In den vergangenen vier Jahren hat die ZAK insgesamt 79 Beanstandungen aufgrund von Werbeverstößen an verschiedene Sender ausgesprochen. Ganz vorne liegt Sport1 mit 15 Beanstandungen, das zeigt eine DWDL.de-Auswertung der Jahre 2016 bis 2019. Kein anderer Sender kommt auch nur annähernd auf so viele Beanstandungen wie Sport1. Auf Rang zwei rangiert Sat.1 mit acht Beanstandungen, dahinter wurden ProSieben und RTLzwei jeweils sieben Mal gerüffelt.
Bei den großen Sendergruppen führt ProSiebenSat.1 das Ranking mit 24 Beanstandungen an, die Mediengruppe RTL kommt lediglich auf neun Rüffel. Die Liste mit den Beanstandungen ist öffentlich einsehbar, teilweise kommen die Sender auf eine andere (geringere) Zahl an Beanstandungen. So zählt die ProSiebenSat.1-Gruppe derzeit 22 Beanstandungen, bei RTLzwei sind es sechs. Das kann einerseits daran liegen, dass die entsprechenden Entscheidungen der ZAK noch nicht bei den Sendern eingegangen sind, oder die Sender gegen die Beanstandungen prozessieren.
In jedem Fall steht fest: Sport1 war in den vergangenen Jahren der größte Werbesünder. Zu den 15 Beanstandungen hinzu kommen noch sechs festgestellte Rechtsverstöße - auch in dieser Kategorie führt Sport1. Ein "festgestellter Rechtsverstoß" wiegt allerdings nicht so schwer wie eine Beanstandung und wird bei erstmaligem Vergehen ausgesprochen. Doch warum liegt Sport1 als kleiner Spartensender an der Spitze der beiden Rankings? "Das liegt im Vergleich zu Medien mit einem anderen Programmangebot auch darin begründet, dass Sport1 durch sein großes Live-Angebot mit rund 1.700 Stunden jährlich allein im Free-TV und einer Eigenproduktionsquote von rund 80 Prozent sehr individuelle Kommunikationslösungen für Werbekunden bieten kann", heißt es vom Sender auf Anfrage von DWDL.de.
Sport1: "Interne Prozessfehler" wurden behoben
Diese auf die jeweiligen Kunden zugeschnitten Werbemaßnahmen würden in Einzelfällen aufgrund ihrer Neuartigkeit auch ein "erhöhtes Risiko im Rahmen der Prüfung durch die zuständigen Behörden" bergen. Die meisten Beanstandungen kassierte Sport1 zwischen 2016 und 2019 aufgrund von Verstößen gegen das Werbetrennungs- und Kennzeichnungsgebot (6) sowie wegen Gewinnspielen (5). Der Sender spricht von "internen Prozessfehlern", die es in der Vergangenheit aufgrund von kurzfristigen Programmentscheidungen gegeben habe. Diese seien aufgearbeitet worden, um eine Wiederholung auszuschließen.
Grundsätzlich heißt es vom Sportsender, dass man die Werberichtlinien und die Entscheidungen der ZAK anerkenne und keine Kritik daran übe. Das sehen aber nicht alle Sender so, die von der Kommission in den vergangenen Jahren gerüffelt wurden. ProSiebenSat.1 etwa erklärt gegenüber DWDL.de, dass man derzeit gegen neun Beanstandungen aus den Jahren 2016 bis 2019 prozessiere, da man die Entscheidungen der ZAK für rechtswidrig halte. "Werbebestimmungen sind nicht immer eindeutig formuliert, ziehen manchmal unterschiedliche Rechtsauffassungen nach sich bzw. lassen Interpretationsspielraum", heißt es von der Sendergruppe. Da geht es dann um die Interpretation des Rundfunkstaatsvertrags. Wenn dort steht, dass eine Ankündigung einer Dauerwerbesendung "zu Beginn" zu erfolgen hat, heißt "zu Beginn" dann wirklich zu Beginn oder "vor Beginn", so wie es die ZAK auslegt? ProSiebenSat.1 will das 2020 höchstrichterlich klären lassen.
