Aber der Reihe nach: Im Sommer 2010 erfolgte erst einmal der Umzug vom alten Premiere-Sitz direkt am S-Bahnhof Unterföhring die Straße runter in die neue Zentrale. Das Gebäude wurde einst noch geplant von Williams' Vorvorgänger Georg Kofler. Fun Fact: Intern sprach man zunächst von der Premiere-Arena. Angesichts der spitzfindigen kurzzeitigen Konkurrenz durch den von Unitymedia aus dem Boden gestampften Pay-TV-Anbieter Arena, sprach man jedoch schnell lieber vom Ufo.
Von einer schwarzen Null in den Quartalszahlen war die Sky Deutschland AG 2010 bzw. 2011 noch weit entfernt. Doch die Richtung stimmte plötzlich. Sky Deutschland bekam die Kündigungsquote in den Griff, wenn auch auf altbekanntem Wege: Die Rabatte waren zurück. Nicht so massiv wie einst, aber ohne ging es eben doch nicht. Im Jahr 2012 begann dann auch die finanzielle Wende: Im 2. Quartal wies Sky Deutschland erstmals einen operativen Gewinn aus. Wie spektakulär das war, zeigt ein Blick in die Historie von Vorgänger Premiere, dem das nur einmal in 19 Jahren gelang. Im 3. Quartal geling es dann gleich nochmal.
Mit unbeirrbarem Optimismus startete Brian Sullivan im Dezember 2011 auch den Sportnachrichten-Sender Sky Sport News HD, der anfangs als teuerste Bewerbung um die Bundesliga-Übertragungsrechte belächelt wurde. Manche Branchenbeobachter sahen in dem Sender zunächst nicht mehr als den temporären Versuch, der DFL im Bundesliga-Poker zu verdeutlichen, wie ernst man es meint mit dem Sport bei Sky. Aber Sky Sport News HD sendet heute immer noch.
Bemerkenswert war zeitgleich, wie Sky - ganz anders als Premiere zuvor - als Lifestyle-Marke wahrgenommen wurde. Sky war sexy, wo Premiere problematisch war. Rückblickend lässt sich sagen: Kaum ein Rebranding im deutschen Mediengeschäft war so effektiv und erfolgreich wie jene Entscheidung im Frühjahr 2009 als es beinahe absurd wirkte, angesichts von schwierigen Finanzen so viel Geld für eine Umbennung ausgeben zu wollen. Es war, das lässt sich heute sagen, die richtige Flucht nach vorne. Die schwarzen Zahlen aber, sie waren 2012 aufs Jahr noch nicht zu halten.
Ohne große Ankündigungen, aber mit viel Tempo brachte Sky in den Jahren 2013 und 2014 eine Vielzahl von Angeboten auf den Markt, die mitunter zur totalen Verwirrung führte. Eigene Ideen gemixt mit Angeboten, die es in Großbritannien schon gab und jetzt auch in Deutschland starten sollten. Erinnern Sie sich etwa noch an Snap by Sky? Es sollte vor fünf Jahren mal werden, was man heute unter Sky Ticket kennt. Angetrieben vom Serien-Boom der amerikanischen Kabelsender, nahmen auch die jahrelang beteuerten Ambitionen, ernsthaft in die Eigenproduktion einzusteigen, endlich Formen an.
Auf Jahressicht klappte es 2013 dann jedoch, anders als von Sullivan erhofft, doch nicht mit der schwarzen Null. Auch 2014 wurde daraus nichts. Aber alle Indikatoren, inbesondere ein stetiges Abonnentenwachstum, ließen den Schluss zu: Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. Brian Sullivan hatte es geschafft. Die Story von Sky war plötzlich die einer Erfolgsstory. Tatsächlich: Im Geschäftsjahr 2015/16 schaffte Sky Deutschland dann zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Pay-TV-Champion einen Gewinn auf Jahressicht, wenn auch nur fünf Millionen Euro.
Doch als diese Erfolgsmeldung im Juli 2016 kam, war Brian Sullivan schon nicht mehr an Bord. Im Juni 2015 nahm Sullivan in Unterföhring Abschied. Er hatte als stiller Lenker an der Spitze das Unmögliche geschafft und ist, mag man heute ergänzen, vielleicht auf dem Höhepunkt gegangen. 2014 und 2015 - es waren die Jahre der großen Euphorie im deutschen Pay-TV. Angetrieben durchs Wachstum investierten viele Bezahlsender so viel wie nie in eigenen Content. Sky zögerte deutlich länger als etwa TNT Serie, aber kündigte dafür im Oktober 2014 die Mammut-Produktion "Babylon Berlin" in Koproduktion mit der ARD an.
Sullivan übergab an Carsten Schmidt, der bis heute die Geschicke von Sky Deutschland führt, das allerdings seit September 2015 vollintegriert ist in die englische Mutter. Aus der Sky Deutschland AG wurde die Sky Deutschland GmbH. Anfang 2015 fragte DWDL.de bereits in einem Artikel "Welche Rolle spielt der Standort Unterföhring für Sky?" Wenige Monate vor Bekanntwerden seines Ausscheidens lachte Sullivan noch über die Frage, ob er jetzt nur noch bayerischer Filialleiter sei. Die folgenden Jahre verdeutlichten dann, wie sehr Sky Deutschland inzwischen aus London gesteuert wird.
