"Hast du das denn im Original geschaut? In der Synchro geht so viel verloren" – Sätze wie diese gehören in einer Unterhaltung zur neuesten Fernsehserie zu jedem gut organisierten Bullshit-Bingo. Wer etwas auf sich hält, schaut sich die neueste HBO-Serie so an, wie es die Macher beabsichtigt haben. Doch warum gibt es das Geschäft der Synchronisation dann überhaupt, wenn es die Kunst scheinbar verfälscht? Wann wurden die Grundsteine dafür gelegt, dass sich Deutschland zu der wohl größten Synchronnation der Welt entwickelte?
Vorweg eine interessante Tatsache: Als sich der Stummfilm Ende der 20er-Jahre nach und nach von der Bildfläche verabschiedete, um Platz für die ersten Tonfilme zu machen, war das deutsche Publikum zunächst alles andere als begeistert. Die ausländisch synchronisierten Filme wurden in den anfänglichen 30er-Jahren noch unter Bedingungen erstellt, die technisch, gelinde gesagt, katastrophal waren. Vor allem in Bezug auf Bild-Ton-Synchronität musste der Zuschauer einige Abstriche zum Original machen. Hinzu kam die schiere Skepsis gegenüber der Tatsache, dass die einstigen Stummfilmhelden plötzlich angefangen haben, sich zu artikulieren. Die internationalen Darsteller sprachen außerdem deutsch, was für viele erstmal eine Sache der Gewöhnung war.
Technisch gesehen war der Übergang zu komplett vertonten Filmen eigentlich kein unvorbereiteter – das Kino war nie stumm. Um jegliche Knarz- und Rattergeräusche der Vorführmaschinen zu übertünchen, wurden Stummfilme bereits kurz nach der Erfindung des Bewegtbildes mit Musik begleitet. Dafür wurden Schallplatten abgespielt, die synchron zum Bild liefen, oder Pianisten eingesetzt, die das Geschehen live untermalten. Dabei hatte der Pianist nicht nur die musikalische Aufgabe zu meistern, sondern auch die erzählerische. Er kommentierte, was gerade im Film vor sich ging.
Die drei Arten der Übersetzung: Synchronisation, Untertitelung und ungewöhnliche Remakes
Eine gewisse Vorbereitung zur hundertprozentig synchronisierten Produktion war also schon vor dem Tonfilm gelegt. Dennoch dauerte es einige Jahre, bis sich die Branche etablierte und die frischen Begebenheiten von den Zuschauern akzeptiert wurden. "Das ist ein kultureller Lernprozess, bei dem das Publikum in gewissem Sinne vergessen können muss, dass derjenige, der spricht, eben nicht identisch ist mit demjenigen, den sie auf der Leinwand sehen", fasst es der Film- und Fernsehwissenschaftler Joseph Grancarz vor einigen Jahren in einer Sendung des Deutschlandfunk Kultur zusammen.
Die Hauptprozedur bestand daraus, die insgesamt drei Arten der Übersetzung in ihren Pros und Contras auszuloten. Die da wären: Synchronisation, Untertitelung und die sogenannte Sprachversion. Während sich die beiden erstgenannten schnell von selbst erklären, ist die Sprachversion ein möglichst exaktes Remake des Films für die jeweilige Landessprache. Dafür wurde in den gleichen Kulissen mit den gleichen Machern hinter der Kamera die gleiche Geschichte erzählt. Lediglich Muttersprachler nahmen die Plätze der Originaldarsteller ein, wenn diese nur eine Sprache sprechen konnten.
Dies wurde einige Zeit lang ebenso praktiziert, wie die Synchronisation und Untertitelung – nur, dass die Kosten und der Aufwand in absolut keiner Relation zu den Einspielergebnissen standen. Ende der 50er Jahre wurde diese Art der Übersetzung deswegen gänzlich begraben. Heutzutage würde so etwas mit all den Special Effects finanztechnisch sogar noch weniger Sinn ergeben. Auch die Untertitelung tat sich in diesen Jahren schwer, da die Zuschauer bemängelten, dass man sich so kaum auf die Bilder konzentrieren könne. Mit den heutzutage bekannten Remakes, von denen vor allem die Amerikaner Fan sind, haben die Sprachversionen übrigens nicht viel gemein. Diese entstehen in komplett neuen Sets und halten sich mit ihren stilistischen Mitteln nur noch wage an das Original.