Serien-Festival in Berlin ist nur zwei Mal im Jahr. Nachdem bereits im Februar die Drama Series Days im Rahmen der Berlinale zum Branchen-Treff lud, findet aktuell die nunmehr dritte Ausgabe des TV Series Festivals in der Nähe des Hackeschen Marktes. Aufgebaut ist die vom Produzenten Mark Olan Dreesen erdachte Veranstaltung in zwei grobe Abschnitte: Während in der ersten Hälfte in Konferenzmanier Vorträge und Diskussionen gehalten werden, konzentriert sich das Wochenende auf Master Classes mit prominenten Gästen. Abgerundet wird das durch internationale Serien-Screenings, die größtenteils ebenfalls am offiziellen Festival-Wettbwerb teilnehmen.
Autoren in Deutschland: Der Nachwuchs wird (noch) falsch erzogen
Eines der Highlights des ersten Tages war der Auftritt von Constantin-Produzent Oliver Berben, der ein flammendes Plädoyer für Kreativität hielt. "Schaffe eine sichere Umgebung für deine Autoren und lass sie sich entfalten", sagt er im Gespräch mit "Magda macht das schon"-Schöpfer Sebastian Andrae. "Dabei sollten wir sie nicht dazu bewegen, etwas aus Amerika kopieren zu wollen, sondern originären Content zu schaffen." Dass in Deutschland schlechtere Autoren beheimatet sind, als Übersee, sieht Berben nicht so. "Wir haben tolle Autoren. Wir müssen sie nur entfesseln.“ Im gleichen Atemzug kritisiert er damit auch unsere Filmschulen, die den Nachwuchs noch nicht genügend und angemessen auf die Zukunft vorbereiten. "Aber ich sehe eine langsame Veränderung. Und ich sehe Hoffnung."
Kritisch äußerte sich Kirsten Niehuus: "Wir sind noch lange nicht auf dem Level, auf dem andere internationale Mitspieler sind", sagt die Geschäftsführerin des Medienboards Berlin-Brandenburg. Dass diese Lücke geschlossen werden muss, zeigt Showrunner Simon Mirren ("Criminal Minds") auf: "Alleine Netflix möchte tausende von Serien auf die Beine stellen. Dafür braucht es geeigneten Nachwuchs, da bekannte Filmschaffende wie Tom Hardy nicht für immer 40 sind und alles alleine schreiben können." Autoren müssten nicht nur tief in die Kunst des Schreibens eintauchen, sondern auch den Ablauf einer Produktion verstehen.
Es sei diese Showrunner-Mentalität, die immer stärker zum Tragen kommt. "Das ist die Richtung, in die sich dieses Geschäft entwickelt." Peter Kerckhoff, VP Content Deutsche Telekom, hat außerdem einen Rat an alle Autoren, die sich bereits in die Arbeit gestürzt haben: "Wir lesen bereits in der ersten Seite heraus, ob uns der Stoff interessiert. Wenn jemand jedoch mit acht Scripts zu uns kommt, habe ich das Gefühl, dass diese Person kein Feedback und keine kreative Diskussion möchte - sie hat ihre Idee ja bereits komplett fertig aufgeschrieben." Jeder Autor sollte seinen Content außerdem an den Producer seines Vertrauens bringen, ehe ein Pitch beim Sender angepeilt wird. Er sei das Bindeglied zwischen Autor und Netzwerk, dessen Meinung wegweisend sein kann.
"Es ist eine tolle Zeit, um eine Frau zu sein"
Neben der Manpower von Oliver Berben, Peter Kerckhoff und Simon Mirren traten gleich fünf erfolgreiche Damen auf, um über die weibliche Stellung in der Branche zu sprechen. Dass das Thema weiterhin auf die Tagesordnung gehört, beweist manch Anekdote: "Es gab mal einen Produzenten, der mich angeschaut hat und zu mir sagte: Du bist eine Frau? Und willst diese Serie drehen? Eine Actionserie?", erzählt Regisseurin Gabriela Tscherniak ("Akademiya"). Eine Geschichte wie diese haben beinahe alle von ihnen zu erzählen. Produzentin Nataly Kudiabor (frisch zu UFA Fiction gewechselt) hat aber auch anderes erlebt: Sie war in den Anfängen ihrer Karriere als Redakteurin unterwegs, ehe sie überraschend die Producer-Position bei "Verbotene Liebe" zugespielt bekam: "Der australische Produzent, der damals mit an Bord war, hat mir auf meine Zweifel hin Mut zugesprochen und gesagt, dass ich das locker schaffen werden. Bei ihm gab es kein Mann/Frau-Denken, er war schlicht davon überzeugt, dass ich die richtige Person für den Job bin."
"Es ist eine tolle Zeit, um eine Frau zu sein", ist einer der finalen Gedanken der Runde. Nie wurden explizit mehr Frauen für Positionen gesucht. Darin sieht Regisseurin Pola Beck trotzdem einen bitteren Nachgeschmack: "Ich wurde immer und immer wieder für ein Projekt angefragt, mit dem Zusatz, dass sie ganz dringend eine weibliche Regisseurin brauchen. Da dachte ich mir zwar, toll, aber sie haben nicht mich persönlich gesucht." Sie hatte besagtes Projekt angenommen. Auch mit dem Gedanken, dass Frauen so immerhin überhaupt erstmal einen Fuß in der Branchen-Tür haben.
Für's Streamen bezahlt werden - die Zukunft?
Also innovativster Tagesordnungspunkt kann der Auftritt von Andrea Iervolino bezeichnet werden. Er ist der CEO von TaTaTu, einer Firma, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Unterhaltungsbranche in gewisser Weise ganz neu zu denken. Iervolino möchte in einer Fernsehwelt, in der mit Streaming das nächste Zeitalter erreicht wurde, bereits die nahe Zukunft ins Visier nehmen. So stellt sein in Deutschland noch nicht verfügbares Portal TaTaTu ein Angebot zur Verfügung, welches als kostenloses Netflix mit Bonusprogramm bezeichnet werden kann.
Konkret gesagt: Der Zuschauer kann umsonst Programm streamen und bekommt dafür noch Geld. Geld in Form von Coins, die pro Sekunde berechnet werden und auf der Blockchain basieren, die einst Bitcoin bekanntgemacht hat. Diese Coins dienen dazu, in bestimmten Shops Artikel erwerben zu können. "Ich möchte damit auch illegale Raubkopien bekämpfen, da es weiterhin Menschen gibt, die nicht bereit sind, für Platformen wie Netflix Geld zu bezahlen", sagt er. "Mit TaTaTu kann dies geschafft werden, wodurch wir gleichzeitig dafür sorgen, die Rechte der Filmschaffenden zu stärken." Mit dieser Argumentation konnte er bereits so manchen Partner gewinnen: Johnny Depp ging im vergangenen Oktober eine Partnerschaft mit TaTaTu ein, die Filmproduzention Monika Bacardi ("To the Bone") investierte mehr als 100 Millionen US-Dollar.
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