"Werbebestimmungen sind nicht immer eindeutig formuliert, ziehen manchmal unterschiedliche Rechtsauffassungen nach sich bzw. lassen Interpretationsspielraum"
ProSiebenSat.1-Sprecherin
Grundsätzlich ist man in Unterföhring der Meinung, dass die Anzahl der Rügen durch die ZAK gering ist. "Die gesamte Sendergruppe ProSiebenSat.1 strahlt im Laufe eines Fernsehjahres etwa 50.000verschiedene Spotmotive aus. Die Zahl derer Einsätze liegt noch deutlich darüber." Innerhalb der vier Jahre habe man aber nur 29 Rügen (22 Beanstandungen und sieben festgestellte Rechtsverstöße) erhalten. Die im Vergleich zur Mediengruppe RTL recht hohe Anzahl der Beanstandungen resultiere auch daraus, dass pro Sender unterschiedliche Aufsichtsbehörden zuständig seien. "Heißt konkret: Für unsere sechs Free-TV-Sender waren bis Ende 2019 sechs unterschiedliche Landesmedienanstalten zuständig. Wenn ein Spotmotiv als unzulässig gewertet wird, aber bereits auf sechs Sendern ausgestrahlt wurde, wird dies auch sechs Beanstandungen nach sich ziehen." Eigentlich gehe es dabei aber nur um ein Motiv.
Dass es sich durchaus lohnt, gegen die Entscheidungen der ZAK zu prozessieren, haben Sat.1 und ProSieben in der Vergangenheit bereits bewiesen. So klagte Sat.1 erfolgreich vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen eine ZAK-Entscheidung über angeblich unzulässige Produktplatzierung, ProSieben setzte sich juristisch im Streit um angebliche Schleichwerbung in einer Reportage durch. Eine Beanstandungsquote von null werde man wohl nie erzielen, räumt man bei ProSiebenSat.1 ein. Man unternehme aber täglich Anstrengungen, um den Vorgaben zu entsprechen. "Mehrere Fachabteilungen prüfen eventuell kritische Werbemotive vor Ausstrahlung und wir sind in ständigem Dialog mit den Werbetreibenden und Agenturen. Unsere Mitarbeiter werden ständig im Hinblick auf werberechtliche Anforderungen geschult."
Nicht immer lohnt sich eine juristische Auseinandersetzung
Nicht immer aber macht eine Klage gegen eine Entscheidung der ZAK Sinn. Die juristische Klärung verursacht schließlich auch immer Kosten und eine Beanstandung durch die ZAK ist erst einmal keine sehr große Sache. Die Sender müssen lediglich dafür Sorge tragen, dass der Verstoß nicht noch einmal passiert. "Ob wir gegen Beanstandungen Rechtsmittel einlegen, unterliegt einer individuellen Abwägung zwischen Kosten und Nutzen, daher haben wir verschiedene Beanstandungen akzeptiert", heißt es von RTLzwei gegenüber DWDL.de. Doch auch der Sender prozessiert gerade gegen eine Entscheidung der Kommission. Dabei handelt es sich um eine Beanstandung zu Hinweisen auf Begleitmaterialien. "Hier glauben wir, dass die Praxis der Landesmedienanstalten bisweilen zu restriktiv ist." Da geht es um die Frage, ob entsprechendes Begleitmaterial Teil eines Werbeblocks ist oder nicht.
Andere Entscheidungen dagegen sind eindeutig. Als RTLzwei vor rund einem Jahr wegen der Ausstrahlung eines Berichts in seinen Nachrichten gerügt wurde, weil dort das Opfer eines Unfalls zu sehen war, räumte man diesen Fehler schnell ein (DWDL.de berichtete). Selbstverständlich, heißt es von RTLzwei, sei es das Ziel, Rechtsverstöße zu vermeiden. "Sechs Beanstandungen über einen Zeitraum von vier Jahren entsprechen 1,5 Beanstandungen pro Jahr im Durchschnitt. Wir halten dies nicht für eine Zahl, die Anlass zu grundsätzlichen Bedenken gibt. Zudem ist eine der sechs Beanstandungen nicht bestandskräftig, weil gegen diese eine Klage läuft."
Neben der recht harmlosen Beanstandung kann die ZAK auch noch eine Beanstandung mit Bußgeld verhängen sowie eine Beanstandung mit Untersagung. Letzteres hat man 2018 gegenüber einigen Video-Formaten von Axel Springer getan - doch auch diese sind 2020 noch auf Sendung. Springer prozessierte bis zum vergangenen Herbst gegen die Entscheidung, wird nun bald aber wohl doch eine Rundfunklizenz beantragen (DWDL.de berichtete). Das zeigt aber schon: Eine Beanstandung mit Untersagung zieht nicht zwangsläufig das Aus der Formate nach sich. Zwischen 2016 und 2019 gab es lediglich eine Entscheidung, bei der ein Sender ein Bußgeld wegen mehrerer Gewinnspielverstöße zahlen musste. Das war schon 2016 und der Sender hieß: Sport1.