"Kaffee - Kirmes - Kuchen". Diese drei Schlagwörter hat sich Thorsten Gieselmann in seinem Büro in RTL-Farben an die Wand gepinnt. Sie sollen ihn daran erinnern, worauf es ankommt, wenn seine Abteilung neue Formate entwickelt. "Unterhaltend und überraschend wie eine Kirmes, bodenständig und ehrlich wie eine gute Tasse Kaffee mit einem leckeren Stück Kuchen", erklärt er. Gieselmann verantwortet die Daytime des Kölner Privatsenders, was eine undankbare und dankbare Aufgabe zugleich ist. Undankbar deshalb, weil die Quoten-Not seit Jahren größer wird; und dankbar, weil es die aktuelle Situation erlaubt, innerhalb kurzer Zeit viele neue Ideen auszuprobieren. So wie das bei den "Superhändlern" der Fall war, einer aus Großbritannien stammenden Trödelshow, die nach einer erfolglosen NDR-Adaption eigentlich schon vergessen schien, sich nun aber nach "Punkt 12" ganz respektabel entwickelt.
Kaum ein halbes Jahr auf Sendung, hat RTL seinen "Superhändlern" gerade erst einen neuen Anstrich verpasst. Einladender und frischer kommt das Studio jetzt daher, sagt Thorsten Gieselmann. Das ist nicht unwichtig, schließlich ist die UFA-Produktion so etwas wie der erste Stützpfeiler im neuen Nachmittagsprogramm. Während die Quoten nach 15 Uhr in aller Regel mäßig sind, konnten sich "Die Superhändler" seit ihrem Start spürbar steigern: In diesem Jahr liegt der durchschnittliche Marktanteil in der Zielgruppe bislang bei mehr als zwölf Prozent und in der Spitze waren sogar schon mehr als 17 Prozent drin. Neue Folgen mit weiteren Händlern sind die Folge.
Der ganz große Überflieger ist die Trödelsendung zwar nicht, doch der Trend zeigt aus Sicht von RTL in die richtige Richtung. Tatsächlich haben Gieselmann und sein Chef Markus Küttner eine Herkulesaufgabe vor sich: Jahrelang hat man dem Publikum die wildesten Scripted-Reality-Geschichten aufgetischt, bis sie mit der Zeit kaum noch jemand sehen wollte. Jetzt mit einer komplett neuen Programmfarbe, frei von Laiendarstellern, um die Ecke zu kommen, ist nicht ohne Risiko und benötigt Zeit. Lange warten will Gieselmann aber nicht mehr. "Scripted Reality hat für uns keine Zukunft mehr", sagt er im Gespräch mit DWDL.de. "Ab Herbst wollen wir mit einem komplett neuen Line-up am Nachmittag angreifen."
Auch das Format "Meine Geschichte – Mein Leben", das derzeit immerhin zwei Stunden des Programms füllt, muss daher in absehbarer Zeit weichen. Mögliche Alternativen für die Sendeplätze um 15 und 16 Uhr hat RTL inzwischen in der Hinterhand, nachdem die beiden Real-Life-Formate "Auf fremden Sofas" und "Mensch Papa! Väter allein zu Haus" während ihrer Testläufe eine ganz gute Figur machten. "Auf fremden Sofas" soll daher Ende März zurückkehren, die Väter werden ihre Erziehungsmethoden ab Mai wieder unter Beweis stellen. Und noch vor dem Herbst soll mit "Vorher – Nachher" ein Neustart von Constantin Entertainment getestet werden, in dem sich ein Expertenteam um Styling, Haus und Garten kümmert.
Ob all diese Formate das Zeug dazu haben, das ganze Jahr über zu laufen, ist noch nicht entschieden. "Natürlich ist es erstrebenswert, auf einem Daytime-Sendeplatz möglichst ganzjährig ein Format zu spielen", sagt Daytime-Chef Thorsten Gieselmann zu DWDL.de. "Allerdings ist uns bewusst, dass nicht jedes Format diese Ausstrahlungsdosis hergibt, sodass wir es durchaus in Erwägung ziehen, zwei Formate abwechselnd auf einem Sendeplatz auszustrahlen." Das könne dann möglicherweise auch unter einer gemeinsamen Dachmarke passieren.
Als Zielgruppe hat Gieselmann besonders Frauen zwischen 30 und 59 Jahren ausgemacht – und fischt damit in ähnlichen Gewässern wie Sat.1, das mit seinen Scripted-Formaten zunehmend allein auf weiter Flur ist, was den dortigen Verantwortlichen in der jetzigen Situation aber nicht ungelegen kommen dürfte. Blaulicht-Geschichten sind bei RTL jedenfalls vorerst nicht mehr zu erwarten. "Wenn wir uns in Themen bewegen, die den Kern des Lebensmittelpunkts unserer Zuschauer nicht treffen, dann haben wir es schwer", weiß Gieselmann. Dem Lebensmittelpunkt scheinen die Geschichten der Fußbroichs näher zu sein als die eines "Bachelor"-Pärchens, wie die Quoten-Entwicklung von "Auf fremden Sofas" nahelegt.
Langfristig über 14 Prozent Marktanteil
Die Erfindershow "Hol dir die Kohle" traf ebenfalls nicht den Geschmack des Publikums und wird daher nicht fortgesetzt, was RTL ganz nebenbei von dem Dilemma befreit, jeden Tag zehn Erfindungen auftreiben zu müssen. Und so fokussiert sich der Sender jetzt vorwiegend auf klassische Gebiete wie Familie, Erziehung und Liebe, die Gieselmann möglichst mit einem Blick durchs Schlüsselloch anreichern will. Dass RTL damit zunehmend in Konkurrenz zum Schwestersender Vox geht, der seit Jahren mit "Shopping Queen" oder "4 Hochzeiten und eine Traumreise" Erfolge feiert, bestreitet er nicht. "Vox hat sich am Nachmittag thematisch sehr breit aufgestellt. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass wir uns mit unseren Formaten abgrenzen können."
Auf kurze Sicht strebt Gieselmann Marktanteile um 13 Prozent an. "Unser Anspruch muss es aber sein, langfristig wieder konstant auf über 14 Prozent zu kommen." Bei den "Superhändlern" sehe man ja, was möglich sei. Einen sanften Aufwärtstrend spürt RTL auch mit Blick auf die Quoten seiner neuen Dailysoap "Freundinnen – Jetzt erst recht", die sich nun schon seit mehr als 120 Folgen auf dem Sendeplatz um 17:00 Uhr abstrampelt. Zuletzt reichte es hierfür immer öfter für zweistellige Marktanteile, doch ein Erfolg ist das Format damit noch lange nicht. Die Zukunft der Produktion von UFA Serial Drama bleibt daher ungewiss.
"Ich bin sehr froh, dass sich die vielen inhaltlichen Optimierungen des Teams nun auch in den Quoten bemerkbar machen. Doch Mitte April ist nach 160 Folgen vorerst Schluss. Danach schauen wir uns an, ob eine Fortsetzung Sinn macht – und wenn ja, in welcher Form", sagt Thorsten Gieselmann. Klar ist, dass RTL der Fiction um 17:00 Uhr gerne treu bleiben möchte. "Wir arbeiten parallel mit anderen Produktionsfirmen an fiktionalen Stoffen", betont der Daytime-Chef von RTL und bestätigt, dass Filmpool derzeit für den Herbst ein neues Format vorbereitet. Wie man die Zeit bis dahin überbrücken will, ist noch nicht entschieden. Vermutlich gibt’s irgendwas mit Kaffee, Kirmes und Kuchen.