denn was auch immer dran sein mag: Ein etwas fader Beigeschmack bleibt. Auch wenn das "Duell um die Welt" und "Late Night Berlin" am Ende bleiben, was sie sind: Fernsehshows, die das Publikum unterhalten wollen. Mit allen Mitteln, die der Unterhaltung zur Verfügung stehen.

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