Die Zentralisierung des Sky-Geschäfts ist aber nur einer der beiden Aspekte, die nach der Euphorie der Jahre 2014 und 2015, die Entwicklung von Sky maßgeblich prägte: Im Spätsommer 2014 startete Netflix in Deutschland und mischte den Markt für Bezahlfernsehen auf. Ohne Vertragslaufzeiten und mit einer Vielzahl von exklusiven Serien bekam der gerade auf dem Weg in die Profitablität befindliche Pay-TV-Marktführer neuartige Konkurrenz. DWDL.de schrieb im Herbst 2014: "Sky in der Netflix-Falle". Gemeint war: Gerade hatte man es zum ersten Mal geschafft, mit hochpreisigem Pay-TV schwarze Zahlen zu schreiben, da greifen SVoD-Dienste mit Niedrigpreisen an. Beinahe tragisch.
Es war damit einmal ein interner, einmal ein externer Faktor, der die Entwicklung von Sky Deutschland der vergangenen drei Jahre prägte. Intern merkt man, wie von der optischen Verpackung über Wordings bis zu Produkten das britische Angebot adaptiert wird. In Großbritannien geplant, in Deutschland nur noch umgesetzt. Sinnvollste Neuerung war 2018 die klare Neuaufstellung des Angebots in das Premiumangebot Sky Q einerseits und der Netflix-Antwort Sky Ticket andererseits. Man kann davon ausgehen, dass man es auch in Deutschland gerne - wie in Großbritannien - Now TV genannt hätte. Das jedoch verträgt sich markentechnisch nicht mit dem von der Mediengruppe RTL Deutschland etablierten TV Now.
Mit starken Serien-Erfolgen wie "Babylon Berlin", "Das Boot" und "Der Pass" überzeugte Sky zuletzt in erster Linie inhaltlich. Es sind die großen Erfolge von Carsten Schmidt (Foto) und seinen Content-Kollegen Elke Walthelm und Marcus Ammon. Eigene, exklusive Inhalte haben deutlich an Bedeutung gewonnen, was sich auch in der Trennung von diversen Drittsendern spiegelt, die man jahrelang transportiert hatte. Im intensiveren Wettbewerb der Bezahlangebote hat sich Sky dazu entschieden, mehr Content-Anbieter als Plattform zu sein. Jene Zwitter-Rolle war jahrelang ein Balance-Akt. Es war nie ganz zu durchschauen, ob Sky wirklich Freund oder Feind sein wollte.
"Geht es Sky gut, geht es allen gut", war das Mantra des langjährigen Kommnuikationschefs Wolfram Winter. Doch die Abhängigkeit von Sky wurde beim Kurswechsel manchem unabhängigen Pay-TV-Anbieter zum Verhängnis. Wer sich zu sehr auf Sky verlassen hatte, war plötzlich verlassen. Die übergreifende euphorische Stimmung der Pay-TV-Branche aus den Jahren 2014 und 2015 - sie ist schon wieder vorbei. Es wird mit härteren Bandagen gekämpft. Immerhin: Die Bezahlbereitschaft des Fernsehpublikums war nie höher als heute. Es gibt nur mehr Auswahl als je zuvor.
Und schon die kommenden Monate werden den Wettbewerb verschärfen: Mit AppleTV+ und Disney+ starten zwei weitere internationale Streamingdienste, Warner Media will 2020 nachziehen. Die früher allein werbefinanzierten Wettbewerber - Mediengruppe RTL Deutschland und ProSiebenSat.1 Media SE - wagen sich ebenso in den SVoD-Markt vor. Der externe Druck wird also größer. Und intern? Da wird man abwarten müssen, wie viel Entscheidungsgewalt am Ende in der Unterföhringer Filiale verbleibt. Carsten Schmidt hält bislang tapfer und mit Zuversicht die Stellung.
Unternehmensprüfer checken seit Wochen mögliche Sparmaßnahmen im Haus. Sie sind geschickt von der britischen Sky-Zentrale und haben dafür gesorgt, dass einige Mitarbeiter, darunter mit Sebastian Hauptmann, Roman Steuer und Ralph Fürther auch mehrere Führungskräfte gehen mussten, egal wie sehr man das beidseitige Einvernehmen auch betont. Während hier im Namen von Sky in London optimiert wird, geht die latente Sorge um, dass der neue Eigner von Sky - Comcast - schon die nächste Optimierungsrunde im Sinn haben könnte. Groß gefeiert wird zum 10. Geburtstag von Sky in Deutschland nicht. Es ist ein vergleichsweise stilles Jubiläum angesichts der bewegten Zeiten.
Aber bewegte Zeiten liegen für Sky Deutschland ja quasi in der DNA. Die Achterbahnfahrt des Pay-TV-Anbieters geht also weiter und so mancher Looping wird noch kommen. Sky Deutschland könnte auch diese meistern, weil man seit dem Rebranding 2009 immerhin so viel Fahrt aufgenommen hat, wie es damals im Vorfeld keiner für möglich hielt.