Es ist inzwischen gute Tradition, dass der Privatsenderverband Vaunet einmal jährlich zum Pressegespräch lädt, um über die Entwicklung des hiesigen Pay-TV-Marktes zu informieren – garniert mit einigen Kennzahlen. Von rund neun Millionen Kunden ist die Rede und von Umsätzen in Höhe von circa vier Milliarden Euro, die klassische Pay-TV- und Paid-Video-on-Demand-Angebote im Jahr 2018 in Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz erwirtschafteten – wovon auf SVOD inzwischen etwa 1,1 Milliarden entfallen. Für das laufende Jahr wird mit einem weiteren Anstieg um rund 13 Prozent auf 4,5 Milliarden Euro gerechnet.
So weit die Fakten – oder zumindest das, was Vaunet den Journalisten zum Frühstück servierte. Denn ganz genau sind die präsentierten Zahlen nicht, und sie sind auch nur bedingt vergleichbar. Während beim Umsatz Schätzwerte von Diensten wie Netflix oder Amazon einfließen, werden diese Anbieter bei den Abonnenten-Zahlen nicht eingerechnet. Klar scheint aber, dass das große Wachstum im Pay-Markt längst nicht mehr vom Platzhirsch Sky ausgeht, der sich inzwischen ohnehin nicht mehr so gerne in Karten schauen lässt.
Frank Giersberg, der als Mitglied der Vaunet-Geschäftsleitung an diesem Vormittag nach München gekommen ist, wertet die Entwicklung positiv. Er spricht von einer "Erfolgsstory" und betont die "starke Nachfrage nach hochwertigen Inhalten" sowie eine "stetig steigende Zahlungsbereitschaft". Doch was von diesem Pressegespräch vorwiegend hängen bleibt, ist der Eindruck, dass jeder Anbieter derzeit am liebsten sein eigenes Süppchen kocht. Besonders deutlich wird das, weil nicht nur Vertreter klassischer Pay-TV-Sender am Tisch sitzen, sondern auch Jan Wachtel und Nicole Agudo Berbel.
Holger Enßlin, der als Geschäftsführer Legal, Regulatory & Distribution bei Sky Deutschland arbeitet, wertet den jüngsten Eurosport-Deal mit DAZN dagegen positiv, schließlich könnten Sky-Kunden sämtliche Bundesliga-Spiele fortan immerhin auf ein- und demselben Gerät konsumieren. Gemeint ist die Sky-Q-Plattform, auf der der Liga-Neuling DAZN vertreten ist, nicht aber die Streaming-Angebote von RTL und ProSiebenSat.1. Umgekehrt ist es ähnlich: Wer Sky sehen will, wird weder bei TVNOW noch bei Joyn fündig. Man habe zwar "keine Berühungsängste", doch noch stecke Joyn ja in den Kinderschuhen, sagt Enßlin. Der Streamingdienst Sky Ticket bleibt daher dort erst mal außen vor.
"Kooperationen werden alle weiterbringen."
Chief Distribution Officer & EVP Digital Publishing bei ProSiebenSat.1
ProSiebenSat.1 wiederum hätte auch gerne die RTL-Sender im Boot. "Kooperationen werden alle weiterbringen", beschwört Agudo Berbel, kann Jan Wachtel aber vorerst nicht zum Strategieschwenk bewegen. Dabei steht kaum zu erwarten, dass der Pay-TV-Bereich in wenigen Jahren exakt so aussehen wird wie heute. "Ich kenne keinen Markt, in dem man nicht irgendwann in eine Konsolidierungsphase kommen wird", betont Wachtel, der den Streaming-Markt als "wahnsinniges Mekka" preist, das unzählige Chancen biete. Angst, dem klassischen TV-Geschäft damit zu schaden, hat er nicht: "Wenn wir uns nicht kannibalisieren, dann macht es jemand anderes."
Wie schnell sich das Geschäft verändern kann, lässt sich derzeit aber wohl am besten bei Sky beobachten, das inzwischen der NBC-Mutter Comcast gehört. "An der Strategie ändert sich erst mal nichts", beteuert Holger Enßlin, angesprochen auf den neuen Eigentümer, der ebenso wie Katharina Behrends die Synergien herausstellt. Enßlin und die mächtige Frau von NBC Universal werden sich künftig häufiger über den Weg laufen, schließlich ziehen die Betreiber von 13th Street, Syfy und Universal TV in der kommenden Woche in die Nachbarschaft nach Unterföhring – ein erster Schritt hin zum neuen Gemeinschaftsgefühl.
Behrends, die zugleich den Pay-TV-Arbeitskreis bei Vaunet leitet, erwartet auch künftig verstärkte Investitionen in Eigenproduktionen. "Das kreative Potenzial treibt das Pay-TV-Wachstum", lässt sie wissen. Offen bleibt die Frage, welcher Getriebene am Ende möglicherweise auf der Strecke bleiben wird.